froach Interview mit Dr. Wendsche: Der Nutzen von Minipausen

Thomas Reformat
froach
Published in
13 min readMar 30, 2021

Praxis trifft Wissenschaft - Ein Interview von Thomas Reformat (Froach Media GmbH) mit Dr. Johannes Wendsche (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) darüber, warum kurze Pausen kein Zeitverlust sind, wie die optimale Pause aussieht und weshalb Führungskräfte mit gutem Vorbild voran gehen sollten.

Th. Reformat:

Herr Dr. Wendsche ich freue mich sehr über die Gelegenheit eines gemeinsamen Interviews. Wir nutzen seit vielen Jahren die Forschungsergebnisse der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) für die Entwicklung unserer Gesundheitsprogramme. Und tatsächlich konnten wir unsere ersten Erfahrungen mit Bewegungsprogrammen im betrieblichen Kontext in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin durchführen. An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei Frau Anna-Dorothee Hölke (damalige Leiterin des Bereichs Bibliothek, BAuA) bedanken. Sie setzte sich sehr für das Thema Bewegungs- und Entspannungspausen in der BAuA ein, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern und zu unterstützen. Aus meiner Erfahrung sind gerade solche Führungskräfte wichtig, denen das Wohlbefinden der Mitarbeitenden am Herzen liegt und die zudem auch ihrer Verantwortung hinsichtlich Mitarbeitergesundheit gerecht werden.

Wir wissen, dass die Führungskräfte ein wichtiger Verhältnisfaktor für die Gesundheit und die Motivation der Mitarbeitenden sind. In der Praxis habe ich ihre Bereitschaft insbesondere zur Durchführung von organsierten Pausenprogrammen sehr unterschiedlich erlebt. Aus meiner Sicht bewerten noch zu viele Teamleiterinnen und Teamleiter Pausen als verlorene Arbeitszeit und sehen weniger den Nutzen - die Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Produktivität. Wie schätzen Sie das persönliche Pausenverhalten von Führungskräften sowie deren Haltung zum Thema Pausen ein? Gibt es dazu wissenschaftliche Belege?

Dr. Wendsche:

Es ist eine wissenschaftlich lang diskutierte Frage, ob Führungskräfte gesünder oder kränker sind als ihre Mitarbeiter. Andreas Zimber hat mit Kollegen die Literaturlage dazu vor Jahren zusammengefasst und gezeigt, dass es keinen eindeutigen Trend gibt. Führungskräfte verfügen meist über mehr Arbeitsressourcen, sie können sich beispielsweise ihre Arbeitszeit eher frei einteilen als ihre Mitarbeiter. Dies schwächt die negativen gesundheitlichen Wirkungen der oft auch höheren Anforderungen auf Arbeit ab, beispielsweise hoher Zeitdruck, hohe mentale Anforderungen als auch viele Arbeitsunterbrechungen. Eine Folge dieser Belastung ist oft, dass an Zeit zur Erholung gespart wird um Arbeit ziele fristgerecht zu erreichen. Dies geht oft auf Kosten des freien Nachmittags oder Abend und eben auch der Arbeitspausen. In unseren Studien haben wir oft gefunden, dass Führungskräfte wesentlich häufiger ihre Arbeitspausen ausfallen lassen als Mitarbeiter ohne Führungsfunktion. Führungskräften fällte es auch häufiger schwer am Abend die Arbeit mental aus dem Kopf zu bekommen. Sie beginnen darüber zu grübeln, was am nächsten Tag wieder alles ansteht. Eine neuere Studie hat gezeigt, dass dieses arbeitsbezogene Grübeln sich von der Führungskraft auch auf den Mitarbeiter übertragen kann. Insofern ist es wichtig, dass Führungskräfte beim Thema Erholung achtsam als Vorbild vorangehen.

Referenz: Wie stark sind Führungskräfte psychisch gefahrdet? Eine Literaturübersicht zu Gesundheitsrisiken und arbeitsbezogenen Risiko- und Schutzfaktoren

Th. Reformat:

Im Alltag erlebe ich Führungskräfte zunehmend gesundheitsbewusster. Viele interessieren sich für Sport und immer öfter auch für Entspannungsvarianten wie Meditation oder Yoga. Doch sie leben teilweise selbst nach dem Motto, erst die Arbeit und dann das Vergnügen und vernachlässigen oft ihre Regeneration während der Arbeit. Einige vertreten die Meinung, Gesundheit ist ein privates Thema und gehört in den Freizeitbereich und nicht an den Arbeitsplatz. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Teamleiter, der sagte, wozu brauche ich diese Übungen am Arbeitsplatz, ich gehe dreimal die Woche ins Fitnesscenter, mache sogar Yoga und am Wochenende laufe ich 10-15 km. Was sollen mir daher diese kurzen Bewegungsübungen während der Arbeit bringen? Was wäre Ihre Antwort auf diese Frage?

Dr. Wendsche:

Nun, diese Führungskraft hat für sich ja selbst schon festgestellt, dass ihr Bewegung ganz guttut. Ansonsten würde sie ihr Verhalten nicht dauerhaft ändern. Aber klar, Erholung wird oft als etwas sehr Persönliches betrachtet. Erholungsprobleme entstehen allerdings eher durch die Arbeit. Unsere Untersuchungen zeigen, wer auf Pausen verzichtet, macht dies eher nicht aus privaten Gründen, sondern weil die Arbeit eine erholsame Unterbrechung nicht zulässt. Führungskräfte lassen sich meist dann überzeugen, wenn eine Verhaltensänderung nachweislich positive Wirkungen hat. Für Aktivpausen existiert diese Evidenz seit vielen Jahren. Wer seine Arbeit für Erholung unterbricht und seine Arbeitstätigkeit wechselt - in unseren Bürojob ist das nun mal die fehlende Bewegung die ausgeglichen werden muss - fühlt sich nicht nur wohler und berichtet von weniger körperlichen Beschwerden, sondern er steigert auch seine Arbeitsleistung. Diese Leistungseffekte beruhen auf ganz grundlegenden theoretischen Prinzipien der Psychologie, die teilweise schon 100 Jahre bekannt sind. Pausen haben aber auch noch andere günstige Wirkungen: Krankenstände und Fluktuationsquoten von Mitarbeitern sinken und die Arbeitssicherheit wird erhöht. Alles gute Gründe, um selbst eine kurze Bewegungspause nicht lange aufs Wochenende aufzuschieben, sondern täglich zu leben.

Referenz: Wendsche, J. & Lohmann-Haislah, A. (2016). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt: Pausen. Dortmund, Berlin, Dresden: Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Th. Reformat:

Aktuelle Studien zeigen, dass kürzere Pausen während der Arbeit für die Regeneration hilfreicher sind als eine längere Pause. Gibt es eine Empfehlung für eine 8h-Arbeitskraft in der Verwaltung, wie sie optimal ihre Pausen verbringen sollte?

Dr. Wendsche:

Das ist richtig. Häufigere kurze Pausen gehen mit günstigeren Wirkungen einher als das klassische Blockpausenmodell, d.h. die lange Mittagspause. Obwohl sich aus der wissenschaftlichen Literatur nur Hinweise für eine optimale Pausengestaltung ergeben, empfehle ich meist folgende Faustregel für Bürobeschäftigte:

  • Mindestens eine lange Pause für Mahlzeiten (z. B. 20 Minuten)
  • Mindestens eine zusätzliche kürzere Pausen, eher in der zweiten Tageshälfte (z. B. 10 Minuten am Nachmittag)
  • Mini- oder Kurzpausen (bis 5 Minuten) alle 2 Stunden

Diese Mini- und Kurzpausen sind kein Zeitverlust. Wir haben in einer Übersichtsarbeit zeigen können, dass die Beschäftigten aufgrund der förderlichen motivationalen Wirkungen diese Zeit rausarbeiten und sie sogar in kürzerer Zeit mehr schaffen als ohne solche Pausen.

Wichtig ist aber nicht nur Pausenzeiten einzuhalten, sondern möglichst auch den Stressoren der Arbeit zu entfliehen. Das heißt den Arbeitsplatz in den längeren Pausen zu verlassen und während der Kurzpausen, die Arbeitsmittel stilllegen (Computer in Ruhemodus fahren) und einen Tätigkeitsausgleich zu suchen.

Referenz: baua: Bericht - Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt

Th. Reformat:

Wir schulen seit einigen Jahren „Betriebliche Gesundheitsmultiplikatoren“. Das sind engagierte und gesundheitsinteressierte Mitarbeitende, die in ihren Teams kleine Gesundheitsaktionen durchführen und das Pausenverhalten unterstützen. Sie berichten immer öfter, dass Kolleginnen und Kollegen sich in den Pausen mit Chatten oder Spielen am Handy entspannen. Gibt es aktuelle Studien, die wirksame und weniger wirksame Pauseninhalte unterscheiden?

Dr. Wendsche:

Die Nutzung von Smartphones und elektronischen Medien in den Pausen ist weit verbreitet, wie kürzlich eine Studie von Hiltraut Paridon und Nicole Lazar festgestellt hat. Meist geht es dabei um sozialen Austausch. Dies ist nicht verwunderlich, da Bindung und Zugehörigkeit ein zentrales psychologisches Grundbedürfnis darstellt. Warum sollte man diesem nicht in der Pause nachgehen. Es scheint aber so zu sein, dass die Beschäftigten ihr Nutzungsverhalten entsprechend dem Erholungswert der spezifischen Smartphoneaktivität anpassen. Beispielsweise werden recht häufig Kurznachrichten gelesen, telefoniert oder E-Mails gelesen und beantwortet und ein Großteil der Beschäftigten fühlt sich danach auch erholt. Dies kann man so erklären, dass das Bewältigen von Aufgaben - auch den privaten - eine wichtige Grundvoraussetzung ist, um in die Erholung reinzukommen. Die Nutzung von sozialen Netzwerken in den Pausen wird dagegen als wenig erholsam erlebt, eventuell aber auch deshalb weniger in den Pausen genutzt.

Insgesamt hat die Pausenforschung festgestellt, dass Erholung immer dann in einer Pause stattfindet, wenn man etwas anderes als in der Arbeit macht, sich also Anforderungen wechseln. Das kann man dann für sich selber durchdeklinieren. Wer viel sitzt, sollte sich bewegen, wer geistig anstrengende Aufgaben erledigen muss, sollte sich Zeit zur Muße und Ruhe nehmen, wer alleine arbeitet, den Kontakt zu Kollegen suchen. Wichtig am Ende ist nicht nur die Pausenaktivität, sondern, ob diese als erholsam erlebt wird. Wichtige Erholungserfahrungen sind dabei, dass man das Gefühl hat, von der Arbeit abschalten und sich entspannen zu können und seine Pause als kontrollierbar erlebt. Daher kann die gemeinsame Mittagspause mit Kollegen für den einen Entspannung pur sein, für den anderen zusätzlicher Stress.

Referenz: Regeneration, Erholung, Pausengestaltung — alte Rezepte für moderne Arbeitswelten?

Th. Reformat:

Gemeinsam mit unserem Team entwickeln wir organisationsspezifische Lösungen zur Förderung der Regeneration und des Pausenverhaltens. Insbesondere durch die Pandemiesituation verlagert sich das Interesse in Richtung digitale Pausenprogramme, die sowohl im Büro, aber auch im Homeoffice funktionieren. Die Frage nach dem ROI wird immer häufiger gestellt. Gibt es wissenschaftlich fundierte Nachweise, dass sich die Investition in Form von Arbeitszeit sowie Anwendungskosten lohnen? Das heißt, dass sich die Leistungsfähigkeit und Produktivität und der damit verbundene wirtschaftliche Erfolg dadurch erhöhen?

Dr. Wendsche:

Ja, die gibt es. Inzwischen existieren zahlreiche Metaanalysen zu diesem Thema. Metaanalysen haben den Vorteil, dass Erkenntnisse aus einzelnen Studien zusammengefasst werden und man am Ende eine Aussage bekommt, wie stark und wie konsistent die Effekte im Mittel sind. Aus diesen Studien ist gut belegt, dass Pausen das psychische und körperliche Wohlbefinden verbessern, dass sie die Arbeitsleistung erhöhen, dass sie Lernen und Problemlösen stimulieren und sogar, dass Beschäftigte, die sich an Pausenzeiten halten, ein geringeres Risiko für Arbeitsunfälle haben. Auch für die zentralen Erholungserfahrungen, d.h. in den Pausen abschalten und entspannen zu können, ist inzwischen belegt, dass diese das Wohlbefinden verbessern. Insofern mag es nicht verwundern, dass bereits eine frühe Studie zeigte, dass Pausen die Anzahl an Krankentagen pro Mitarbeiter, ein wichtiges Kriterium für die Effektivität des BGM, senken.

Monetäre Kosten-Nutzen-Rechnungen zum Wert der Pause gibt es nur vereinzelt.

In einer Metaanalyse haben wir gezeigt, dass bezahlte Kurzpausen - also solche die nicht nachgearbeitet werden müssen - sogar in einem Leistungszuwachs münden. Otto Graf, ein bekannter Pausenforscher, hatte dies bereits in den 1920er Jahren vermutet. In unserer Studie konnten wir tatsächlich zeigen, dass es so etwas wie eine „lohnende Pausen gibt“.

Wir haben dann im Rahmen eines Buches über den Wert der Pause mal betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnungen angestellt und haben gezeigt, dass sich die Einführung von Kurzpausen für Betriebe auch dann finanziell lohnt, wenn die pausenbedingten Zeitverluste durch zusätzliches Personal ersetzt werden.

Ein weiteres Argument ist auch der Einfluss von Pausen auf die Fachkräftesicherung. In der Pflege sind Fachkräfte relativ rar und die Suche nach Personal ist kosten- und zeitintensiv. Hier haben wir gezeigt, dass Teampausen die jährliche Fluktuationsquote reduzieren. Wir fanden weiterhin, dass in Pflegeeinrichtungen, die bereits eine schlechte Personalbemessung haben - aufgrund der damit einhergehenden erhöhten Arbeitsbelastung oft ein Grund, dass noch mehr Kollegen das Unternehmen zu verlassen - regelmäßige Pausen einen Anstieg der Wechselquote vorbeugen und damit zur Fachkräftesicherung beitragen. Insofern kann man relativ sicher sagen, dass eine betriebliche Investition in die Erholung der Mitarbeiter sich auszahlt: Pausen sind also keine verlorene Zeit für Unternehmen, sondern ein kluges Investment in die eigenen Personalressourcen.

Referenzen:

Wendsche, J., Hacker, W., & Wegge, J. (2017). Understaffing and registered nurses turnover: The moderating role of regular rest breaks. German Journal of Human Resource Management, 31(3), 238–259.

Wendsche, J., & Lohmann-Haislah, A. (2018). Arbeitspausen gesundheits- und leistungsförderlich gestalten. Göttingen: Hogrefe.

Wendsche, J., Lohmann-Haislah, A., & Wegge, J. (2016). The impact of supplementary short rest breaks on task performance — A meta-analysis. Sozialpolitik.CH, 2, 1–24.

Wendsche, J., Lohmann-Haislah, A., & Wegge, J. (2016). The impact of supplementary short rest breaks on task performance — A meta-analysis. Sozialpolitik.CH, 2, 1–24.

Th. Reformat:

Die Arbeit im Homeoffice stellt für viele Beschäftigte eine neue Herausforderung dar. Die Arbeitsorganisation und dazu gehört natürlich auch das Pausen machen bietet im häuslichen Umfeld andere Möglichkeiten, aber auch andere Hindernisse. Was denken Sie über Pausen im Homeoffice in Form von Hausarbeiten wie Wäschezusammenlegen, Putzen oder Gartenarbeit?

Dr. Wendsche:

Die Vorteile des Homeoffice liegen natürlich darin, dass die Autonomie des Beschäftigten über seine Pausengestaltung grundsätzlich zunehmen sollte und dadurch, wie meine Kollegin Laura Venz kürzlich zeigte, es besser gelingt eine Passung zu den individuellen Pausenbedürfnissen herzustellen. Dies wirkt sich günstig auf das Wohlbefinden aus. Gleichzeitig haben wir es aber in der aktuellen Situation natürlich mit einer Verschärfung der privaten Stressoren im Homeoffice zu tun: Kinder sind zu betreuen, es findet sich kaum ein ruhiger Platz zum Arbeiten, wenn die ganze Familie in der Wohnung ist, technische Arbeitsmittel fallen eventuell aus. Wir werden eventuell dadurch auch öfter in unserer Arbeit unterbrochen, das Beenden von Arbeitsaufgaben in geplanten Zeitfenstern fällt schwer. Viele Beschäftigte reagieren auf solche Bedingungen mit einem Verzicht auf Zeit zur Erholung. Man lässt die Pausen ausfallen oder arbeitet länger bis in den Abend. Dieses Verhalten wird zusätzlich dadurch gefördert, dass uns „kognitive Erholungsanker“, also Erinnerungshilfen für die Pause, fehlen. Im Büro kommt vielleicht noch ein Kollege vorbei und holt einen zum Gang in die Kantine ab. Das fällt zu Hause weg.

Im Homeoffice werden deshalb noch stärker als im klassischen Büro unsere Selbstkontrollfähigkeiten als auch unsere eigene Erholungskompetenz gefordert. Wie kann man beide fördern? Erstens, der bekannte Wiener Erholungsforscher Gerhard Blasche hat gezeigt, dass die Absichtsbildung ganz entscheidend für die Pausenrealisierung ist. Beschäftigte sollten sich also im Homeoffice zu Beginn ihres Arbeitstages detaillierte Zeitpläne erstellen, wann gearbeitet wird und wann Pause gemacht wird. Dadurch das Unterbrechungen durch die Familie recht wahrscheinlich sind, ist es günstig die Arbeits-Erholungszyklen eher hochfrequenter zu planen, beispielsweise 5 Minuten Pause nach 30 Minuten Arbeit. Leider ist es so, dass wir Menschen Zeiten als auch unseren eigenen Ermüdungsgrad schlecht einschätzen können. Deshalb meine Empfehlung: den Wecker stellen oder computergestützte Erinnerungshilfen, z.B. elektronische Pausenprogramme, nutzen.

Zweitens, wie kann ich meine eigene Erholungsfähigkeit stärken? Wir haben kürzlich die Literatur dazu gesichtet und haben eine Reihe wirksamer Maßnahmen gefunden. Dazu zählen zum Beispiel Trainings zur Schlafhygiene, das Erlernen einer Entspannungstechnik, Achtsamkeitstrainings als auch klassische Stressmanagement- und Emotionsregulationstrainings. Viele private Anbieter aber auch Krankenkassen bieten solche Programme inzwischen an.

Referenz: Make it your Break! Benefits of Person-Break Fit for Post-Break Affect

Th. Reformat:

Die Arbeitswelt entwickelt sich momentan sehr rasant und verändert sich stark. Was denken Sie, sind auch Veränderungen hinsichtlich des Pausenverhaltens und möglicher Unterstützungsangebote zu erwarten?

Dr. Wendsche

Ich glaube das Pausen machen ist ein natürliches menschliches Grundbedürfnis. Als ich angefangen habe, mich genauer mit dem Thema zu beschäftigen, habe ich zum Beispiel Quellen gefunden, dass bereits im alten Ägypten beim Bau der Pyramiden organisierte Pausensysteme genutzt wurden. Was wir sehen ist, dass die eigene Autonomie in der Arbeit zunimmt. Beschäftigte brauchen deshalb Hilfen, um mit dieser Autonomie gut umgehen zu können. Denn Autonomie kann ja auch bedeuten: Ich verzichte freiwillig auf Erholung. Die Unterstützungsansätze habe ich bereits genannt. Das betrifft erstens, die Förderung der Selbstkontroll- und Erholungsfähigkeit von Beschäftigten, z.B. auch durch Onlineangebote, und zweitens die Unterstützung der Planung und Durchführung von Pausen, beispielsweise durch elektronische Hilfen für PC, Tablet und Smartphone.

Ein neues Thema was mich umtreibt, ist die Frage, wie wir in den Betrieben eine bessere Kultur der Erholung implementieren können. Wir sind gerade dabei ein Screeninginstrument zu entwickeln, mit dem man messen kann, wie Mitarbeiter die Einstellung und Kommunikation des Unternehmens beim Thema Erholung aber auch die gelebte Erholungspraxis im Betrieb einschätzen kann. In ersten Untersuchungen haben wir festgestellt, dass dieses betriebliche Erholungsklima tatsächlich ein besseres Pausen- und Erholungsverhalten, weniger Ermüdung am Nachmittag und eine bessere selbstberichtete Gesundheit vorhersagen. Es wird eine Herausforderung sein, noch besser Maßnahmen zu entwickeln und zu prüfen, die tatsächlich zur Verbesserung der Erholungskultur beitragen.

Referenz:

Wendsche, J. (2019). Arbeit und Erholung im Einklang: Betriebliches Erholungsklima im Fokus. Vortrag auf dem 36. Internationalen Kongress für Arbeitsschutz, und Arbeitsmedizin, Sicherheit, Gesundheit, Ergonomie vom 5.-8.11.2019 in Düsseldorf.

Th. Reformat:

Herr Dr. Wendsche vielen Dank für das interessante Interview und eine Frage sei zum Abschluss erlaubt, wie sieht ihr ganz persönliches Pausenverhalten derzeit aus?

Dr. Wendsche:

Mein Pausenverhalten ist seit Jahren relativ stabil. Ich treffe mich meist mit Kollegen zu einer kurzen Arbeitsbesprechung mit Kaffee am Morgen, lege dann eine längere Mittagspause ein und meist noch eine Kaffeepause am Nachmittag.

Th. Reformat:

Bei mir spielt der Kaffee auch eine sehr wichtige Rolle. Ich genieße diese Momente und weiß einen guten Kaffee in möglichst ruhiger Umgebung sehr zu schätzen. Im Homeoffice hat sich dafür eine entspannte Ecke entwickelt und tatsächlich gehört auch eine kleine Kerze dazu. Um danach wieder in Schwung zu kommen, hilft mir die Bewegungsübung „Der Trockenschwimmer“ - eine Schwimmbewegung aus der Hocke in die Streckung.

Herr Dr. Wendsche dann möchte ich mich recht herzlich für das interessante Interview bedanken! Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute und ich freue mich auch weiterhin auf Ihre Forschungsarbeit, die unserem Team sehr hilft, unser digitales Pausenangebot weiter zu optimieren.

Neue Gesundheitskultur in Unternehmen ist gefordert

Die aktuelle Situation zeigt, Gesundheit ist in unserer Gesellschaft das höchste Gut. Umso wichtiger ist jetzt, die veränderten Anforderungen in der Arbeitswelt frühzeitig zu erkennen und die betriebliche Gesundheitsförderung auch hinsichtlich der Erholungsförderung entsprechend neu auszurichten. Aktuelle Zahlen zeigen, dass bereits ¼ der Beschäftigten in Deutschland im Homeoffice arbeiten. Reduzierte Arbeits- und Reisewege führen nicht etwa zur Entlastung der Beschäftigten, sondern eher zu einer zunehmenden Reizdichte durch enggetacktete Videocalls. Wie dieses Interview zeigt, ist das Thema Minipausen und zwar in Home & Office eine wichtige Voraussetzung für das Wohlbefinden und den Erhalt der Leistungsfähigkeit. Die Unternehmen, ihre Führungsebene und natürlich der einzelne Beschäftigte sind gemeinsam gefordert, um eine neue Gesundheitskultur in ihren Organisationen zu entwickeln und zu leben. Wer das jetzt erkennt, wird auch zukünftig auf zufriedene, motivierte und produktive Mitarbeitende zurückgreifen können.

Kurzvorstellungen:

Dr. Johannes Wendsche (Dr. rer. nat. Dipl.-Psych.)

© Christina Schulz

Diplomstudium und Promotion im Bereich Arbeitspsychologie an der TU Dresden, wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Projekten und Dozent an der Fakultät Psychologie der TU Dresden (2007–2014), seit 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich 3 “Arbeit und Gesundheit” an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Ich forsche seit 14 Jahren zu Themen wie Mitarbeitererholung, Belastung und Beanspruchung durch Arbeit und Mitarbeiterfluktuation.

Veröffentlichte Fachpublikationen können hier eingesehen werden (https://www.researchgate.net/profile/Johannes_Wendsche).

Ich beteilige mich am wissenschaftlichen Diskurs bezüglich dieser Themen und bin Reviewer in 25 internationalen Fachzeitschriften.

Im Mai 2021 wird das von mir und anderen Kolleginnen und Kollegen herausgegebene Erholungssonderheft “Always on, never done? How the mind recovers after a stressful work day” in der Zeitschrift “German Journal of Human Resource Management/Zeitschrift für Personalforschung” erscheinen

Thomas Reformat (Dipl.-Psychologe & Physiotherapeut)

Thomas Refortmat

Mitgründer und Geschäftsführer der Firma relax-Gesundheitsmangement (Anbieter im Betrieblichen Gesundheitsmanagement), Mitgründer der Froach Media GmbH (E-Health Startup für digitale Minipausen in Home&Office).

Seit 20 Jahren entwickelt er analoge und digitale Gesundheitskonzepte zur Förderung der Regeneration im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Mit der Übungs-CD „Pause-was tun?!“ - dem Vorgänger der heutigen webbasierten Anwendung froach - zählt sein Team zu den Pionieren der digitalen Pausenanwendungen in Deutschland.

froach ist deine innovative webbasierte Anwendung für aktive und gesunde Minipausen direkt am Arbeitsplatz, im Homeoffice oder in der Freizeit.

Hast du Fragen? Schau bei unserer Knowledge Base oder beim Support Team vorbei! Folge uns auf Facebook, Twitter, Instragram und LinkedIn für weitere Updates.

--

--

Thomas Reformat
froach
Editor for

Dipl. Psychologe & Physiotherpeut, Gesellschafter und Mitgründer bei froach.de