Design Sprint: In einer Woche wird aus einer groben Idee ein erfahrbarer Prototyp

Möglichkeiten und Grenzen von Design Sprints

Manuel Großmann
Fuxblau
Published in
6 min readJun 14, 2018

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Was ist ein Design Sprint?

Seit einiger Zeit geistert der Begriff “Design Sprint” durch die Flure vieler Unternehmen. Doch was ist eigentlich ein Design Sprint und wozu ist er gut? Im letzten Jahr habe ich einige Teams durch dieses 5-tägige Format geführt und dabei gelernt, was man mit dem Format in 5 Tagen erreichen kann — aber auch, wo die Grenzen liegen.

Das Prinzip der Design Sprints wurde bei Google Ventures entwickelt, weshalb sie oft auch als “Google Design Sprints” bezeichnet werden. Prinzipiell ist ein Design Sprint dazu da, in kurzer Zeit (fünf Tage) aus einer vagen Idee ein greifbares Ergebnis zu produzieren. Wichtig ist hierbei, dass wirklich etwas produziert wird und ein Team nicht nur fünf Tage in einem dunklen Meetingraum verbringt. Konkret kommt das Team am Montag zusammen, um das Ziel für die Woche zu definieren. Vor allem muss die Fragestellung geklärt werden, denn die ist zwar meist in allen einzelnen Köpfen vorhanden, weicht aber in der Regel stark voneinander ab. Am Ende der Woche hat das Team einen testbaren Prototypen (z.B. eine interaktive App oder Webseite) produziert, der bereits mit echten KundInnen oder NutzerInnen getestet wurde. Das Team besteht aus MitarbeiterInnen des Unternehmens, die direkt mit der Problemstellung zu tun haben und den EntscheiderInnen. Zusätzlich gibt es mindestens eine Moderatorin oder einen Moderator, die durch den Design Sprint führen. Je nach Präferenz und Erfahrung kann der Design Sprint von einem Teammitglied oder von einer externen Moderatorin oder einem externen Moderator angeleitet werden.

Ablauf des Google Design Sprints

Jeder Design Sprint ist etwas anders und sollte auch je nach Anforderungen angepasst werden. Trotzdem gibt es einen groben Ablauf, der hier beschrieben wird.

Montag — Verstehen

Montag: Der Gesamtprozess wird visualisiert

Am Montag geht es darum die Fragestellung zu verstehen. Leider ist es im Arbeitsalltag viel zu oft der Fall, dass Teams einfach loslegen ohne sich über das (gemeinsame) Ziel im Klaren zu sein. Das soll an diesem Tag vermieden werden. Gemeinsam arbeitet das Team vor einem Whiteboard um zu klären, was das Langzeitziel oder die Vision ist. Danach wird der momentane Prozess des zu bearbeitenden Produktes oder des Services (z.B. der gesamte Buchungsprozess eines Mietautos, die virtuelle Konfiguration und anschließende Produktion einer Brille, die Beantragung eines Reisepasses etc.) aufgezeichnet. Mit Hilfe von ExpertInnen klärt das Team, welche Probleme es mit der aktuellen Lösung gibt und welche Kundenbedürfnisse tatsächlich bestehen. Am Ende entscheidet sich das Team auf welchen Teil des Gesamtprozesses es sich fokussieren möchte. Hier ist es wichtig sich einzuschränken, da man in einer Woche nicht alle Probleme auf einmal lösen kann. Die Frage ist also: Welches Problem ist am wichtigsten, womit wollen wir anfangen?

Für Sprintteilnehmer klingt der erste Tag oftmals unbefriedigend. “Wie, wir reden einen ganzen Tag nur über die Fragestellung? Können wir das nicht vorher per Email machen?” Nein, kann man nicht, jedenfalls nicht ausreichend. Der erste Tag ist sehr wichtig, weil hier oftmals erst klar wird, wie komplex die Gesamtlage wirklich ist. Es ist vor allem wichtig, dass das Team ein gemeinsames Verständnis des Problems und eine gemeinsame Zielvorstellung hat.

Dienstag — Ideen entwickeln

Dienstag: Erste Ideen werden visualisiert

Ist erstmal die Fragestellung geklärt, kann es losgehen. Am Vormittag werden während einer Inspirationsphase konkrete Beispiele bestehender Lösungen einander vorgestellt. Hier geht es nicht nur darum, Wettbewerber zu analysieren. Vielmehr geht es darum Parallelen aus anderen Industrien zu entdecken. Der Bestellprozess eines Mietautos kann durchaus vieles davon lernen, wie man bei Amazon ein Buch kauft oder bei Airbnb eine Ferienwohnung mietet. Oft sind es nämlich Details, die ein außergewöhnlich gutes Kundenerlebnis erzeugen.

Mit Hilfe einiger Kreativitätstechniken entwickeln alle Teammitglieder den Rest des Tages eine konkrete Lösungsidee für das am Vortag definierte Problem. Der oder die Moderatorin leitet das Team hierbei an um von der ersten schnellen Skizze bis hin zur ausgearbeiteten Idee zu gelangen. Am Ende des Tages gibt es pro Teammitglied eine ausgearbeitete Idee, die wie ein kleines Storyboard auf mehreren Blättern den neuen Prozess visualisiert.

Mittwoch — Storyboard erstellen

Mittwoch: Das Storyboard

Die einzelnen Ideen/Storyboards der Teammitglieder werden präsentiert, gemeinsam diskutiert und bewertet. Die besten Elemente aus den einzelnen Storyboards werden zu einem neuen ganzheitlichen Konzept zusammengeführt.

Meist reicht es nicht, die einzelnen Elemente nur anders anzuordnen. Lücken im Prozess müssen mit neuen Ideen gefüllt werden und Details werden weiter ausgearbeitet.

Am Ende des Tages steht ein neuer, im Detail klar definierter Prozess.

Donnerstag — Einen Prototypen erstellen

Donnerstag: Ein designer steht vor dem Storyboard und überarbeitet den Klickdummy

An diesem Tag wird die Idee greifbar — ja sogar erfahrbar gemacht. Alle Teammitglieder arbeiten an einem Prototypen, der die Idee so realistisch wie nur möglich zum Leben bringt. Wenn es inhaltlich zum Beispiel um eine Webseite oder eine App geht, dann wird an diesem Tag ein Klickdummy erstellt, der echt aussieht und dessen Inhalt auch realistisch ist. Das bedeutet, die verwendeten Fotos sind echte Produktfotos, die Texte sind keine Platzhalter, sondern nutzen das tatsächliche Vokabular usw. Während einige Teammitglieder also Bilder heraussuchen, schreiben andere Texte und wieder andere erstellen den interaktiven Klickdummy. Aus eigener erfahrung würde ich im Fall einer App oder Webseite immer empfehlen eine erfahrende Prototyperin oder einen erfahrenen Prototyper dabei zu haben. Das kann zum Beispiel jemand aus dem Bereich User Experience Design sein.

Am Ende des Tages hält das Team einen interaktiven Prototypen in den Händen, der sich echt anfühlt und benutzbar ist.

Freitag — Nutzerfeedback einholen

Freitag: Ein Klickdummy wird mit echten NutzerInne getestet.

Der Freitag ist sozusagen der “Tag der Wahrheit”. An diesem Tag werden (im Vorfeld rekrutierte) echte TestnutzerInnen eingeladen. Die TestnutzerInnen probieren den Prototypen aus und geben Feedback. Ziel des Tages ist es, die vom Team getroffenen Annahmen zu testen. Es ist nicht nur normal, sondern wünschenswert hier möglichst viele Schwachstellen im Prototypen zu identifizieren. Jede hier entdeckte Schwäche kann nun ausgebessert werden. Andernfalls schleichen sich solche Irrtümer bis in das marktreife Produkt und verursachen sonst später hohe Kosten bei der Behebung.

Am Ende des Tages hat das Team einen Eindruck, ob die grobe Richtung der neuen Lösung den buchstäblichen Nagel auf den Kopf trifft und welche Anpassungen noch nötig sind. Darauf aufbauend kann die Lösung umgesetzt werden.

Fazit

Ein Design Sprint erlaubt es einem Team einen Innovationsprozess zu beschleunigen und innerhalb einer Woche große Fortschritte in der Entwicklung eines neuen Produktes oder Services zu machen. Die Entwicklung des Prototypen macht Annahmen greifbar und die Idee kann mit echten NutzerInnen evaluiert werden, anstatt ein Konzept in unzähligen EntscheiderInnen-Gremien zu zerreden.

Der Design Sprint löst jedoch nicht alle Probleme. Am Ende der Woche ist ein wichtiges Element eines Prozesses klarer definiert, die Entwicklung ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Handelt es sich z.B. um eine App, müssen im Anschluss noch viele Screens designt werden, die nicht Teil des Kernproduktes sind (wie z.B. weitere Funktionen, Fehlermeldungen, das Ändern von Systemeinstellungen usw.).

Ein Design Sprint sollte also nicht als Wundermittel für die Lösung aller Probleme verstanden werden. Vielmehr ist er der “Turbo-Boost” in einem Innovationsprozess.

Lust selbst einen Design Sprint durchzuführen?

Wer Interesse hat, selbst einen Design Sprint zu nutzen, um schneller zu besseren Ergebnissen zu kommen, findet hier noch ein paar Tipps.

Im Prinzip braucht man für einen Design Sprint nicht viel. Grundsätzlich gibt es drei Grundregeln:

1. Der Terminkalender muss fünf Tage bei allen TeilnehmerInnen wirklich frei sein
2. Der Raum muss flexibel sein, damit man gut arbeiten kann. Es sollte ein großes Whiteboard vorhanden sein.
3. EntscheiderInnen müssen (zumindest zu wichtigen Entscheidungsmomenten) anwesend sein.
Solange diese drei Dinge gegeben sind, kann es losgehen!

Wer mehr über Design Sprints erfahren möchte, dem kann ich das Buch Sprint — Wie man in nur fünf Tagen neue Ideen testet und Probleme löst empfehlen.

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Falls Sie Interesse daran haben, einen Google Design Sprint professionell moderieren zu lassen, kontaktieren Sie mich gerne und wir sprechen über weitere Details. Schicken Sie gerne eine E-Mail an hello@fuxblau.de

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Manuel Großmann
Fuxblau

I am an independent service design consultant and father of two sons, based in Berlin.