Aus der Reihe: Carina Purzel

Auch ein Gebäude kann zur richtigen Zeit am richtigen Ort stehen. Wie eine Begegnung und ein gutes Bauchgefühl dem Fürstenfelder Hotel eine wichtige Begleiterin bescherten.

Fürstenfelder
Fürstenfelder Magazin
5 min readMar 6, 2023

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Carina Purzel an der Rezeption | © Toby Binder

Woher weiß man, wo man hingehört? Manchmal ist es ein Bauchgefühl im Vorbeifahren. 2010 saß Carina Purzel neben ihrem Mann, der damals noch ihr Freund war, im Auto. Sie kamen am Kloster Fürstenfeld vorbei. Sie sah aus dem Fenster, das Hotel rechter Hand, das Restaurant linker Hand, und sagte zu ihm: »Hier werde ich irgendwann arbeiten.«

Zwischen diesem Ereignis und seiner Umsetzung in die Tat verging wenig Zeit, erzählt Carina in der Lobby des Fürstenfelder Hotels. Und so ist sie seit mehreren Jahren Teil des Teams und als Rezeptionsleitung nicht mehr wegzudenken.

Carinas wache Augen leuchten auf, wenn sie vom Selbermachen erzählt. Eine Idee haben, sie aussprechen und dann: machen. Das ist ihr Ding. Gesichtscreme, Senfgurken, Kosmetik, Musik, Nützliches, Schönes. Sie ist einer dieser Menschen, die nicht lange reden. Und was im Privaten gilt, setzt auch in ihrem Job die Maßstäbe. Neulich hat sie kurzerhand den kaputten Drucker im Büro zerlegt, um seinem Problem auf die Spur zu kommen. Schnell stand fest: in diesem Fall lohnte sich das nötige Ersatzteil nicht mehr. »Sie ist einfach super effektiv«, sagt eine Kollegin anerkennend.

Vom elterlichen Gasthof in die Welt

Doch zurück zum Anfang. Wer irgendwo hinwill, kommt auch irgendwo her. In Carinas Fall war der Weg ins Hotellerie- und Gastronomiegewerbe von Anfang an geebnet. »Ich konnte gar nicht aus«, sagt sie. Das lag am ›Landhaus zum Rittmeister‹ in der Nähe von Donauwörth, das Carinas Eltern betrieben. Ein klassischer Dorfgasthof. Immer geöffnet, Stammtisch im Eck und Veranstaltungsort für fast alle Gelegenheiten — von der Taufe über die Hochzeit bis zu den Plattenpartys, von denen heute noch das ganze Dorf spricht. Carina, das Einzelkind, wuchs dort wie in einer großen Familie auf. Bei den Hausaufgaben wusste immer einer der Stammgäste zu helfen und die alten Geschichten, die sie Abend für Abend aufschnappte, waren geballte Lebensschulung. Als hätte man nicht nur zwei Paar Großeltern, sondern eben einen ganzen Stammtisch voll. Mit fünf oder sechs Jahren backte sie die ersten Kuchen, mit zwölf half sie dann bei Veranstaltungen aus. Und mit 16 zog sie aus. Nach Inzell. Dort machte sie zuerst die Ausbildung zur Köchin, um die Hotelfachausbildung direkt dranzuhängen. Nur eine Sache machen? Wäre ja langweilig! Nach fünf Jahren in ihrem Ausbildungsbetrieb wechselte sie in die Patisserie eines Vier-Sterne-Hotels am Starnberger See.

Einzelkinder, heißt es, sind häufig sozialer als Kinder mit Geschwistern, weil sie auf Kooperation angewiesen sind, um nicht alleine dazustehen. Carinas Verbindlichkeit im Zwischenmenschlichen belegt diese Theorie jedenfalls. Es flossen Tränen, als sie Inzell verließ. Längst waren der inzwischen Erwachsenen die Kolleg*innen zur Familie geworden.

Das Selbermachen ging zwar auch in Starnberg, aber Carina vermisste den Gästekontakt und das lebendige Drumherum des Hotellebens an der Rezeption. Die Tage zogen ins Starnberger Land und langsam bahnte es sich an, dass aus dem Freund, mit dem sie — siehe Anfang — eben irgendwann in diesen Tagen durch Fürstenfeldbruck fuhr, ihr Mann werden sollte. Die Fernbeziehung sollte auf anderen Füßen stehen. Die beiden wollten eine Familie gründen, sesshaft werden. Im Fürstenfelder war da gerade eine Stelle frei. Warum also nicht Fürstenfeldbruck? Carina fing zuerst als Vertretung in der Patisserie an, bevor sie 2011 ins Hotel an die Rezeption wechselte. Bald wurde sie zu Hotelchefin Uschi Kohlfürsts rechter Hand. Das Hotel war da gerade erst ein gutes Jahr eröffnet und alles noch im Wachsen begriffen. Als Macherin, mit ihren Ideen und ihrer Leidenschaft für Nachhaltigkeit passte Carina hierhin wie ein fehlendes Puzzlestück. Ein Glücksfall für beide Seiten. »Man wächst hier im Fürstenfelder mit jedem Schritt mit. Und es ist toll, wenn eine Kollegin oder ein Kollege ein paar Tage nicht da war und dann sagt: ›Was habt ihr euch denn wieder alles ausgedacht?‹«

Im Gespräch mit Uschi Kohlfürst | © Toby Binder

Wurzeln schlagen

Schon ihre Eltern machten viel selbst, bewirtschafteten einen Garten und achteten auf den schonenden Umgang mit Ressourcen. Dieses Prinzip führt Carina weiter und im Fürstenfelder stieß sie damit schnell auf Gegenliebe. Aber reicht das, um sich sicher zu sein? Wanderbewegungen im Hotelfach sind schließlich häufig. Irgendwann stellt man sich in diesem Beruf fast zwangsläufig die Frage: Wohin als nächstes? Und in Carinas Fall drängte sich eine weitere Frage auf: Was ist eigentlich mit dem elterlichen Betrieb?

Der Dorfgasthof ist inzwischen geschlossen. Obwohl Carina Purzel dankbar auf eine schöne Kindheit zurückblickt, wusste sie schon als Kind, was es bedeutet, selbstständig zu sein. Für ihre Familie hat sie sich gegen diesen Schritt entschieden. Sie, der Familienmensch, wollte das für ihr Leben nicht. Und aus dem Freund, der inzwischen ihr Mann war, und ihr sollte ja eine Familie werden.

Wer nichts in Frage stellt, bekommt keine Antworten. Und manchmal muss man ein bisschen Abstand nehmen, um diese Antworten zu finden. Sie kündigte und arbeitete zwischenzeitlich ein halbes Jahr in einem anderen Hotel. Es war ein wichtiger Schritt, um zu merken, wo sie sein will. »Ein Fleck an der Wand im Fürstenfelder«, sagt sie über ihre neue alte Wirkungsstelle, »ist inzwischen ein Fleck an meiner Wand.«

»Weil jeder Tag zählt!«

Seit die Tochter auf der Welt ist, sind sie drei Generationen, wenn beim Senfgurken-Wochenende im Garten des ehemaligen Landhauses zum Rittmeister gemeinschaftlich geerntet und eingelegt wird. Und als Rezeptionsleitung kann sie im Fürstenfelder Hotel familienfreundlich arbeiten und am Nachmittag ganz Mama sein. Für Carina ist es ungewohnt, im Mittelpunkt zu stehen und von sich zu reden. Und gerade deshalb erzählt ihre Bestimmtheit, dass zu der angeeigneten Lebenserfahrung der Stammgäste aus dem elterlichen Betrieb längst jede Menge eigene hinzugekommen ist: »Ich mache nichts, was ich nicht machen will, weil jeder Tag zählt!«

Wenn sie nachdenkt und mit Bedacht auf Fragen antwortet, scheint bei aller Zielstrebigkeit durch, was ihre größte Herausforderung ist: Sich immer wieder zu erden, um bei sich selbst anzukommen. Nicht nur für andere da sein, sondern die Reserven füllen, mit Yoga, Musik, Zeit für sich. Das Basteln und Selbermachen ist ja immer auch eine Meditation. Schließlich muss man, um zu wissen, wo man hingehört, es ja erstmal mit sich selbst aushalten. Und das wiederum ist zugleich die wichtigste Grundlage für Gastgeber*innen. Ob Carina Purzel also für immer bleiben wird? Sie wünschen es sich im Fürstenfelder, wissen tut das aber natürlich niemand. Jedenfalls ist dort, wo Carina Purzel einen begrüßt, kein Ort zum Dranvorbeifahren.

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