Aus der Reihe: Barbara und Simon Wallner

Ausgesprochen schön sind sie nicht — dafür sind Puten neugierig und schlau. Familie Wallner ermöglicht den »hässlichen Entlein« unter dem Geflügel in ihrem Betrieb ein artgerechtes Leben.

Fürstenfelder
Fürstenfelder Magazin
4 min readOct 24, 2019

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Bio-Puten im Plausch | © Toby Binder

Breitbeinig staksen die seltsam ungelenken Riesenvögel über die Wiese, die weißen Federn bedecken gerade so den footballförmigen Körper. Der kahle Kopf wackelt beim Laufen hin und her, ein Hautlappen überdeckt einen Teil des Schnabels. Selbst die milchigen Augen wirken seltsam, aber sie verraten Neugier.

Als wir Simon Wallner und seine Frau Barbara auf ihrem biozertifizierten Putenmastbetrieb in Goppertshofen besuchen, werden wir schon von Weitem eingehend beäugt. 5000 Tiere verteilen sich über das weitläufige Gelände, sie liegen im Schatten der Bäume, picken nach Würmern oder nehmen ein ausgiebiges Sandbad. Eine der Hennen aber fühlt sich berufen, uns in Empfang zu nehmen. Aufmerksam blinzelt sie zwischen den Menschen hin und her und beäugt die Hosenbeine, um dann freundlich, aber bestimmt an einzelnen Schnürsenkeln zu ziehen.

Unsere neugierige Begleiterin | © Toby Binder

Viel Staub, viel Platz

Simon Wallner schmunzelt: »Die Puten brauchen Platz, um ihre Neugier auszuleben. Und besonders wichtig ist, dass sie ihre Staubbäder nehmen können.« Über die große Wiese verteilt sind Erdkrater zu sehen, in die sich einzelne Hennen mit Genuss hineinwerfen und, ähnlich wie Hunde oder Pferde, ihren Rücken in der Erde schubbern. »Zehn Quadratmeter Auslauf draußen hat jede Pute bei uns«, sagt Putenbäuerin Barbara Wallner.

Das ist keine Selbstverständlichkeit: In der konventionellen Putenmast teilen sich bis zu fünf Putenhennen einen Quadratmeter. Sie wachsen in großen Hallen auf, sehen in ihrem ganzen Leben keinen Grashalm und bewegen sich so gut wie gar nicht. Gedrängt zwischen Kot und Artgenossen bleibt kein Platz für natürliches Verhalten. »Es ist toll, wenn wir morgens den Stall aufmachen und die Puten aus dem Offenstall auf die Wiese lassen. Sie sind dann ganz aktiv, rennen hinaus und scheinen sich richtig zu freuen«, erzählt Putenbauer Wallner.

Die Lebensfreude wirkt sich auf die Qualität des Fleisches aus: »Wenn Tiere sich bewegen, bekommen sie Muskeln. Das Fleisch wird fester, bekommt mehr Geschmack«, erklärt Simon Wallner. Ihre Puten haben mit 24 Wochen doppelt so viel Zeit zu wachsen, wie es in der konventionellen Mast der Fall ist. Auch das macht den Geschmack intensiver. Das Bioputenfleisch ist dunkler, die Keulen geben einen wunderbaren Braten ab.

Gerhard Kohlfürst, Barbara und Simon Wallner (v. l. n. r.) und viele Puten | © Toby Binder

Direktverkauf im Hofladen

Die Wallners fertigen verschiedene Produkte aus dem Fleisch: Chili-Cabanossi, diverse Wurstsorten, Keulen, Putenbrust, Schnitzel. Im Hofladen bieten sie diese Produkte an. Barbara Wallner, selbst leidenschaftliche Köchin, steht dort hinter der Theke und gibt bereitwillig Zubereitungs-Tipps.

Truthühner, so der biologisch korrekte Name für die Vögel, sind eigentlich Exoten. Das heutige Trendgeflügel der Deutschen war einst das Mastvieh der Azteken in Mexiko. Spanische Seefahrer brachten sie im 16. Jahrhundert nach Europa.

Unsere tierische Begleiterin bleibt einen Augenblick mit uns stehen und scheint aufmerksam zuzuhören, bevor sie lieber wieder die Schnürsenkel in Angriff nimmt.

Selbstgemachte Putenwürstl | © Toby Binder

Füchse müssen draußen bleiben

Das Ehepaar Wallner stellte gemeinsam mit Simons Vater 1995 den Putenmasthof auf eine ökologische Produktion um. Den Tieren soll es gut gehen. Die faire Haltung der Lebewesen ist für die Wallners selbstverständlich. Das Futter für ihre Puten — Mais, Weizen und Erbsen — bauen sie selbst an und mahlen es in der eigenen Futtermühle. »Unser Hof ist ein geschlossener Kreislauf. So erhalten wir eine gute Bodenqualität, gewinnen Energie aus eigenen Ressourcen und ermöglichen den Tieren ein artgerechtes Aufwachsen.« Sogar den Strom für den Hof gewinnen sie aus der eigenen Biogasanlage, die sie mit dem Mist der Puten, Mais und eigenem Kleegras betreiben.

Nachts müssen die Puten dann aber doch in den Stall. »Der nächste Fuchsbau ist gleich um die Ecke, vor dem müssen wir die Vögel schützen«, sagt Barbara Wallner. Wer könnte dem Fuchs verdenken, dass er gerne so ein Tier verspeiste.

Als wir den Hof verlassen, steht unsere neugierige Henne am Hoftor und sieht uns nach. Gut, dass die Wallners auf sie aufpassen.

P.S. Wer jetzt noch mehr erfahren möchte: in diesem Video nehmen Euch die Wallners mit in ihren Betrieb.

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