Aus der Reihe: Wigbert Cramer

Das Eis, das wir im Fürstenfelder Restaurant servieren, kommt von Cramer’s Speiseeis. Es ist natürlich bio und echtes Konditorenhandwerk. Dahinter steckt ein Mensch mit Geschichte.

Fürstenfelder
Fürstenfelder Magazin
4 min readApr 29, 2019

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»Ich möchte ernähren, nicht sattmachen«, sagt Bäcker und Konditor Wigbert Cramer. © Toby Binder

Es ist egal, wo Wigbert Cramer sich gerade aufhält, Ideen hat er immer. Eine ziemlich gute fiel ihm im Urlaub ein. Er wanderte an einem warmen Tag im Kleinwalsertal, als er plötzlich Lust auf ein Eis hatte. An einer Almwirtschaft wehte eine rote Fahne mit weißem Herz darauf, er kaufte sich ein Eis am Stiel, freute sich darauf — und ärgerte sich gleich: »Das schmeckte wie Wagenschmiere!«

Als der gelernte Bäcker und Konditor einige Tage später zurück zu Hause in Gauting ankam, hatte er den Plan für sein neues Projekt bereits fertig im Kopf: Cramer’s Speiseeis würde es heißen und wie alles, was in seiner Bäckerei über die Theke ging, sollte es bio sein.

Der 61-Jährige bringt das Wissen für gutes Eis schon genetisch mit. Eismachen war Konditorenhandwerk, bevor das italienische Gelato Ende der 70er Jahre Deutschland eroberte. Auch heute ist es noch Teil der Ausbildung. Doch meist erinnern sich nur mehr die Älteren daran, dass man zum Eisessen einst zum Bäcker ging.

Wigbert Cramer ist mit diesem Handwerk aufgewachsen. Er ist Konditor in fünfter Generation. Sein Großvater machte 1930 das erste Eis im nordrhein-westfälischen Warstein. Daher stammt auch der falsche Apostroph im heutigen Firmennamen. Hat er aus Tradition übernommen.

Große Auswahl: ob veganes Fruchtsorbet oder klassisches Milchspeiseeis. ©Toby Binder

Wie er überhaupt einiges mitgenommen hat aus der Zeit, als er selbst noch in Kinderschuhen steckte: Gaumenschulung, den Respekt vor Lebensmitteln, die Gewissheit, dass man nur das gut herstellen kann, was man auch selbst gerne isst und ein nicht unerhebliches Gespür für die richtige Maßnahme im richtigen Moment.

Seine Mutter schickte ihren kleinen Sohn und seine Geschwister bei entsprechendem Sonnenschein zum Reklame-Essen auf den Gehsteig. Da standen sie dann und Wigbert leckte »schön langsam« an seiner Kugel Schokoladeneis, um andere Kinder anzulocken. Die zerrten ihre Mütter quengelnd und bettelnd an die Eistheke.

Wigbert Cramer hat vom Morgen noch etwas Mehl am Kragen seines schwarzen Hemdes. Er steht in seiner Bäckerei mit Eistheke in Gauting, einem gewachsenen Dorf zwischen München und Starnberg. Durch die Glasscheiben kann man ihm und seinen Mitarbeitern beim Eismachen zusehen. Diese Offenheit ist Teil des Konzepts. Immer wieder kommen Kunden herein, die er beim Vornamen begrüßt. Er nimmt sich Zeit für ein Schwätzchen.

Es hätte nahegelegen, aber nach seiner Ausbildung wollte Wigbert Cramer nicht den elterlichen Betrieb übernehmen. Er zog ins linke West-Berlin, lebte im besetzten Haus und wurde Teil der Biobewegung, die damals — Ende der 70er — noch Reformbewegung hieß und Vollwertküche machte. Irgendwann wurde auch Berlin zu klein. Er ging nach Brasilien, um wiederum einige Jahre später mit Familie nach Bayern zurückzukehren. In Gauting schlugen sie Wurzeln. Erst betrieb Wigbert Cramer mit einem Kollegen zusammen ein Zentrum für ökologisches Bauen in München. Doch dann hatte er wieder eine Idee und wurde Dorfbäcker in Gauting.

Die Eis-Zutaten waren, wie in seiner Bäckerei, von Anfang an nach den strengen Bioland-Kriterien zertifiziert. Cramer behandelt sie möglichst schonend und produziert mit wenigen Verarbeitungsschritten. An den Produktionstagen — im Sommer sind es sieben, im Winter drei bis vier — fährt er morgens zum Kuhstall, um Rohmilch zu holen. Die wird bei der Eisherstellung ohnehin pasteurisiert. »Zeit ist Geschmack«, sagt der Bäcker und Konditor. Deshalb erhitzt er seine Milch nur einmal für eine halbe Stunde bei 65° Celsius, statt für drei Sekunden bei 82°. So bleiben mehr Nährstoffe erhalten als in der industriellen Produktion. Das schmeckt man — genauso, wie die echten Eier und die Vanilleschoten, die beim Konditor ins Vanilleeis kommen. »Wenn die Spitzenköche das probieren, rufen sie: Das ist ja wie Bayrisch Creme! Die schmecken das genau raus!« erzählt er.

Kinder wissen mit ihren noch unverdorbenen Geschmacksnerven genau, was gut ist. Und manch Älterer freut sich: »Das schmeckt ja genauso wie früher beim Bäcker!« © Toby Binder

Als er Ostern 2012 mit der Produktion anfing, hatte Wigbert Cramer schon so eine Ahnung, dass es was werden könnte. Er hatte in der Bio-Nische keine Konkurrenz und bald verkaufte sich Cramer’s Speiseeis an Gastronomen in ganz Deutschland. Nach drei Jahren lief die Sache mit dem Eis dann. Heute hat er sich in der Branche etabliert und beliefert Bio-Märkte in der ganzen Republik.

Mit dem Ladenverkauf und zwei Eiswagen, von denen einer zu den Fürstenfelder Gartentagen und am Animuc-Wochenende auch vorm Fürstenfelder steht, verbreitet sich Cramer’s Speiseeis in der Region ganz von selbst.

Als Wigbert Cramer an der perfekten Abstimmung des Vanilleeises herum probierte, rief er seine Mutter an. »Das kam wie aus der Pistole geschossen«, erzählt er lachend.

Sein Alter ist dem quicklebendigen Eismacher, der ein wenig an Peter Lustig erinnert, nicht anzumerken. Aber er selbst merkt es durchaus. Und so übt er sich jetzt mit über 60 darin, etwas kürzer zu treten und bald Zeit für den ersten Enkel zu haben. Seine Tochter, ebenfalls Bäckerin und Konditorin, möchte das Geschäft später übernehmen.

Dann kann er sich auch mal wieder in Ruhe in die Sonne auf den Bürgersteig stellen, eine Kugel Mango und eine Kugel Schoko-Ingwer genießen. Das sind gerade seine Favoriten. 34 Sorten bieten ja zum Glück noch genügend Abwechslung für die nächsten Jahre.

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