Abschied

Rosa Roth
Gefangene Träume
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1 min readJan 26, 2017

Er hörte nichts mehr.
Er hörte und er sah nichts mehr;
Nicht zuletzt, weil er nichts mehr sehen wollte.
Er wollte nichts mehr sehen,
weil er es satt hatte zu sehen.
Er hatte es satt Menschen zu sehen,
Er hatte es satt Straßen zu sehen,
Und er hatte es satt nichts zu sehen.

Stumm saß er in seiner Wohnstube
Und starrte an eine kahle Wand.
Er hatte alles fein säuberlich in Kisten verpackt,
Um endlich einmal nichts mehr zu sehen,
Von all dem Überfluss an Erinnerungen.

Er saß einfach so da auf dem leer geräumten Boden
Und starrte an die kahle Wand.
Doch war es keinesfalls nichts was er dort sah.
Dort stand eine Wand vom Boden bis zur Decke,
Von rechts nach links,
Und in ihrer Mitte war alles,
Nur nicht nichts!

Wenn er die Augen zusammenkniff,
Sah er all die Dinge,
Die zuvor an dieser Wand hingen.
Sinnlose Anhäufungen.
Poster,
Die Sonnenuntergänge zeigten.
Bilder seiner Söhne,
Bilder seiner verstorbenen Frau.
Die Uhr seiner Großmutter,
Die Medaillen seines Vaters in dem mit grünen Samt ausgelegten Hängekasten.

Die Dinge hatten Spuren hinterlassen
Nicht nur an der Wand,
Sondern auch in seinem Herzen.
Er konnte nicht nichts sehen,
Um keinen Preis in dieser Welt war es ihm möglich
All diese Dinge einfach auszublenden.
Die Erinnerungen,
Die gemeinsame Zeit.
Auch wenn sein Leben sich dem Ende neigte,
blieb dies doch bis zum letzten Moment .

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