Nicht-Schreiben.

Florian Hollender
Florian Hollender privat
3 min readMay 31, 2017

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So wie Millionen anderer Menschen bin ich auch der Meinung, es stecke mindestens ein Buch in mir. Offensichtlich scheint mir diese Meinung sehr erhaltenswert zu sein — ich habe sie nämlich bislang in jahrelanger Übung durch konsequentes Nicht-tun und nicht-schreiben und nicht-weiter-schreiben am Leben gehalten. Aus der Meinung ist zwischenzeitlich sogar mehr entstanden: Eine zynische Trutzburg. Ein fest sitzender Kramp genau zwischen meinen Ohren. Ein Feuerwerk der Kreativität.

Phase 1: Ein Feuerwerk der Kreativität

Oh ja. Ich bin auf Befehl kreativ. Dazu brauche ich nur ein weißes Blatt Papier, oder — häufiger — den blinkenden Cursor vor mir. Dann geht auf einmal alles ganz schnell, dann…

  • Finde ich Online-Tutorials, um herauszufinden wie meine Tonlage beim Singen ist (Das Internet meint: C2 bis C5)
  • Sind alle Apps auf iPad und Handy auf dem letzten Stand
  • Überlege ich mir die Vor- und Nachteile des Buchtitels, den ich törichterweise vor vielen vielen Jahren einmal gewählt habe (Consilium Dei)
  • Mixe ich die genau passende Musik zusammen, die ich zum Schreiben gebrauchen könnte
  • ….
  • Auf neu Deutsch: Prokrastiniere ich, dass es nur so kracht.

Die Angst übernimmt, und weil ich kein Ziel und keine Richtung habe, und vor allem auch keinen überwältigenden Zwang zum Schreiben (wenn ich es für mich selbst tue), kann sie sich breitmachen und ein Fell ausbreiten und den Kamin anzünden und mir den großen Mittelfinger rausstrecken, während sie sich häuslich einrichtet. Zwischen meinen Ohren. Und die Finger wollen nicht auf die Tasten, ich will nicht da sein, will mich verkriechen.

Phase 2: Meta-Schreiben als rettendes Ventil

Was tatsächlich hilft — zumindest gegen den Krampf im Kopf — ist Meta-Schreiben. Schreiben über das Schreiben. Schreiben über das Nicht-Schreiben. Wahrscheinlich ist sogar ein Großteil meines privaten Text-Outputs, nach der Schulzeit, und außerhalb von Korrespondenz und Beruf, mittlerweile dem Meta-Schreiben gewidmet. Und dann drängt sich alle halbe Jahre der irre Gedanke auf: Ich könnte ja einfach ein Buch darüber schreiben, wie es ist kein Buch zu schreiben. VOLL META. Und mein Hirn dabei komplett austricksen. Ich schreibe dann ja gar nicht wirklich.

Phase 3: Gähnende Langeweile

Tatsächlich dauert die zweite Phase ungefähr so lange an, wie das Adrenalin des geplatzten Schreib-Knotens durch meine Venen ballert. Manchmal bekomme ich das durch gezielten Zynismus noch gestreckt, aber nicht lange. Dann folgt gegebenenfalls noch ein angewürgter Versuch, nun aus dem Meta-Schreiben heraus einfach so zu tun als würde ich ganz zwanglos doch einen Handlungsstrang entwerfen, einen Protagonisten ins Licht stellen und mich selbst ganz heimlich von der Bühne zu schleichen, damit der die Show übernehmen kann. Hat noch nie geklappt. Wen auch immer ich da antreten lasse — er oder sie hat keine Dimensionalität, keine Fläche, keinen Stand. Sobald ich nur zum Weiteratmen ansetze, fällt schon alles hin, ohne Vorhang, nur mit peinlich. Phase 3 fühlt sich an, als würde der Motor am zu steilen Hang abwürgen.

Phase 4: Repeat, repeat, repeat!

Dann bleibt nur noch: Warten bis zum nächsten Mal. Wie ich schon sagte: es steckt ein Buch in mir. Leider steckt es tatsächlich ganz schön fest.

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Florian Hollender
Florian Hollender privat

Dad. Director IoT Practice @lspdigital. COO @chainventures . Design Sprint Facilitator. Enthusiast for people & tech. Internet of Things & DLT. All views my own