Wie das „Gewinnen“ gegen den Klimawandel tatsächlich aussieht

Spoiler: Ihr werdet es nicht mögen. Absolut nicht.

In “The Limits Of Growth”, veröffentlicht im Jahre 1972, fuhren die Autoren verschiedene wohlüberlegte Berechnungen mit Computermodellen um einen Überblick über die Zukunft der Menschheit bis zu Jahre 2100 zu erhalten. Diese Modelle waren explizit keine Vorhersagen, aber wie eine Retrospektive von 2009 beschieb:

Die Vorhersagen wurden nicht ungültig und scheinen in der Tat ins Schwarze zu treffen. Uns sind keine von Ökonomen durchgeführte Modelle bekannt, welche über eine so lange Zeitspanne so genau sind.

Dies ist sehr bedauerlich, weil diese “Nicht-Vorhersagen” in “The Limits Of Growth” äußerst schrecklich und furchteinflößend sind!

Bei fast jedem einzelnen „Lauf“ des Programms kollabrierte die Zivilisation bis spätestens 2100. Der Kollaps ist also der Standardzustand. Was erforderlich wäre, ist nichts geringer als globaler Klimakommunismus; mutige 50-jährige Pläne, die streng um- und durchgesetzt werden (d.h. mit brutaler, unbarmherziger Gewalt). Und doch ist auch diese hoffnungslose Debatte absolut sinnlos, da sie vor 50 Jahren hätte geführt werden und erledigt sein müssen. Denn wir haben absolut keine Vorstellung von dem, was zum „Gewinnen“ gegen die Klimakatastrophe überhaupt erforderlich wäre, und — selbst wenn wir es tun würden — wir ohnehin viel zu spät dran wären.

Ich behandle hier diese “Gewinner”-Szenarien nicht, weil sie möglich sind, sondern weil sie es nicht sind. Wenn wir verstehen, wie das Gewinnen tatsächlich aussieht wird uns helfen, den aktuellen Zustand zu verstehen, in dem wir uns befinden. In dem des verlierens. Selbst in unseren wildesten hypothetischen Vorstellungen (also: wenn wir die Welt regieren und alle Menschen die richtigen Dinge für die richtigen Dinge halten und tun) haben wir nicht die geringste Vorstellung von dem, was tatsächlich erforderlich ist. Weil es absolut brutal ist. Jemand oder etwas müsste die globale Macht an sich reißen, die pervers ultra Reiche töten, die Unternehmen zerquetschen und die gesamte Menschheit mit einer eisenen Faust regieren, um unsere Ambitionen wieder auf die Erde zu zerren; auf den harten, kalten ausgelaugten Boden der Natur. So schaut das „Gewinnen“ aus. Ihr wollt es nicht, glaubt mir… und selbst wenn, ätsch… ihr seid zu spät! Alles ausverkauft.

Das lesen der Grafiken
Meine Referenz für diesen Aufsatz ist das Buch “The Limits Of Growth”. Ihr solltet es einfach lesen, aber wenn wir hier nur die Grafiken betrachten, gibt es ein paar Dinge zu verstehen. Eine Faustregel lautet, dass wir nach flachen Linien suchen und nicht nach dem gewaltigen Ausschläge nach Oben und Rechts, welche die Big Tech-Bros begeistern.

Exponentielles Wachstum ist, wie Dr. Tom Murphy sagt, wie mit Hockey-Stöcken zu Tode geprügelt zu werden. Jeder astronomische Anstieg, auf den wir so stolz sind, ist effektiv irgendwo ein Meteorit, der in die Erde kracht und das Massenaussterben mit verursacht. Jede Aktion hat eine Reaktion. Was wir traditionell (d.h. wirtschaftlich) nicht messen, ist, dass ein starkes unnatürliches, wirtschaftliches Wachstum imense Kosten in der Natur verursacht.

In “The Limits Of Growth” wird versucht, das gesamte System zu betrachten. Wie bei einer Bilanz mit Guthaben und Schulden. Die Systemdynamikt versucht, alle (Haupt-)interagierenden Teile zu betrachten — das sind all die Linien in diesen Graphen. Daher finden wir für alles was steigt (Bevölkerung, industrielles Wachstum) entsprechende Linien, welche in Gegenzug sinken (Ressourcen) — oder ebenfalls steigen (Umweltverschmutzung), was auch eher schlecht ist. Wenn wir, wie in der Bilanz, die Bücher in Einklang bringen möchten, ist alles was rauf oder runter geht, schlecht. Was wir suchen, ist das Gleichgewicht, die Balance, das Eqilibrium; d.h. flache Linien. Und es gibt wirklich nur ein Modell, das die Autoren gefunden haben, die dies erreicht.

Das Gewinnszenario

A model with ending both human and capital growth doesn’t work, they had to add in (purely hypothetical) technology gains (recycling, productivity, pollution control) for it to not crash.Ein Modell, das sowohl das menschliche als auch das Kapitalwachstum beendete, funktionierte nicht. Sie mussten (rein hypothetische) Technologien (Recycling, Produktivitätsoptimierung, Umweltverschmutzungskontrolle) hinzufügen, damit es nicht kollabriert. In diesem einen Gewinnszenario werden sowohl die menschliche Bevölkerung als auch das künstliche (d.h. Unternehmen) Wachstum gestoppt und nur diese hypothetischen, magischen Einhorn-Technologien ermöglichen uns den Fortschritt und halten uns davon ab, die verbliebenden Ressourcen zu verheitzen und in unseren eigenem Müll zu ersticken. Und so überleben wir als Menschheit in vager, abstrakt erkennbarer Form, immerhin ohne den vollständigen, ungeplanten Zusammenbruch der Zivilisation. Gewinnen, richtig?

Nun, ich habe zwei Neuigkeiten für euch und sie sind beide wirklich schlechte Neuigkeiten.

01. Zu wenig

Was genau passiert eigentlich in dem Lauf des Modells, in dem wir gewinnen (also überleben)?

Eine globale Zwei-Kind-Politik wurde implementiert, ab 1975.
Ein Verbot für jeden zu wirtschaften, also “echtes” Geld zu verdient — und zwar ab 1990! Fast alle industriellen Ressourcen müssten in Lebensmittel, Gesundheit und Bildung umgeleitet werden (d.h. nicht in Luxusautos und andere schicke Konsumgüter). Und alles müsste zentral geplant und verteilt werden. Jemand müsste sich das außer Kontrolle geratene Rad dieser Zivilisation schnappen, auf die Bremsen treten und die Scheiße aus jedem prügeln, der sich auf der Rückbank beschwert.

Die Autoren des Buches schreiben ganz unverblümt: „Die grundlegendste Definition des globalen Equilibriums, des Gleichgewichts ist, dass Bevölkerung und Kapital im Wesentlichen stabil sind, wobei einzelne Kräfte dazu neigen, in einem vollständig kontrolliertem Gleichgewicht zu steigen oder zu sinken.” Aber kommt schon… wer hat die Kontrolle und wie? Die Autoren sagen es nicht offen, aber dieses Modell ist der globale Klimakommunismus, mit jemandem „autoritäres“ wie Mao oder Stalin, um alles durchzuziehen. Wir alle wissen, dass solche großen, grundlegenden Veränderungen unmöglich sein wird, ohne die Reichen zu töten, ihren ganzen Scheiß zu nehmen und jeden zum Schweigen zu bringen, der Ansatzweise auch nur Probleme verursachen könnte! Schockiert von der brutalen Realität?
Aber wir wollen ja irgendwie das größte, schmutzigste Problem in der Geschichte der gesamten Menschheit lösen, ohne uns die Hände schmutzig zu machen, gell?

Was das Modell auch nicht offen ausspricht, ist, dass wir eine erhebliche Menge der Bevölkerung töten müssten, um diesen Plan auszuführen (was die Erfolgsaussichten des Modells tatsächlich verbessern würde, da weniger Bevölkerung). Alle anderen würden nach westlichen Standards unterdrückt werden. Angesichts der Tatsache, dass Mao 1976 starb und die Welt nicht übernahm (und auch mehr Industrialisierung wollte), ist nichts davon geschehen. Selbst jetzt, jetzt wo wir wissen was alles auf dem Spiel steht, wollen wir nicht, dass es so kommt. In unseren empfindlichen Sensibilitäten betrachten wir das Ergebnis des Gewinnerszenarios als monströs und undenkbar. Wir können einfach nicht erfassen, was tatsächlich erforderlich wäre, um ein „Problem“ so groß wie das “globale Klima” zu lösen, und haben einfach nicht das Rückrad, oder gar den Magen dazu, es durch zu ziehen.

Die Menschen scheinen ein Problem lösen zu wollen, das so gigantisch wie “das Klima” ist (auch bekannt als das “Reich der Götter”) allerdings mit sehr, sehr kleinen Zugeständnissen — wie Elektroautos und Sonnenkollektoren; ansonst läuft alles weiter wie zuvor. Damit lösen wir das Problem noch nicht mal im Ansatz. Es hätte massive Menschenopfer geben müssen, oder die Götter werden sich später einfach alles nehmen. Es gibt keine dritte Option. Wie in dem Buch beschrieben:

Alle uns zur Verfügung stehenden Beweise deuten jedoch darauf hin, dass von den drei Möglichkeiten — uneingeschränktes Wachstum, eine selbst auferlegte Einschränkung des Wachstums oder eine naturgetreue Einschränkung für das Wachstum — nur die letzten beiden tatsächlich möglich sind.

Was wir wirklich ausgesetzt sind, läßt sich am besten mit dem alte Eisenbahnwagon-Problem mit einem zusätzlichen, unüberwindlichen Twist erklären:

Stellt euch sich einen Wagon vor, der die gesamte Welt überrollt (Option 1). Und ihr können sie nur retten, indem ihr jetzt einen Schalter umwerft, der mehr als ein paar Milliarden Menschen überrollt und zig Zillionen Dollar verbrennt (Option 2). Es gibt keine Option 3 — wenn ihr den Zug „grün“ und elektrisch macht, überfährt er immer noch die Welt! Beachtet, dass dieses Modell nicht nur CO₂ (wie wir heute) berücksichtigt, sondern Verschmutzung und Ressourcenverwendung im Allgemeinen, wie es in jeder Art von unnatürlichem wirtschaftlichem Wachstum eben vorkommt.

Angesichts dieser Optionen auf dem Tisch und den Spielregeln — diktiert von den Naturgesetzen der Physik — was wählen wir? Oder genauer gesagt -, welche dieser Optionen haben wir gewählt? Nun, wir haben uns entschieden uns überhaupt nicht zu Entscheiden, und statt dessen 50 Jahre lang lediglich so getan, als würden wir das Problem erkennen und ernst nehmen. Und das bringt uns in den Standardzustand des Modells — der unkontrollierter Zusammenbruch der Zivilisaton, nur in unwissender Glückseligkeit. Wie in dem Buch weiter beschrieben:

Die Akzeptanz der von der Natur aus gestellten Grenzen des Wachstums erfordert nicht mehr Aufwand, als die Dinge auf ihren Kurs zu belassen und abzuwarten und zu sehen, was passieren wird. Das wahrscheinlichste Ergebnis dieser Entscheidung, wie hier aufgezeigt, wird ein unkontrollierbarer Rückgang der Bevölkerung, des Kapitals und des Wohlstands sein.

Die Dinge unverändert auf ihren Kurs zu belassen, ist im Allgemeinen das, was wir getan haben. Wir veröffentlichen noch immer mehr und mehr Daten und tun nichts, um die Art der Produkte zu ändern, die der Kapitalismus auskotzt und absolut nichts, um den weiß glänzenden Apple-Wagon vom Kollisionskurs der Erde abzuhalten oder umzulenken. Wir hatten 27 verfickte COP-Konferenzen, in der die Teilnehmer schlussendlich nichts weiter getan haben, das die Dose mit dem Problem jedes Jahr weiter die Straße hinunter zu treten. Und jetzt sind wir hier, heute, auf diesem Fleckchen Leben im unendlich weitem und kaltem, leblosem Universum, mit dem Wagon an unsere Kehle.

Unsere aktuelle Antwort auf den Klimakollaps ist die Lehrbuchdefinition von „zu wenig“ und leider, “zu spät”.

02. Zu spät

Wenn ihr fünf Jahrzehnte nach einer Prüfung die richtige Antwort findet, zählt es doch verdammt nochmal nicht mehr, oder? Wie ihr sicherlich bemerkt habt, hat der Lauf des Modells, der nicht im Kollaps endete, die menschliche Bevölkerung ab 1975 (bevor ich geboren wurde) durch Beschränkung stabilisiert und ab 1990 das künstliche, unnatürliche wirtschaftliche Wachstum abgeschafft.
Nix davon ist passiert. Wie Carole King sang:
“it’s too late baby, it’s too late, though we really did try to make it.”

Außer, dass wir es noch nicht einmal im Ansatz versucht haben. In Deutschland gibt es noch immer keine Tempolimits.
Im Jahre 2023.

Auch wenn Lenin, Mao und Ho Chi Minh nun mit einem neu entdeckten Respekt vor Gemüse aus ihrer Einbalsamierung wieder auferstehen würden, wären wir immer noch komplett gefickt! Wie in Punkt 1 erwähnt, sind wir einfach viel zu spät dran. Wenn wir im Jahr 2000 das gleiche Programm für den Klimakommunismus durchführen würden (wieder in der Vergangenheit! Trotzdem zu spät!), funktioniert es nicht mehr. Dieser “Ätsch! Zu spät”-Lauf des Modells schaut folgendermaßen aus:

Wie ihr sehen könnt, anstatt sich zu stabilisieren wird alles was uns wichtig ist; Lebensmittel, industrielle Kapazitäten, Ressourcen, Wohlstand, usw., ständig weniger.
So schaut verlieren wirklich aus, nur auf einer etwas längere Zeitachse! Wir können Ressourcen, die bereits konsumiert wurden, keine “ver-unkonsumieren”. Genausowenig wie wir einen Pups nicht wieder in unseren Hintern stopfen können. Wie Lady Macbeth sagte: “what’s done is done, and cannot be undone.” (was getan wurde, ist getan und kann nicht rückgängig gemacht werden). Und wie die Autoren des Buchs über die verpasste Zeit von 1975 bis 2000 später schreiben:

Während der 25-jährigen Verzögerung (von 1975 bis 2000) bei der Einführung der stabilisierenden Richtlinien, entsprach der Ressourcenverbrauch etwa dem Gesamtverbrauch von 125 Jahren.

Bedenkt, dass wir jetzt noch 25 Jahre weiter sind, was angesichts des exponentiellen Wachstums fast doppelt so schlimm ist. Es ist schlicht zu spät und Versprechungen für weitere 25 Jahre in der Zukunft sind ein wirklich, wirklich schlechter Witz. Wir haben die Kapazitäten der Erde schon vor langer Zeit überschritten. Wir sind ein paar Hühner, mit abgeschnittenen Köpfen die in einem Tesla herumfahren. Es ist schlicht zu spät. Es dauert lediglich eine noch Weile, bis es anfängt, auch hier Leichen vom Himmel zu regnen.

Gewinnen ist schmerzlich

Wie ihr sehen könnt, war das „Gewinnen“ gegen den Klimawandel in den 1970er Jahren einfach nicht plausibel und heute ist es physikalisch schlicht unmöglich.

Die beiden Elemente, die die Autoren voraussagten, welche vor 50 Jahren notwendig gewesen wären: 1. „Ein realistisches, langfristiges Ziel, das die Menschheit zur einer “Gleichgewichtsgesellschaft” führen wird und 02 „Der menschliche Wille, dieses Ziel zu erreichen.” Und wir reden heute noch über Punkt #1! Im Jahre 2023!

Dies ist möglicherweise das erste Mal, dass ihr von einem „realistischen langfristigen Ziel“ gegen den Klimakollaps lest und — ganz ehlich — wie unendlich Scheiße diese “Lösung” einfach ist. Auch ich höre jetzt auch erst davon, dabei hätte es doch diskutiert werden sollen, bevor ich geboren wurde. Wenn wir über Willen und Willenkraft sprechen: Das “Wir” existiert in keinem kohärenten Sinne, um Maßnahmen zu ergreifen. Für dieses königliche “wir” ist zu spät. Wenn wir wollten, und wir wollen nicht. Wollt ihr wirklich gewinnen? Möchtet ihr diese noch weit verbreitete Zivilisation zerstören, sodass einige ungeborene Menschen in 80 Jahre unter reduzierten und miserablen Bedingungen überleben können? Wisst ihr überhaupt, was ein echtes Opfer bedeutet?
Was Aufopferung bedeutet?

Ich werde ehrlich sein — das tue ich nicht. Aber ich weiß, was es bedeutet. Buddha sagte, dass das Festhalten und die Unwissenheit zu unvorstellbarem Leid führen wird. Nehmt meine Hand, denn dort gehen wir nun gemeinsam hin. Habt ihr Angst? Das ist okay. Ich hab auch Angst. Eine unvorstellbare Angst. Aber das ist in Anbetracht der Umstände vollkommen in Ordnung. Unsere kurzfristigen Abhängigkeiten von Systemen und Bedürfnissen wird schon bald zum absoluten Tiefpunkt für unsere Nachkommen führen. Wie die Autoren des Buchs schreiben: “Ohne ein solches Ziel und eine Verpflichtung dafür werden kurzfristige Bedenken das exponentielle Wachstum erzeugen, dass das gesamte System der Erde in Richtung des ultimativen Zusammenbruchs treibt.”

Hier sind wir also, kopflose Hühner in einem Tesla, die mit Vollgas in den ultimativen Zusammenbruch des Lebens, wie wir es kennen, rasen. Es ist zu spät, um zu gewinnen. Und wir wollen eigentlich nicht gewinnen, und das führt zu der logischen Schlussfolgerung.

Verlieren.
Aber wie genau sieht verlieren aus?
Das ist genau das, was wir als nächstes besprechen werden.
Sowohl buchstäblich als auch… sprichwörtlich.

Ich werde darüber schreiben, aber ihr können auch einfach nur den Rolladen hochziehen und nach draußen schauen.

Diese Welt ist verloren. Sie wurde bereits ausverkauft. Wir sehen lediglich nur noch die Quittungen.

indi.ca
August, 2023

Übersetzung (+leichte Ergänzungen) des Essays: “What ‘Winning’ Against Climate Change Actually Looks Like” von indi.ca

Ursprünglich veröffentlicht auf medium (EN): https://t.co/qnxicwte0D

Schämt euch nicht Hilfe zu holen!
We’re only human!
(Robocop)

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