„Mach mal Pause“- Zeitverlust oder Investition in Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit?

Thomas Reformat
froach
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8 min readMar 2, 2021

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Vielleicht kennst du das: „Wenn alles erledigt und fertig ist, dann gehe ich entspannt in die Pause.“ Entspricht das auch deiner Realität?

Als Psychologe und insbesondere als Berater im Betrieblichen Gesundheitsmanagement begleitet mich das Thema „Wirksamkeit von Pausen“ schon seit vielen Jahren. Und wenn ich auf mich selber schaue, dann bleibt es in Bezug auf mein ganz persönliches Pausenverhalten stets aktuell. Ich habe mich gefragt, woran es wohl liegen könnte, dass ich mich selbst immer wieder zu Kurzpausen motivieren muss, obwohl ich den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit so gut kenne. Vielleicht liegt der Ursprung wie so oft in meiner Kindheit. Ich war ein begeisterter Fußballer und der folgende Satz meiner Eltern liegt mir noch gut in den Ohren: „Erst die Arbeit - dann das Vergnügen“, was soviel bedeutete wie „erst die Hausaufgaben - dann kannst du raus zum Fußballspielen“. Ob diese Herangehensweise pädagogisch sinnvoll ist, kann ich schwer beurteilen. Ich weiß aber aus Diskussionen im Rahmen meiner Seminare, dass es vielen anderen ähnlich geht und dieser Glaubenssatz teilweise tief in uns verankert ist. Wie man es besser schafft, Pausen zu nehmen, bevor man sich fix und fertig fühlt und warum diese so wichtig für uns sind, möchte ich in diesem Artikel näher beleuchten.

Die Herausforderungen flexibler Arbeitswelten

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren hinsichtlich der räumlichen Flexibilität aber auch bezüglich des Handlungsspielraums der eigenverantwortlichen Arbeitsorganisation stark verändert. Viele erleben momentan die neuen Herausforderungen im Homeoffice. Das Pausenverhalten verändert sich deutlich im Gegensatz zur gewohnten Teamarbeit im Büro. Gewohnte fixe Pausenrhythmen mit Möglichkeiten des sozialen Austausches müssen jetzt durch vermehrte Selbststeuerung neu im oft isolierten Homeoffice-Alltag verankert werden. Eine Schweizer Studie (Degenhard et al., 2014) zeigt, dass Personen im Homeoffice ihre Ruhepausen nicht oder nur verkürzt einnehmen. Das heißt, das Aufschieben von Pausen - noch ein Telefonat, diese Mail noch, schnell die Kinder beim Homeschooling unterstützen, kurz die Präsentation fertigstellen usw. - findet man in der selbstorganisierten Pausenpraxis häufiger als bei fremdgesteuerten Pausenregelungen. Das führt zur Reduktion der Erholungsfähigkeit und vermindert die Produktivität und Leistungsfähigkeit. Umso wichtiger sind aktuell die stetige Sensibilisierung sowie wirksame Unterstützungsangebote für ein gesundheitsförderliches Pausenverhalten.

Immer mehr in immer kürzerer Zeit — Anstieg von Arbeitsintensität und Geschwindigkeit

Neben den veränderten Arbeitsbedingungen der beschriebenen räumlichen und zeitlich-organisatorischen Flexibilität erleben wir heute einen Zuwachs der Arbeitsintensität. Im Rahmen des digitalen Wandels hat sich die Geschwindigkeit der Informationsübertragung erhöht und die damit verbundenen Reaktionszeiten sind deutlich verkürzt. Dieses Mehr in immer kürzerer Zeit führt zu einer Zunahme der mentalen Arbeitsbeanspruchung. Die Erkenntnisse der Erholungsforschung zeigen, dass eine zunehmende Beanspruchung nur durch adäquat angepasste Regeneration kompensiert und somit die Leistungsfähigkeit wiederhergestellt werden kann.

Pausen — keine verlorene Arbeitszeit

Seit mehreren Jahren entwickeln wir Gesundheitskonzepte für Organisationen, die das Pausenverhalten der Mitarbeitenden unterstützen wollen. Neben unserer digitalen Gesundheitsanwendung froach qualifizieren wir gesundheitsinteressierte Mitarbeitende zu sogenannten Betrieblichen Gesundheitsmultiplikatoren, die die Gesundheit direkt im Team durch verschiedene Gesundheitsaktionen fördern. Im gemeinsamen Austausch bezüglich der Pausenkultur im Unternehmen hören wir oft das Argument „Für regelmäßige Pausen bleibt uns zu wenig Zeit, es gibt einfach zu viel zu tun.“ Zugegeben etwas provokant stelle ich darauf die Frage „Kennen Sie überhaupt den Zustand alle Aufgaben erledigt zu haben, oder wann hatten Sie zuletzt das Gefühl, wirklich alles geschafft zu haben…” Ich blicke dann in sehr nachdenkliche Gesichter. Gemeinsam machen wir uns bewusst, ob auf der Arbeit oder zu Hause, es gibt immer etwas zu tun. Und selbst wenn die Arbeitsintensität und der Umfang weiter erhöht werden, ändert es sehr wenig. Das zu erkennen, ist ein ganz wichtiger Schritt. Das Pausen keine verlorene Arbeitszeit, sondern eine Investition in den Erhalt der Leistungsfähigkeit sind, zeigt die Übersichtsarbeit von Dr. Wendsche (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Baua). Er äußert sich zu den Ergebnissen wie folgt:

„Es gibt Hinweise, dass häufigere Pausen das Risiko für Arbeitsunfälle senken […], dass sogar bezahlte Kurzpausen die Arbeitsleistung ohne produktiven Zeitverlust steigern und dies von förderlichen Effekten auf das körperliche und psychische Wohlbefinden begleitet ist. (Wendsche et al., 2016)

Pausen und ihr teilweise negatives Image in unserer Kultur

Hätte ich meinen Lehrern früher gesagt, dass ich später mit Pausen meinen Lebensunterhalt bestreite, hätten Sie wahrscheinlich zustimmend mit einem Schmunzeln genickt.

Das Image von Pausen in unserem Kulturkreis erlebe ich sehr paradox, obwohl wir gern Pause machen und auch prinzipiell wissen, dass Pausen wichtig sind, assoziieren viele Menschen Pausen mit Attributen wie fehlendem Pflichtbewusstsein, unsolidarisch, faulenzen usw. Im Office-Alltag zeigt sich, dies an wenig belebten „Café-Inseln“ oder an einer geringen Teilnahme bei gut gemeinten Angeboten wie bewegten Pausen. Die Betrieblichen Gesundheitsmultiplikatoren, die in ihren Organisationen auch kleine Bewegungs- und Entspannungspausen für ihre Kolleginnen und Kollegen anbieten, bestätigen das zum Teil negative Image vom Pausen machen. Sie hören des Öfteren den Kommentar: „Na ihr müsst ja Zeit haben…“ Ich erinnere mich an einen Kunden, der in einem schicken Bürogebäude den Entspannungsraum mit einem komfortablen Massagesessel direkt neben dem Bereich der Geschäftsführung platzierte und sich wunderte, warum dieses tolle Angebot so selten genutzt wird. All diese Beispiele zeigen, dass wir auch kulturell noch Überzeugungsarbeit in Bezug auf die positive Wahrnehmung und Akzeptanz der Wirksamkeit von Pausen leisten müssen. Vielleicht können wir hier von unseren Freunden aus den südlichen Ländern noch einiges lernen.

Die Arbeitsleistung ist eben nicht nur das Ergebnis aus Arbeit pro Zeit, sondern aus Arbeit und Gesundheit pro Zeit.

Dieser wichtige Aspekt, wie wir uns während der Arbeit fühlen, wie es uns dabei geht, wird leider immer noch zu stark vernachlässigt. Wir sollten uns und anderen daher mehr vertrauen. Wer regelmäßig Pausen macht, ist klug, achtet auf seine Ressourcen und fördert dadurch seine Leistungsfähigkeit und die des gesamten Teams.

Positive Funktionen von Pausen

Trotz der Unsicherheit beim Pausieren - andere könnten denken, man mache zu viel Pause - zeigt eine aktuelle Studie, dass für ca. 88 % der befragten deutschen Beschäftigten Arbeitspausen wichtig sind (Paridon & Lazar, 2017). So ist davon auszugehen, dass die meisten von uns die positiven Aspekte von Pausen wahrnehmen und diese als unterstützend erleben. Herr Dr. Wendsche (Baua) forscht seit mehreren Jahren zu diesem Thema und hat in einer Metastudie (Wendsche et al., 2016) die unterschiedlichen positiven Funktionen von Pausen wie folgt zusammengefasst:

  • Erholung: Pausen bauen kurzfristige negative, körperliche und psychische ermüdungsrelevante Beanspruchungsfolgen ab und beugen deren Anhäufung während der Arbeit vor. Pausen ermöglichen es, sich zumindest zeitweise mental von der Arbeit distanzieren zu können.
  • Motivation: Pausen gliedern die Gesamtarbeitszeit in kürzere Abschnitte, was den genutzten Aufwand zur Leistungserbringung bei der Arbeit begünstigt.
  • Belastungsausgleich und -begrenzung: Pausen ermöglichen Tätigkeits- und Anforderungswechsel, was den Aufbau verbrauchter psychophysischer Ressourcen fördert. Gleichzeitig werden Phasen hoher Belastung während der Arbeit zeitlich begrenzt.
  • Förderung der Ablauforganisation: Arbeitspausen eignen sich, als strukturierendes Element beim Übergang zwischen wechselnden Arbeitsanforderungen.
  • Reflexionsfunktion: Pausen ermöglichen es, sich zeitweise mit der vorangegangenen und nachfolgenden Arbeit gedanklich auseinanderzusetzen.
  • Sozialwert: Pausen bieten Zeitfenster zum informellen sozialen Austausch zwischen den Beschäftigten, was eine wesentliche Arbeitsressource (soziale Unterstützung) darstellt.
  • Individualwert: Pausen bieten Zeitfenster, um individuellen Bedürfnissen nachzukommen, die nicht durch die Arbeitstätigkeit selbst befriedigt werden können (z.B. Nahrungsaufnahme, soziale Eingebundenheit).
  • Kulturwert: Eine erholungswirksame Pausengestaltung leistet einen Beitrag hin zu einer gesundheitsförderlichen und mitarbeiterorientierten Organisationskultur.

Ich denke, es ist wichtig, sein Pausenverhalten regelmäßig zu reflektieren und sich die positiven Effekte sichtbar zu machen, um so die Eigenmotivation zu unterstützen. Das betrifft zum einen die Umsetzung (Häufigkeit/Dauer und Pauseninhalte) und zum anderen die Wirkung von Pausen auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit.

froach Minipausen — Nudging für eine gesunde Pausenkultur

Verstehen und Handeln sind bekanntlich zwei Paar Schuh. Und an dieser Stelle schaue ich auch selbstkritisch auf mein ganz persönliches Pausenverhalten, das mal besser und mal schlechter funktioniert. So wie ich Pausen mag, so sehr interessieren mich meine Arbeitsthemen. Beides steht manchmal in Konkurrenz zueinander. Mein persönliches Erleben sowie meine beruflichen Erfahrungen zeigen daher, dass die eigenverantwortliche Pausengestaltung externe Unterstützung gut gebrauchen kann.

Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung setzten anfangs unsere Trainer mit der „Lohnende Pausen“ (ein wöchentliches Bewegungs- und Kurzentspannungsangebot) positive Impulse und vermittelten so geeignete Pausentechniken. Diese Teamangebote kamen in den Firmen sehr gut an, jedoch waren diese festen Termine mit zunehmenden flexiblen Arbeitsorganisationen nicht für alle realisierbar und die selbstständige Übertragung dieser erlernten Techniken gelang leider nur wenigen. So schulten wir in der nächsten Phase die bereits erwähnten Gesundheitsmultiplikatoren, die noch intensiver und wesentlich flexibler diese Techniken z.B. auch in Teammeetings einbauen können. Jedoch war dieser Ansatz noch nicht die passende Antwort, um die mehrmals täglichen selbstständigen Pausen zu fördern.

Im Jahre 2011 gründeten wir daher die Firma Froach Media Gmbh und brachten unser Gesundheitswissen mit dem IT-Know-how zusammen. So waren wir mit unserem webbasierten Pausentool froach einer der ersten Anbieter, die das Pausenverhalten individuell und direkt am Arbeitsplatz unterstützten. Neben der Qualität der Übungstechniken waren uns motivationale Strategien in Form des „Nudgings“ (sanftes Anstupsen) besonders wichtig. Tools wie eigene Zielplanung, Erinnerungsfunktion, Gamifikation, regelmäßige Newsletter und eine stetige inhaltliche Weiterentwicklung erhalten den positiven Reiz aufrecht und fördern somit nachhaltig die Eigenmotivation zum Pausen machen. Auf Grundlage wissenschaftlicher Studien entschieden wir uns bewusst für das Format der Minipausen. Diese Minipausen sind Einzelpausen im Zeitraum von einer bis fünf Minuten. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass die Verteilung der Gesamtpausenzeit in Form häufiger kurzer Pausen statt weniger langer Pausen für das physische und psychische Wohlbefinden förderlicher ist (Wendsche et a., 2016).

Wir freuen uns, dass immer mehr Unternehmen und öffentliche Institutionen anhand verschiedener Interventionen das Pausenverhalten ihrer Mitarbeitenden unterstützen. Gerade jetzt während der Corona-Pandemie sind Pausen im „Home & Office“ besonders wichtig, um unsere Gesundheit und das Immunsystem zu stärken.

Wir verbringst du am liebsten deine Pausen? Ich freue mich auf deine Erfahrungen. Gern kannst du mir diese über minipausen@froach.de mitteilen.

Ich mache mir jetzt einen leckeren Kaffee und dann meine Lieblingsübung der „Trockenschwimmer“, danach gebe ich dir wie gewohnt noch drei Tipps zum Thema „Mach mal Pause“. Bleib gesund und denk daran. Du darfst auch Pausen machen, bevor deine Aufgaben alle erledigt sind! ;-)

3 wertvolle Tipps für deine Pause

Tipp #1: Mit Mikropausen gegen den „Affengeist“

Vielleicht kennst du das Phänomen, dass du im Alltag oft von einem Thema zum nächsten springst. Ein Zen-Meister hat dafür den Begriff „Affengeist“ genutzt. Die Affen springen aufgeregt und durcheinander von einem Ast zum nächsten. Schon kleine Mikropausen (30–60 sek.) reichen aus, um Übergänge bewusster zu gestalten. Wenn Du eine Aktion beendet hast (z.B. ein Telefonat), nimm dir drei bis vier tiefe Atemzüge Zeit, bevor du mit dem Nächsten startest. Diese kurzen Ruhephasen geben die Kraft und Energie, um gezielter und fokussierter auf deinen nächsten Ast zu springen.

Tipp #2: Bewusst Pausenzeiten einplanen und erinnern lassen

Je konzentrierter du bei einer Sache bist, desto weniger gibt dir dein Körper wichtige Signale oder die Wahrnehmung dieser ist reduziert. So hat so mancher schon Trinken und Essen einfach vergessen. Daher plane dir bewusst deine Pausenzeiten. Nutze Wecker oder andere Erinnerungsfunktionen oder verabrede dich zum Pause machen mit befreundeten Kolleginnen und Kollegen. Das geht übrigens auch im Homeoffice - verabrede dich zum gemeinsamen Video-Kaffee-Call. Aber Achtung: Sprecht am besten nur wenig oder gar nicht über Arbeitsthemen.

Tipp #3: Meine Lieblingspause

Mach dir bewusst, wie du am liebsten deine Pausen verbringst. Schreibe am besten jede einzelne Beschäftigung auf ein Kärtchen oder mach dir ein Foto bei dieser Aktivität. Deine persönlichen Pausenkarten kannst du nun in eine kleine Box packen oder noch besser sichtbar an einer Fotoleine über dem Schreibtisch anbringen. Je nach Zustand und Bedürfnislage kannst du schnell deine passende Pausenidee finden und auch umsetzen.

froach ist deine innovative webbasierte Anwendung für aktive und gesunde Minipausen direkt am Arbeitsplatz, im Homeoffice oder in der Freizeit.

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Literaturhinweis:

Wendsche, J. und Lohmann-Haislah, A. (2016): Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt: Pausen. Dortmund, Berlin, Dresden: Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Download baua: Bericht “Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt”

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Thomas Reformat
froach

Dipl. Psychologe & Physiotherpeut, Gesellschafter und Mitgründer bei froach.de