Aus der Reihe: Robert Reichlmayr

Robert Reichlmayr ist Gemüsebauer in sechster Generation. Der Fürstenfeldbrucker ist derart verwurzelt mit seinem Grund und Boden, dass er ihm besondere Früchte abtrotzt — mit einer Sorgfalt, die man schmeckt.

Fürstenfelder
Fürstenfelder Magazin
4 min readSep 30, 2019

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Die Feldfrüchte werden auch im hofeigenen Laden verkauft. | © Toby Binder

Wenn Koch Andreas Wagner vom Fürstenfelder Restaurant bei Robert Reichlmayr anruft, ist das ein kurzes Gespräch:

Andreas Wagner: »Was hast grad’ da?«
Robert Reichlmayr: »Die Flaschentomaten san’ reif.«

Und schon sind sich der Koch und der Gemüsebauer handelseinig.

Reichlmayr kümmert sich ums Wesentliche. Er hat einen Sinn für das Gute im Einfachen. Das ist auf seinem Hof eindrucksvoll zu besichtigen. Im August stehen die Tomaten bei den Reichlmayrs voll im Saft. In den offenen Gewächshäusern wuchern sie wie ein rot-grüner Wald. Hier werden alte und besondere Sorten gezüchtet — solche, deren Samen einst nach Geschmack ausgewählt wurden. Es ist auf diesem Hof zweitrangig, wie schnell sie wachsen, damit möglichst effizient Gewinn daraus zu erwirtschaften ist. »Wir machen keine Masse«, sagt der 54-jährige Bauer.

Rot und geschmackvoll | © Toby Binder

Ernte in Handarbeit

Die Tomatensorten Campari und Berner Rosé stehen jetzt kurz vor der Vollreife. Sie duften schon am Strauch wie ein sommerlicher Tomatensalat. Einer, dem man nichts weiter hinzufügt, als eine Prise Salz. »Geschmack ist das Wichtigste«, sagt Robert Reichlmayr. »Der ist bei unseren Tomaten so besonders, weil wir sie am Strauch ausreifen lassen.«

In der Regel werden Tomaten als ganze Rispen gepflückt — ob davon die Hälfte noch grün ist, spielt dabei keine Rolle. Die klassische Supermarkt-Tomate ist ohnehin komplett grün, wenn sie vom Strauch getrennt wird. Sie färbt dann zwar nach, reift aber nicht mehr. Und das schmeckt man. Deshalb pflückt Robert Reichlmayr jede Tomate kurz vor der perfekten Reife einzeln vom Strauch.

Sortenvielfalt, die durch Qualität überzeugt | © Toby Binder

Reifezeit und Sortenvielfalt sind das eine, das andere ist die Haltung, mit der hier von je her gearbeitet wird. Seit mehr als 20 Jahren ist der Hof Naturland-zertifiziert. Der biologische Anbau ist viel Arbeit. Morgens um halb fünf stehen sie bereits auf den Feldern, die der Fürstenfeldbrucker mit Sohn Benedikt und seiner Frau Doris größtenteils per Hand bewirtschaftet.

Kühe für den biologischen Kreislauf

Was hier passiert, folgt einem nachhaltigen System. Auf nur anderthalb Hektar Land baut Reichlmayr verschiedenste Gemüsesorten an. Auf der restlichen Fläche wachsen Kartoffeln und Getreide. Legehühner und Angus-Rinder hält er außerdem. So entsteht ein optimaler Nutzkreislauf auf kleiner Fläche. Die Tiere liefern den Mist, der zur biologischen Düngung verwendet wird und verwerten das Klee-Gras, das Reichlmayr zur Bodenoptimierung einsetzt.

Landwirtschaft wird hier mit viel Respekt vor der Natur ausgeübt. Zärtlich streichen die riesigen, quadratischen Hände des Bauern über die Blätter eines Korianderstrauchs. Dessen pralle Samen ploppen auf die Erde eines Feldes , auf dem verschiedene Kohlsorten stehen. »Da wächst dann halt bald neuer Koriander«, sagt Reichlmayr nüchtern. Ein konventioneller Landwirt würde darauf achten, dass ein Fremdgewächs keine Chance gegen das Gemüse hat. Schließlich stiehlt es dem Verkaufsprodukt Nährstoffe und Platz. Doch hier hat Unkraut fast Hippie-Freiheit und trägt zur Artenvielfalt bei. Auf einem der Gemüsefelder stehen Mangold und Kohlrabi, daneben Spitzkohl und Zucchini, ein paar letzte Möhren stecken im August auch noch in der Erde. Und drum herum wachsen frech Blumen, Spring- und Franzosenkraut — zur Freude der Insekten.

Abwechslung auf dem Acker für das beste Gemüse | © Toby Binder

Der Boden — wie ein Teil der Familie

Robert Reichlmayr hat seine Gründe, dieses sogenannte Unkraut stehen zu lassen: »Ein Boden muss lebendig bleiben. Dafür braucht er eine vielfältige Fruchtfolge. Klee beispielsweise durchwurzelt den Boden und reichert ihn wieder mit Nährstoffen an — deswegen säe ich ihn als letzte Feldfrucht.«
Nach dem Klee können wieder anspruchsvolle Getreidesorten wie Dinkel oder verschiedene Kohlarten wachsen. Die konventionelle Landwirtschaft verzichtet meist auf eine derartige Fruchtfolge und nutzt stattdessen chemische Dünger, um ausgelaugte Erde nach einer Ernte wieder mit Nährstoffen anzureichern. Doch langfristig verdichtet sich der Boden dadurch, wird bei Regen weggeschwemmt und geht letztendlich verloren.

Früher Wittelsbacher-, heute Reichlmayr-Grund | © Toby Binder

Befallen Schädlinge wie die weiße Fliege oder die rote Spinne seine Pflanzen, verwendet der 54-Jährige keine chemischen Mittel. Stattdessen spritzt er die Pflanzen mit einem Dampfstrahler kräftig ab oder setzt Nützlinge aus: Insekten, die den Schädlingen auf ganz natürliche Weise den Garaus machen.

Wer seinen Boden von seinen Vorfahren übernommen hat und an seine Kinder weitergibt, trägt eine besondere Verantwortung. »Das war alles mal Wittelsbacher Grund«, sagt Reichlmayr und weist auf sein sonnenbeschienenes Stückchen Land. »Doch seit dem Jahr 1840 stehen hier die Reichlmayrs als Bauern im Grundbuch.« Sohn Benedikt beendet gerade seine Ausbildung zum Landwirt. Er ist mit der Arbeit von Kindesbeinen an vertraut.

Glücklicherweise ist der Sohn auch digital bewandert und übernimmt diesen modernen Part der Arbeit. »Ich bin kein Büromensch«, sagt Robert Reichlmayr — und kümmert sich weiter ums Wesentliche.

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