Der Umzug

Vater4Kind
18 min readFeb 21, 2014

Heute ist der 20. Februar 2014. Die letzten zehn Tage im Rückblick.

Am 10. Februar bin ich umgezogen. Um zu verstehen, wie und warum ich das gemacht habe, ein paar Fakten und Erklärungen. Ich bin ein lediger Wiener mit gemeinsamer Obsorge (in Deutschland wäre das “gemeinsame Sorge”) für meine Tochter und habe bis vor 10 Tagen mit der Kindesmutter in der gemeinsamen Wohnung gelebt. Unser Kind ist fast 10 Jahre alt und hat in letzter Zeit immer besser verstanden, was mit der Beziehung seiner Eltern nicht funktioniert. Oberflächlich betrachtet haben wir unseren Alltag ganz gut hinbekommen. Aber es wurde immer deutlicher, daß wir keine gemeinsame Basis haben und daher auch keine gemeinsame Zukunft. Dem Kind zuliebe habe ich bei Vielem lange Zeit gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Aber meine Tochter hat in letzter Zeit immer offensichtlicher die Probleme durchschaut und daher war der Nutzen dieser Zweckgemeinschaft für mein Kind nicht mehr so klar erkennbar. Und den Schaden für mein eigenes Leben konnte ich ohnehin kaum mehr rechtfertigen. Die Konsequenz war klar, das Wie mußte aber noch sorgfältig geplant werden.

In letzter Zeit hat sich die Kindesmutter vor allem um ihre Karriere gekümmert und ich vor allem um das Kind. Es gibt daher keinen vernünftigen Grund, aus der Trennung von der Mutter meines Kindes die Trennung von meinem Kind zu machen. Aber mit Vernunft hat das Österreichische Familienrecht wenig zu tun. Gerichte, Anwälte und Behörden handeln stets in eine vorgegebene Richtung: Der Vater muß vor allem zahlen, die Mutter kann frei entscheiden, wie oft der Vater das Kind weiter sehen wird. Um das zu erreichen, wird bei einer Trennung der Eltern sofort versucht, die Bindung des Kindes zur Mutter als oberste Priorität zu etablieren. So steht das in keinem Gesetz, aber so wird es gehandhabt. Diese Praxis ist im offenen Widerspruch zur angeblich von politischer Seite angestrebten Gleichstellung von Mann und Frau. Vor allem, wenn der Vater vor der Trennung in Wirklichkeit eher so gelebt hat, wie es dem traditionellen Rollenbild der Frau entsprechen würde. Deshalb tricksen die staatlichen Einrichtungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bis der Mann endlich wieder in genau der Rolle festgenagelt ist, in der ihn der Staat dann doch lieber sehen will. Das alles wußte ich schon vor der Trennung. Ich mußte daher einige unangenehme Entscheidungen treffen.

Erstens mußte ich mich fragen, ob ich meinem Kind dieses Risiko überhaupt zumuten kann. Bisher habe ich das verneinen müssen. Heuer ist mein Kind alt genug, um die Situation zu verstehen und die Beziehung zwischen Vater und Kind ist stabil genug, um einen Umbruch zu überstehen.

Zweitens mußte ich entscheiden, ob ich eine Trennung im Konsens mit der Mutter versuchen sollte. Es gab zahlreiche Gespräche, an deren Ende aber immer wieder eine Erkenntnis stehen mußte: Die Mutter wäre theoretisch zu einer Trennung im Guten bereit. Praktisch kann und will sie sich aber auf nichts festlegen und droht bei jeder Meinungsverschiedenheit mit Racheaktionen und ausufernden Konflikten. Dieses Risikio kann ich mir als Mann nicht leisten. Wenn der Konflikt im Rahmen einer Übersiedlung ausufert, laufe ich Gefahr, in die Gewaltschutzfalle zu laufen. Nicht, weil ich gewalttätig bin oder sein könnte. Sondern, weil die Polizei in Wien den Auftrag hat, Männer schon bei Verdacht auf Gewalt aus einer Wohnung und vom Kind zu entfernen. Jeder laute Streit kann durch einen einfachen Anruf bei der Polizei zum Gewaltschutzdelikt werden. Und wenn ich meinen Fernseher bei der Türe hinaustragen will und die ex-Freundin dann handgreiflich wird, wird das Risiko für mich sehr schnell sehr groß. Körperlich, falls mir der Fernseher auf die Füße fällt. Und rechtlich, falls so eine Situation dann praktischerweise als “Gewalt gegen Frauen” uminterpretiert wird. Wer einmal als “Bedroher” im System gespeichert ist, kann jeglichen Versuch auf gleichberechtigte Elternschaft vergessen. Ein “Bedroher” ist sofort Elternteil zweiter Klasse. Ich war durch diverse Beispielen gewarnt. Zwar kann man als zu Unrecht beschuldigter Mann im Allgemeinen irgendwann die Fakten einigermaßen zurecht rücken. Aber wenn der Gewaltschutztrick einmal läuft, kann man jeglichen Anspruch auf faire Behandlung im Familiengericht abschreiben. Ein gemeinsam geplanter Auszug käme also nur in Frage, wenn ich mich auf einen Konsens verlassen könnte. Nachdem das nicht der Fall ist, mußte ich konsequenterweise einer möglichen Konfontation aus dem Weg gehen. Ich habe daher den Umzug geheim für einen Montag geplant. Die Kindesmutter war im Büro und ich habe meine wichtigsten Gegenstände ungestört aus der Wohnung herausbekommen.

Drittens mußte ich mir genau überlegen, wie ich den Umzug gegenüber den Behörden kommuniziere. Sobald die Wiener Stadtverwaltung die Gelegenheit zur Parteinahme für die Mutter bekommt, besteht die Gefahr, daß man als Vater mit rechtlich oft nicht ganz gedeckten Maßnahmen hingehalten und letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Das kann man kritisieren, aber wer sich mit der “normalen” Behandlung nicht abfinden will, muß die Verhaltensweise der Behörden zuerst einmal durchschauen. Auch dafür gibt es mehr oder weniger drastische Beispiele. Leider gibt es auch kein Patentrezept gegen diese Benachteiligung. Wenn man sich zu sehr wehrt, gilt man schnell als Querulant und Problemfall, worauf der Wiener Apparat sofort mit teils willkürlichen Strafmaßnahmen reagiert. Macht man genau das, was einem behördlicherseits nahegelegt wird, hört man früher oder später, daß man “es nicht anders wollte” und endet als Alimentezahler und gelegentlicher Besuchsonkel. Die Kunst besteht darin, konsequent das zu dokumentieren, was man wirklich will und gleichzeitig der offenen Konfrontation mit der staatlichen Obrigkeit aus dem Weg zu gehen.

Ich mußte also den direkten Konflikt mit Frau und Behörden vermeiden und trotzdem etwas tun, was weder Frau noch Behörden wollen. Meine Strategie zur Erreichung dieses Ziels war, möglichst autonom zu handeln und meine Absichten umfassend zu dokumentieren, ohne die Bestätigung durch Behörden zu erstreiten. Im Einzelnen sah das dann so aus:

9:30 bis 12:00 Beladen des LKW an der alten Adresse
12:00 bis 12:30 Fahrt zur neuen Adresse
12:30 bis 13:00 Meldung der neuen Wohnadresse beim Magistratischen Bezirksamt
13:00 bis 16:00 Entladen des LKW an der neuen Adresse
16:00 bis 17:00 Rückgabe des LKW und Fahrt zur Schule des Kindes
17:00 bis 17:30 Verschnaufpause
17:30 Abholen des Kindes von der Nachmittagsaktivität in der Schule
17:45 Anruf am Mobiltelephon der Mutter
17:45 bis 18:30 Einkauf des Abendessens gemeinsam mit Kind
18:30 bis 19:30 Kochen und Abendessen mit Kind in der neuen Wohnung

Wichtig war vor allem die Unterbrechnung zu Mittag für die Meldung am Magistratischen Bezirksamt. Wenn man als Vater ohne Kind übersiedelt, dokumentiert man (wissentlich oder unwissentlich) vom ersten Tag an, daß man “Mutter und Kinder verlassen” hat. Ab dann läuft die Maschinerie bereits in Richtung “Trennung vom Kind”. Die Absicht, weiter für das Kind zu sorgen, muß also gleich am Anfang klargestellt werden. Mütter machen das auch im umgekehrten Fall ganz selbstverständlich. Allerdings reagieren die Behörden dann ganz anders als bei Vätern. Wenn eine Mutter mit Kind auszieht, wird das von den Behörden als “normal” angesehen. Macht ein Vater das gleiche, wird sofort versucht, irgendeinen Rechtsbruch zu konstruieren. Wenn man sich umgehend amtlich meldet, ist man abgesichert. Aber was macht man, wenn die Behörde die Meldung des Kindes durch den Vater verweigert? Genau das war — wenig überraschend — bei mir der Fall. Begründet wurde die Verweigerung mit dem Fehlen von diversen Dokumenten für das Kind. Die von den Beamten gelieferte Begründung ist aber in der akuten Sitation zweitrangig. Wenn ich mehr Zeit habe, teste ich manchmal die Behörden, indem ich am gleichen Tag mit der selben Anfrage öfters vorspreche. Die Ablehnung wird dann je nach Ansprechperson immer wieder unterschiedlich begründet. Ich habe am 10. Februar der Frau am Magistrat deswegen zuerst kurz erklärt, daß alle angesprochenen Dokumente bereits mehrfach vorgezeigt wurden, im Wiener System gespeichert sind und auch gemäß e-commerce-Gesetz gespeichert sein müssen. Als sie mit dem typischen “Ich brauche aber trotzdem…”-Satz geantwortet hat, habe ich einfach eine Eingangsbestätigung für die Meldung meines Kindes verlangt. Die müssen sie nämlich immer hergeben. Damit habe ich meinen Teil der Meldung dokumentiert. Daß der Magistrat eine Bestätigung der Meldung nicht ausstellen wollte, ist eine andere Frage.

Abgesehen von den objektiven rechtlichen Rahmenbedingungen wird einem Vater trotzdem bei jeder Gelegenheit erklärt, was er alles angeblich “nicht darf”. Die Kindesmutter hat mir das gleich beim ersten Telefonat erklärt. Was in ihrem Fall deswegen besonders absurd ist, weil sie gar nicht Österreicherin ist und sich bisher nie wirklich dafür interessiert hat, wer in Östereich was “darf”. Selbstverständlich kann jeder Elternteil ausziehen, wenn er das will. Selbstverständlich kann jeder Elternteil das Kind in die neue Wohnung mitnehmen. Unser Kind ist ja schulpflichtig. Ich habe es ganz normal von der Schule abgeholt und hatte auch vor, es am nächsten Tag ganz normal in die Schule zu bringen. So lange ich nicht vorhabe, das Kind dauerhaft von der Mutter fernzuhalten, sollte es damit kein Problem geben. Die Mutter wollte das aber nicht akzeptieren und drohte sofort mit der Polizei. Ich habe ihr schlicht erklärt, daß unser Kind am nächsten Tag wieder in die Schule gehen wird und daß ich ein Drama vor den Augen des Kindes vermeiden will. Daher will ich keinen Besuch in der neuen Wohnung gleich am ersten Tag. Sie solle sich erst einmal beruhigen und morgen reden wir weiter, war mein Vorschlag. So überraschend kann es für sie ja auch nicht gewesen sein, daß ich umgezogen bin, versuchte ich zu erklären. Schließlich kam gerade von der Kindesmutter regelmäßig ein “Ich halte Dich nicht mehr aus. Ich will Dich hier raus.” Sie hat dann zwar immer wieder zurückgerudert. Aber die Lage war klar. Hätte sie sein sollen. Der Zeitpunkt vielleicht nicht. Aber so habe ich eben eine Konfrontation vermieden. Für mich und für das Kind. Wirklich widerlegen konnte sie das nicht. Aber trotzdem ist sie zur Polizei gegangen.

Um 8 am Abend kam dann der Anruf von der Polizei. “Die Mutter macht sich Sorgen”, hat mir die weibliche Beamte erklärt. “Sie weiß nicht, wo ihr Kind ist.” Darauf war ich vorbereitet: “Haben Sie keinen online-Zugang zum Melderegister?” “Ja, doch.” “Dann sollten Sie meine neue Adresse dort sehen. Ich habe mich und mein Kind heute gemeldet. Meine Meldung wurde durchgeführt, für das Kind wurde die Meldung noch nicht bestätigt. Aber ich habe eine Eingangsbestätigung und es sollte klar sein, wo ich mich heute abgemeldet habe und wo ich angemeldet bin. Das Kind ist bei mir, es geht ihm gut, es geht bald ins Bett und morgen bringe ich es wieder in die Schule.” “Können Sie mir trotzdem die neue Adresse sagen? Die Mutter hat das nicht gewußt und sie macht sich Sorgen. Wieso haben Sie das gemacht? Wieso sind Sie ohne Zustimmung der Mutter umgezogen?” “Nachdem ich mich hauptsächlich um das Kind gekümmert habe, bin ich selbstverständlich gemeinsam mit dem Kind umgezogen. So, wie das eine Mutter in der gleichen Situation auch gemacht hätte.” “Warum haben Sie das der Mutter nicht gesagt?” “Ich wollte eine Konfrontation vermeiden, die leicht außer Kontrolle geraten könnte.” “Aber Sie wissen schon, daß da das Jugendamt auch ein Wörtchen mitzureden hat, oder?” “Das Jugendamt hat dann ein Wörtchen mitzureden, wenn es Gefahr für das Kind gibt, also bei Gewalt, Vernachlässigung oder Mißbrauch. Das ist hier nicht der Fall. Ansonsten wird das Jugendamt vielleicht vom Familiengericht um eine Stellungnahme angefragt. Wenn das Gericht aktiv wird. Ich gehe morgen zum Gericht und dann wird das Gericht mir sagen, was möglich ist.” “Aha. Da haben Sie sich also schon informiert.” “Ja, da habe ich mich informiert.” Das war’s vorerst mit der Polizei.

Meine Tochter und ich hatten dann einen eigentlich ganz netten Abend. Sie hat bemerkenswert gut gegessen, hat mit mir noch ein paar Möbel zusammengebaut und wir haben im Detail geplant, wie sie ihr Leben in zwei Haushalten gestalten wird. Daß sie weiterhin von beiden Eltern betreut wird, war von mir nie in Frage gestellt. Wenn es in Österreich die Möglichkeit von zwei gleichberechtigten Wohnsitzen für das Kind gäbe, hätte ich das genau so beantragt. Sowohl das Kind als auch ich wollen den gleichwertigen Kontakt des Kindes zu beiden Eltern erhalten. Darüber habe ich mit meiner Tochter auch vor der Trennung von der Mutter gesprochen. Wir hatten zahlreiche beinahe-Trennungen und mein Kind hat mich folgerichtig gefragt, was denn bei einer Trennung passieren würde. Dabei hat sie immer wieder ganz klar erklärt, daß sie bei beiden Eltern wohnen will. In der Praxis wäre das auch umsetzbar. Nur rechtlich geht es nicht. Das haben die Scheidungsanwälte mit ihrem Lobbying erfolgreich verhindert. Das Österreichische Familienrecht erzwingt eine Entscheidung für einen hauptsächlichen Wohnort des Kindes. Dieser Wohnort ist nicht etwa eine Stadt, sondern eine genaue Privatadresse. Der Elternteil mit dem hauptsächlichen Wohnort bekommt dann die Betreuer-Rolle umgehängt und der andere Elterteil die Zahler-Rolle. Zwei gleichwertige Eltern wäre mir lieber. Aber wenn es schon eine Entscheidung geben muß, dann wäre es widersinnig, wenn ich die Zahler-Rolle bekomme. Die letzten Jahre hat die Kindesmutter ihre Karriere gepflegt und meine Karriere hat eine Pause gemacht. Dafür war ich mehr beim Kind. Ich muß dafür jetzt nicht unbedingt entschädigt werden. Ich war gerne beim Kind. Aber auch wenn ich angesichts der mittlerweile doch viel selbständigeren Tochter jetzt bald wieder mehr Energie in den Beruf stecken will, wäre eine Besuchs-Papa-Regel für mich völlig unpassend. Daher das klare Signal, daß ich mit Kind ausziehe. Daher aber auch die klare Ansage, daß dieser Umzug in keiner Hinsicht eine Entfremdung von der Mutter darstellen soll. Den rechtlichen Teil habe ich meiner Tochter natürlich nicht im Detail erklärt. Aber daß sie in Zukunft im Prinzip zwei Wohnungen haben soll, war zwischen uns sofort klar.

Nachdem die Beschwerde bei der Polizei wenig bewirkt hat, begann etwas später das Telefondrama. Die Kindesmutter ruft immer wieder an, redet mit der Tochter, redet mit mir, sendet SMS, erklärt, wie schrecklich alles ist. Im Prinzip genau die Art von Dramatisierung, die ich dem Kind ersparen wollte. Nachdem sich dann auch die Schwiegereltern aus dem Ausland gemeldet hatten und die Schlafenszeit für das Kind überschritten war, habe ich dann alle Telefone abgedreht. Meine Kleine ist dann recht schnell eingeschlafen. Kurz vorher hat mir die Kindesmutter auch noch erklärt, daß sie am Dienstag mit den Lehrern reden wird, um ihnen “klarzumachen, was passiert ist”. Wenn wir in einer normalen Welt leben würden, hätte ich ihr daraufhin erklärt, daß ich bei diesen Gesprächen dabei sein will. Aber das würde wahrscheinlich wieder in einer aufgeheizten Situation mit jeder Menge unnötigen Schuldzuweisungen resultieren, bei der man als Mann nichts sinnvolles erreichen kann. Wenn ich auf falsche Behauptungen mit Gegendarstellungen reagiere, könnte das Gespräch unter Umständen sehr laut werden. Und das will ich mir, aber auch meinem Kind und den Lehrern ersparen. Am Schulhof ein Duell zwischen Elten zu veranstalten ist für das Image meiner Tochter wohl auch kaum förderlich. Also bin ich auch dieser Konfrontation aus dem Weg gegangen und habe vorbeugend sehr kurze und sachliche emails an alle Beteiligten verschickt. Damit wurde wiederum meine Intention dokumentiert und eine Gefahrenquelle vermieden. Das klingt möglicherweise alles sehr konfliktscheu, es ist aber die logische Folgerung aus zahlreichen Warnungen von Männern, die aufgrund solcher vorgründig betrachtet oberflächlichen Stilfragen als “aggressiv” abgestemptelt wurden und danach als Elternteil disqualifiziert waren. Das gleiche Verhalten wird bei Frauen als “wahrscheinlich berechtigte Empörung” gewertet und bei Männern als “aggressives Moachogehabe”. Und bei gewissen Auseinandersetzungen hat man dann nur die Wahl zwischen einer als Zustimmung gewerteten Passivität und einer als unpassend gewerteten Kontrahaltung. Daher habe ich diese Situation vermieden und die nüchtere Darstellung in Schriftform gewählt. Glücklicherweise haben heutzutage auch Lehrer eine email-Adresse, die sie täglich lesen.

Am Dienstag ist mein Kind recht gut gelaunt aufgewacht. Nach dem gemeinsamen Frühstück sind wir dann gemeinsam zur Schule gegangen. Kurz vor der Schule war es dann schlagartig aus mit der guten Laune. Die Kindesmutter hat uns schon am Platz vor dem Schulgelände erwartet und mit Tränen in den Augen mit dem Ausruf “Meine Kleine!” unsere Tochter empfangen. Nach ein paar Sekunden und einem halb herausgepressten “Ist wirklich alles in Ordnung?” und “Meine armes Kind!” war unserer Tochter klargestellt, daß es sich hier um ein Drama handeln muß und sie folgerichtig auch sehr bestürzt sein muß. Die Kindesmutter wollte mir dann ansatzlos die Schultasche entreißen, was ich völlig unreflektiert und reflexartig abgewehrt habe. Dann hat sie mir erklärt, daß ich sofort umkehren soll, weil das Kind jetzt von ihr in die Schule gebracht wird. Ich habe dazu nur ganz kurz erklärt, daß ich mein Kind wie auch sonst ganz normal zum Schultor bringen werde. Wir sind dann zu dritt am Schultor aufgetaucht und die Kindesmutter hat widerwillig akzeptiert, daß ich mich mit dem üblichen Abschiedsbussi von meiner Tochter verabschiede. Dann hat sie mir erklärt, daß sie jetzt mit den Lehrern reden wird und danach mit mir reden will, ich daher vor der Schule warten soll. Kurz habe ich auch gewartet, dann bin ich gegangen.

Einige Zeit später kam dann der nächste Anruf der Kindesmutter am Mobiltelefon: Sie wollte angeblich eine gemeinsame Lösung, ich solle doch keine Schritte mehr ohne Absprache setzen. Ich habe ihr dann erklärt, daß ich am Weg zum Gericht bin und mich dort über rechtliche Möglichkeiten und die Kooperationsbereitschaft des zuständigen Richters informieren will. “Nein, mach das nicht! Das sollten wir zusammen tun!” “Dann komm’ doch auch mit.” “Ich kann nicht, ich muß ins Büro.” “Dann gehe ich allein. Heute ist Gerichtstag, das ist nur 1 Mal pro Woche.” “Aber was wirst Du machen? Ich will keinen Krieg. Machen wir doch eine gemeinsame Lösung.” “Eine gemeinsame Lösung könnte so aussehen, daß wir gemeinsam zwei gleichberechtigte Wohnsitze vom Gericht fordern. Das wird möglicherweise abgelehnt, weil das rechtlich in Österreich nicht vorgesehen ist. Aber damit hätten wir unsere Absichten dokumentiert und wir können auch argumentieren, daß in unserem Fall andere Europäische Rechtsnormen anzuwenden sind. Das können wir gemeinsam machen. Sonst bleibt nur die Frage der gemeinsamen Obsorge, die wir ja ohnehin schon haben und beide behalten wollen und sonst muß es eben eine Entscheidung beim hauptsächlichen Aufenthaltsort des Kindes geben.” “Ok, dann versuchen wir die Doppelresidenz zu beantragen. Ich kämpfe lieber gemeinam mit Dir gegen das Gericht als vor Gericht gegen Dich. Aber bitte setze keine rechtlichen Schritte ohne mich. Ruf’ mich an, wenn Du mehr weißt.”

Beim Familiengericht war für meinen zuständigen Richter ohne Anmeldung kein Termin mehr zu bekommen. Der nächste mögliche Termin war der 25. Februar, den ich gleich genommen habe. Bei der Vorbesprechung im Sekretariat war die Reaktion auf den Wunsch nach echter Doppelresidenz gar nicht so negativ. Das habe ich dann der Kindesmutter so erklärt. Darauf hat sie mir ausführlich erklärt, daß es völlig unnötig von mir war, ohne Absprache auszuziehen, weil sie ohnehin mit einer Trennung einverstanden gewesen wäre und weil sie fest entschlossen wäre, mit mir gemeinsam eine Lösung zu finden, die für Alle lebbar ist. Wenn es gar nicht anders geht, wäre sie auch mit dem hautpsächlichen Wohnort bei mir einverstanden, wir sollten dann eben einen Vertrag zwischen uns machen, der regelt, daß wir das Kind mit gleichen Rechten und Pflichten erziehen, unabhängig von den Österreichischen rechtlichen Vorgaben. Ich solle ihr auch sagen, wenn ich mir einen Anwalt nehme, weil wir den Anwalt dann gemeinsam verwenden könnten. Ich habe dann erklärt, warum ich (noch) keinen Anwalt will: Das Familienrecht hat mit Gerechtigkeit wenig zu tun, die Gesetze sind eine Ansammlung von Gummiparagraphen und die Richter machen im Endeffekt, was sie wollen. Wenn wir beim ersten Termin mit Anwalt beim Richter auftauchen, könnte das kontraproduktiv sein, weil der Richter uns, wenn wir ganz privat auftauchen, vielleicht sogar hilft. Der Richter wäre nämlich theoretisch verpflichtet, uns zu erklären, was unsere Möglichkeiten sind und wie wir das, was wir wollen, beantragen können. Das macht der Richter aber nur, wenn er gut gelaunt ist. Und gut gelaunt sind die Richter nur, wenn sie wenig Druck haben. Also besser beim ersten Mal kein Anwalt. Ich habe ihr dann auch erklärt, daß ich aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit nicht erwartet habe, daß wir so ohne Weiteres einen Konsens finden und auch umsetzen, daher habe ich dann vorbeugend meine eigenen Schritte gesetzt. Aber noch ist kein Drama passiert, wenn man kein Drama draus macht. Wir haben eben jetzt 2 Wohnungen, das Kind wird regelmäßig bei beiden Eltern sein und wie das dann rechtlich regelt wird, ist im Moment offen. Dem hat sie dann zugestimmt, mich noch einmal beschworen, keine einseitigen rechtlichen Schritte zu setzen und so sind wir verblieben.

Daß unser Kind am Dienstag als Ausgleich bei der Mutter schlafen wird, war sofort klar. Unklar war, was danach passiert. Die Kleine wollte “Dreieinhalb Tage bei jedem Elternteil”, was mathematisch passen würde, praktisch aber — zumindestens während der Schulzeit — undurchführbar ist. Abgesehen davon hätte ja dann ein Elternteil immer das ganze Wochenende oder so ähnlich, damit wird letztlich niemand zufrieden sein. Für den Anfang haben wir dann “jeweils 2 Tage pro Elternteil und dann werden wir sehen” vereinbart.

Am Donnerstag wäre dann also wieder die Übergabe gewesen. Bis dahin gab es aber wieder zahlreiche Telefonate, die dann in der folgenden Erklärung der Kindesmutter gipfelten: “Das Kind will nicht mehr zu Dir.” Nach langem Hin und Her wurde dann daraus: “Sie bleibt diese Woche und nächste Woche bei mir und übernächste Woche ist sie wieder bei Dir.” “Und wie wirst Du das machen? Du hast doch die letzten Monate 40 Stunden pro Woche gearbeitet und 20 Stunden pro Woche an Deinem Doktorat geschrieben. Wirst Du sie jetzt täglich zur Schule bringen und sie abholen?” “Ja, natürlich. Mein Doktorat mache ich nicht mehr weiter und diese und nächste Woche habe ich mir frei genommen.” “Ah. Das geht so einfach?” “Ja, selbstverständlich. Nach Deiner Aktion muß ich mich darum kümmern, daß unser Kind keinen Schaden bekommt.” In diesem Moment war ich sehr froh, daß ich gewartet habe, bis unsere Kind solche Situationen durchschaut. Daher habe ich nichts geantwortet und mir meinen Teil gedacht. Um die lange Trennung vom Vater zu überbrücken, schlug mir die Kindesmutter ein gemeinsames Essen am Freitag Abend vor, bei dem die offenen Fragen der regelmäßigen Elternkontakte von Mutter, Vater und Kind gemeinsam geklärt werden sollten. Dem habe ich dann zugestimmt.

Der Freitag war ironischerweise Valentinstag. Meine Tochter kam im Faschingskostüm und mit einer Rose ins Lokal. Die Rose hatte sie von Schulkollegen bekommen. Die Kindesmutter kam mit versteinertem Gesicht. Ich dachte zuerst, das versteinerte Gesicht hätte mit dem Valentinstag zu tun. Daß da mehr dahintersteckt, wurde mehr erst später klar. Beim Gespräch wollte sie gleich einmal Geld von mir. Das war natürlich überhaupt nicht das vereinbarte Gesprächsthema. Vor dem Kind, das mit einer Rose in der Hand gekommen ist, um Geld zu streiten, ist eher weniger produktiv. Aber ich habe — wie schon früher so oft — gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Trotzdem war das Klima eisig und nach ein paar holprigen Überleitungen hat mir die Kindesmutter erklärt: “Das Kind bleibt bei mir, bis die Lage vor Gericht geklärt ist.” Falls es bei mir irgendwelche Restzweifel an der Notwendigkeit dieser Trennung gegeben hatte, waren diese Zweifel in dem Moment weggeblasen. Ich habe mich einfach zum Kind umgedreht und gefragt: “Was willst denn Du? Wir hatten doch an 2 Tage hier, 2 Tage dort gedacht oder an 1 Woche hier, eine Woche dort. Was wäre denn für Dich ok?” “Ich weiß nicht.” “Ok, ich verstehe, daß Du dich nicht in einem Streit zwischen Deinen Eltern in die Mitte stellen willst. Letztlich wird das auch vom Gericht entschieden, damit hast Du auch letztlich nicht die Verantwortung für das was passieren wird. Aber bis das Gericht entscheidet, wird noch eine Zeit vergehen und wir werden nicht unbedingt das machen, was Du willst, weil sich die Eltern auch ohne Gericht irgendwie einigen müssen. Aber wenn Du uns sagst, welche Varianten für Dich sinnvoll sind, dann hilft uns das weiter.” “Ich würde gerne dreieinhalb Tage bei jedem Elternteil bleiben, aber die Mama hat nächste Woche Urlaub genommen und deswegen wäre es nicht gut, wenn ich dann nicht bei ihr bin, also bleibe ich jetzt bei der Mama. Aber danach kann ich ja wieder dreieinhalb Tage zu Dir kommen.” “Und danach? Was ist in den Wochen bis zum Sommer? Willst Du wirklich immer mitten in der Woche wechseln? Es geht schon, aber ich gebe nur zu Bedenken, daß du dann Deine Schulsachen mitten in der Woche von einem zum anderen transportieren mußt.” “Ok, das stimmt auch wieder. Dann machen wir doch eine Woche beim einen, eine Woche beim anderen und wir treffen uns mitten in der Woche alle drei zum Essen, damit es nicht so lange wird.” “Das klingt gut. Was sagt die Mama dazu?” “Ja, machen wir das so.” Etwas später hat mir die Kindesmutter dann erklärt, daß sie inzwischen bei zwei unterschiedlichen Anwälten war und mich gefragt, ob ich wirklich glaube, daß die Doppelresidenz rechtlich machbar ist. Ich habe bestätigt, daß es schwierig ist, aber daß es der ehrliche Weg ist, zuerst das zu beantragen, was man auch wirklich will. Dann hat sie mich wieder gebeten, keine einseitigen rechtlichen Schritte zu machen. Zum Abschied kam dann plötzlich die Erklärung: “Das Kind wollte gar nicht mit zu Dir gehen am Montag. Sie hat sich dort nicht wohl gefühlt.” Das war dann doch zu viel für meine stoische Zurückhaltung: “Ehrlich gesagt freue ich mich, wenn ich jetzt eine Woche nichts mehr von Dir höre.” Die Verabschiedung vom Kind war herzlich, die Verabschiedung von der Mutter eher weniger, wie man sich vorstellen kann.

Die Anrufe wurden die nächsten Tage seltener, aber sie gingen weiter. Interessanterweise rief mich die Kindesmutter aber nicht an, weil meine Tochte mit mir sprechen wollte. Angeblich wollte mein Kind nicht mit mir reden. Aber ich wollte sie auch nicht drängen. Ein ständiges “Ich vermisse Dich so!” erzeugt in so einer Situation nur Schuldgefühle, das bringt dem Kind gar nichts. Ich habe ihr eine schöne Woche mit der Mutter gewünscht und ihr klargemacht, daß sie mich jederzeit anrufen kann. Außerdem hat sie ihre eigene email-Adresse und sie kann auch schon mit mir selbständig internet-chat machen. Also genug Möglichkeiten, wenn der Bedarf da ist. Das Wochenende habe ich einmal nur abgewartet. Am Montag habe ich der Kleinen dann eine email geschickt. Eigenartigerweise kam da aber erst am nächsten Tag eine Antwort und die Antwort war überhaupt nicht in ihrem Stil geschrieben. Ausserdem nahm die Antwort nicht sinnvoll auf den eigentlichen Inhalt der email Bezug, sondern hat nur mehr oder weniger willkürlich erklärt, daß sie keine emails mehr verschicken wird, sondern höchstens Textnachrichten. Es kamen aber dann auch keine Textnachrichten.

Gestern Abend kam dann eine ungewöhnlich höfliche email der Kindesmutter an mich, in der sie die Details der Übergabe an den kommenden Wochenenden vorschlägt, was ich heute früh beantwortet habe, gleich mit der Zusatzfrage, ob denn der gemeinsame Termin bei Gericht am 25. Februar aufrecht bleibt. Darauf gab es dann erst einmal keine Antwort. Dafür kam die Kopie einer email an eine Psychotherapeutin. Dem Kind ginge es “aufgrund der Ereingnisse am 10. Februar” sehr schlecht und es bräuchte eine Behandlung. Ich hoffe, die Therapeutin ist gut, dann wird sie erkennen, woher das Drama kommt. Später kam dann ein eingeschriebener Brief vom Gericht: Ich werde für den 27. Februar vorgeladen. In ein anderes Gericht.

Die Kindesmutter hatte offenbar ihrem zweiten Anwalt bereits den Auftrag gegeben, bei “ihrem” Gericht (in ihrem Bezirk) einen Antrag zu stellen. Das Datum der Eingabe war der Freitag letzte Woche. Als die Kindesmutter mich noch anflehte, keine einseitigen juristischen Schritte zu setzen, waren ihre Anträge schon unterwegs. Ich hoffe, wenn ich es in mein Tagebuch schreibe, werde ich die emotionalen Appelle der Kindesmutter nie mehr ernst nehmen. Sie wollte nur sicherstellen, daß das Wohnsitzgericht in “ihrem” Bezirk ist und daher indirekt bereits festgelegt wird, daß der Wohnsitz des Kindes juristisch bei ihr ist. Das ständige Zurücknehmen der Vereinbarungen war wohl von den Anwälten so angeraten. Oder auch nicht. Ich lebe mit diesen immer wieder gebrochenen Zusagen seit Jahren. Das war ja einer der Gründe für die Trennung. Es war auch der Hauptgrund für den komplett im Alleingang durchgezogenen Umzug. Hätte ich gedacht, daß wir das anders regeln können, hätte ich mich nicht beim Ablauf so stressen müssen. Zumindest habe ich mich einigermassen abgesichert: Ich habe dokumentiert, daß das Kind nach meiner Interpretation genausogut bei mir seinen Wohnsitz hat wie bei der Mutter.

Ein gemeinsames Vorgehen beim Umzug selber war aufgrund der diversen Vor-Erfahrungen für mich nicht mehr sinnvoll machbar, aber in der nüchternen Papierwelt der juristischen Vereinbarungen hätte ich mir ein gemeinsames Vorgehen noch vorstellen können. Das ist jetzt Geschichte. Morgen gehe auch ich zum Anwalt.

Forsetzung folgt. Nächster Teil: Die Anwaltssuche

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Vater4Kind

Tagebuch eines Vaters. Von der Mutter getrennt. Mit dem Kind vereint.