Forms of Representation

Photoforum Pasquart
Flare | Photoforum
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4 min readMar 29, 2021

Interview mit Céline Brunko, anlässlich der Ausstellung Prix Photoforum 2020.

Ausstellungsansicht © Léonard Rossi

Erzählen Sie uns kurz von dem Projekt, das derzeit im Photoforum ausgestellt wird?

Forms of Representation ist ein Langzeitprojekt in Chisinau, der Hauptstadt Moldawiens. Das Narrativ des Projekts ist die heute über 80 jährige Architektin Ala Kirichenko und den von ihr, 1981, erbauten sozialistisch-modernistischen stationären Staatszirkus in Chisinau, Moldawien. Das Projekt behandelt die Darstellung des sozial-gesellschaftlichen Wandels durch den Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion und den damit verbundenen Verlust an Identität und Kultur, aber es zeigt auch das neue gewachsene Potential eines Landes am Beispiel der Protagonistin Ala Kirichenko. Mit Hilfe von Fotografie, Film, Text, Interviews und Dokumenten analysieren und rekontextualisieren Moritz Holenstein und ich diesen historisch aufgeladenen Ort.

Was bedeutet es für Sie, dieses Projekt auszustellen? Was möchten Sie dem Publikum vermitteln?

Das Projekt hat sowohl ein sehr persönlichen wie auch dokumentarischen Charakter. Zum einem bin ich seit jeher mit der Herkunft meines Nachnamens beschäftigt, der seine Weg aus dem „Ostblock“ bis in die Schweiz gefunden hat.

Das Projekt liegt mir sehr am Herzen, unteranderem da ich mit Moritz Holenstein seit 2016 daran arbeite und wir immer wieder zurück nach Chisinau reisen um es zu erweitern. Ein wichtigen Teil dabei ist das Reisen, das Hinbewegen und Durchqueren von Grenzen und Ländern. Bereits zweimal sind wir mit dem Auto von Zürich nach Chisinau gefahren und haben dabei die topografischen wie auch kulturellen Veränderung langsam wahrnehmen können. Nebst dem, haben wir in Chisinau einige Freundschaften geschlossen. Urban Planer, Kunststudentinnen und die Kunst Organisation Oberliht habe uns in der Umsetzung des Projekts unterstütz und geprägt.

Das Projekt beinhaltet mehrere Ebenen. Zum einem ist es die Geschichte von Ala Kirichenko, zum anderen ist es eine Aufarbeitung eines Beispiels der jüngeren Architekturgeschichte Chisinaus. Mit dem Projekt möchte ich diese Geschichte näher bringen und vielleicht auch einige klischierte Blicke durchbrechen.

Ausstellungsansicht © Léonard Rossi

Ihre Arbeit ist eine Zusammenarbeit mit einem Architekten, Moritz Holenstein. Kannten Sie sich schon vor diesem Projekt? Wie ist diese Zusammenarbeit zustande gekommen?

Moritz und ich kennen uns schon sehr lange und wir sind über dieses Projekt hinaus sehr miteinander verbunden. Fakt ist, wir sind bereits in einer 11-jährigen Beziehung. Über diese Nähe sind über die Jahre gemeinsame Interessen und Auseinandersetzungen zum architektonischen Raum und der gebauten Umwelt entstanden. Das Interessante dabei ist, dass wir beide unterschiedliche Betrachtungsweisen und andere Herangehensweisen zu diesem Projekt haben.

Das erste Mal war ich ohne Moritz in Chisinau, aber ich wusste sofort, dass er sich für diesen historisch aufgeladenen Ort interessieren würde.

Im Herbst 2016 sind wird das erste Mal gemeinsam nach Chisinau gefahren, um an den Public Space Days, organisiert von der Kunst Organisation Oberliht in Chisinau, teilzunehmen. Dabei lernten wir das Projekt The Empire Strikes Back? kennen, das im Zuge von einer Gruppe von Intellektuellen, UrbanistInnen, ArchitektInnen, AktivistInnen und anderen AutorInnen durch Städte wie Jerewan, Tiflis, Chisinau, Moskau, Minsk und Kiew gereist ist. Im Mittelpunkt stand dabei, neben lokalen Bestandsaufnahmen, eine Untersuchung der strukturellen Gemeinsamkeiten, die sich hinter Beschreibungskategorien wie “postsowjetische Gesellschaft” verbergen. Der Springerin Verlag hat dazu einen sehr interessante Ausgabe herausgegeben.

Die Teilnahme an den Public Space Days gab uns den Anstoss gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.

Das Projekt umfasst sowohl Archiv- als auch neu aufgenommenes Material. Es ist mehr als nur dokumentarisch, da Sie Ihre eigene Erzählung hinzufügen. Könnten Sie ein wenig mehr über Ihren Prozess und Ihre eigene Position als Künstlerin in Bezug auf dieses Projekt erklären?

Die Arbeit beinhaltet einen kritischen Blick auf die Research-Praxis und betrachtet, welche Positionen dabei eingenommen werden. Es ist nebst einer Darstellung auch eine Auseinandersetzung von uns, als eine Schweizer Fotografin und Architekten in einem Land, dass uns nur durch Geschichten und Bilder vermittelt wurde. Gut zu tragen kommt dies im Video Ala Kirichenko — die klare Zuordnung des Spektakels und deren ZuschauerInnen lösen sich immer mehr auf.

Wie der Titel bereits andeutet, geht es um die möglichen Formen von Repräsentation. Daher bewegt sich das fragmentarische und abstrahierte Ausstellungsdisplay zwischen Dokumentation und Fiktion und beinhaltet nebst Fotografie und Video, auch skulpturale Installationen. Auf eine subtile Weise, mit dem Fokus auf das Zirkus-Gebäude und desen Architektin, soll ein Blick für die Situation in Moldawien heute aufgezeigt werden.

Ausstellungsansicht © Léonard Rossi

Woran arbeiten Sie derzeit? Können Sie uns etwas über Ihre aktuellen oder zukünftigen Projekte erzählen?

In meinem jüngsten künstlerischen Vorhaben fokussiere ich mich auf die Industrielandschaft der Schweiz und dokumentiere mit Video und Soundaufnahmen eine Kiesgrube im Zürcher Unterland. Dabei liegt der Fokus auf dem Zusammenhang und den Abhängigkeiten menschlicher Interaktionen mit der Umwelt. Ein sich wiederholendes Element in meinen Arbeiten ist die gebaute Umwelt, in der wir leben, sowie deren Bezug zur Ressourcen- und Nachhaltigkeitsfragen. Weiterführend lege ich den Fokus auf die Herstellung von Beton und desen Industriezweig. Eine Fragestellung dabei ist, wie sich unsere Abhängigkeit zu diesem Material auf unseres soziales und politische Leben auswirkt.

Dieses Projekt wird im Juli 2021 im Zusammenhang der Werkstipendien Ausstellung der Stadt Zürich im Helmhaus Zürich präsentiert.

Ausstellungsansicht © Léonard Rossi

Die Ausstellung Prix Photoforum 20202 ist vom 3. März bis 4. April 2021 im Photoforum Pasquart, Schweiz, zu sehen.

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