Keine halben Sachen: »Zweierlei vom Kalb«

Bei diesem Gericht kommen neben Ragout und Bratwurst auch Andreas Wagners Leidenschaften zusammen: das Kochen und die Kühe. Der 30-Jährige Sous-Chef des Fürstenfelders legt Wert auf artgerechte Tierhaltung und bewussten Fleischgenuss — eine Empfehlung von unserer Abendkarte.

Fürstenfelder
Fürstenfelder Magazin
3 min readJun 19, 2019

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Der Fürstenfelder Sous-Chef Andreas Wagner beim Anrichten | © Toby Binder

Andreas Wagner ist auf dem Hof seiner Eltern in Gernlinden aufgewachsen. Dort ging es immer ums Machen. Und so ist er nicht nur Koch im Fürstenfelder, sondern bewirtschaftet heute auch den elterlichen Hof. Er hält 25 Mutterkühe mit ihren Kälbern — Pinzgauer, eine alte regionale Rasse. Als Landwirt weiß er, was artgerechte Rinderhaltung ist und gute Fleischqualität hervorbringt. Das Kalb fürs »Zweierlei« kommt vom Naturlandhof Schägger. Andi kennt den Bauern persönlich. Die Tiere kriegen dort nur Gras, keine Silage. Das ist artgerechtes Futter für Kühe, die die Nährstoffe über die Milch an ihre Kälber weitergeben. Die Fleischqualität ist höher. Dafür nimmt der Bauer in Kauf, dass die Rinder länger brauchen, bis sie das richtige Gewicht haben.

Vom Nose-to-tail-Prinzip

Meist kaufen Restaurants nur die Teile des Tieres, die sie für ihre Gerichte benötigen, zum Beispiel Filets. »Wir haben im April zum ersten Mal ein ganzes Kalb gekauft«, erzählt Andreas Wagner. »Wir wollten ausprobieren, alles von der Nase bis zum Schwanz zu verarbeiten.«

Das Nose-to-tail-Prinzip ist eine Herausforderung. Wie verwertet man Herz und Leber, wie die Knochen und den Schwanz? Gerichte wie Kutteln oder Ochsenmaulsalat finden sich heute kaum noch auf Speisekarten. Das Küchenteam muss kreativ werden, um den Gästen die in Vergessenheit geratenen Gerichte schmackhaft zu machen. Kürzlich gab es etwa Beuscherl vom Kalb: ein Ragout aus Herz, Lunge, Niere und Milz. Das traditionelle bayerische Gericht kennt Andi Wagner noch aus seiner Kindheit. »Wenn schon ein Tier sterben muss, dann sollte auch alles verwendet werden«, findet er.

Aus diesem Prinzip der ganzen Verwertung entstand auch das »Zweierlei vom Kalb«: Kalbsragout und eine hausgemachte Kalbsbratwurst, begleitet von Kohlrabipüree und Ricottaküchlein.

Dafür schneidet der Sous-Chef das Wadenfleisch in Stücke und brät es mit Wurzelgemüse, Zwiebeln, Thymian und Petersilie an. Anschließend löscht er mit Weißwein ab, gibt Gemüsebrühe hinzu und schmort das Fleisch mindestens zwei Stunden — so wird es schön zart.

Das »Zweierlei vom Kalb« | © Toby Binder

Handarbeit und viel Erfahrung

Die Bratwurst bereitet das Küchenteam in stundenlanger Handarbeit auf Vorrat zu. Dafür wird die Schulter des Kalbs zu Hackfleisch verarbeitet. Gewürzt mit Piment, Thymian, Majoran und Petersilie entsteht die Wurstfüllung. Die Wurstmaschine presst sie in einen echten Schafsaitling. Vor dem Servieren brät Andi Wagner die Wurst kräftig an, damit sie ihren vollen Geschmack entfaltet. Mit seinen 30 Jahren blickt er bereits auf 15 Jahre Kocherfahrung zurück. Jeder Handgriff sitzt, wird mit Gefühl ausgeführt.

Der frühsommerliche Kohlrabi ist die ideale Begleitung zur kräftigen Bratwurst und dem würzigen Ragout. Für das Kohlrabipüree dünstet der Sous-Chef die Gemüsestücke nur an, statt sie in Wasser zu kochen. »Sonst kippe ich den Geschmack mit dem Kochwasser in den Ausguss.« Zum Püree gibt er Butter, Muskat und ein paar Spritzer frischen Zitronensaft.

Für die Ricottaküchlein wird Ricotta mit Grieß, Eiern und Mehl vermengt. Aus der Masse sticht Andi Wagner kleine Taler aus, die er in der Pfanne brät. Wenn sie eine schön dünne Kruste haben, wird angerichtet.

Und wenn nach Feierabend die Kochschürze abgelegt und die Gummistiefel angezogen sind, fährt unser Sous-Chef mit seinem Traktor die Weiden ab, um nach seinen Kühen zu sehen.

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