Die neue Swisscom Community

Kein alltäglicher Relaunch

Ferdinand Vogler
Glowing Blue
5 min readJan 5, 2018

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Ich erzähle hier, wie wir bei Glowing Blue das Redesign der Swisscom Community angegangen sind. Natürlich ist da nicht nur Selbstbeweihräucherung dabei. Ich erkläre, wie wir mit stapelbaren Containern designen, warum chaotische Informationen naturgegeben sind und welches Potential in kritischen Userstimmen liegt.

Einmal alles neu, bitte.

Im April 2017 haben wir von Swisscom den Auftrag für ein Redesign ihrer Community erhalten. Das ist ein Ort, an dem sich Kunden gegenseitig helfen, über Techniktrends fachsimpeln oder auch Kritik an einem Service äussern.

Mit der Swisscom Digital Experience hat Swisscom eine Designsprache aus wiederverwendbaren Elementen für ihre Services geschaffen. Peu à peu werden einzelne Produkte nun nach den Richtlinien der SDX umgerüstet, um ein einheitliches Markenerlebnis zu schaffen. Folgende Punkte wollten wir dabei besonders berücksichtigen.

  • Der Einstieg wirkte schnell erschlagend. Wie können wir den Durchschnittsbenutzer besser abholen und zum Mitmachen in der Community animieren?
  • Wie können wir die Community eigenständiger positionieren, damit sie als eigener Kosmos wahrgenommen wird?
  • Wie können wir besonders aktive Super User stärker fördern und belohnen?
  • Wie können wir die umfangreiche Themenwelt verständlicher navigierbar machen, sodass weniger Moderationsaufwand entsteht?
  • Wie können wir das Benutzererlebnis auf kleine Screens und mobile Internetverbindungen optimieren?

Designprozess

Wenn früher ein gedrucktes Plakat designt wurde, so wurde die Gestaltung vom Kunde abgesegnet und anschliessend für den Druck freigegeben. Dieser Prozess findet sich noch immer im digitalen Design — obwohl wir uns in einem fluiden Medium bewegen, das jederzeit Änderungen erlaubt.

Analoge Post-Its und beliebig arrangierbare Blöcke sind wichtig, damit der Fokus unserer Diskussionen konzeptionell bleibt.

Vom Grossen ins Kleine, vom Groben ins Feine. Statt Stunden damit zu verbringen, Buttonabstände und Farbschattierungen zu diskutieren, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Struktur von Seiten. Einzelne Bereiche einer Seite bezeichnen wir als Container, die aufeinander gestapelt werden können, aber nicht nebeneinander. So können wir inhaltliche und strukturelle Fragen aus der Vogelperspektive bestimmen.

Chaos als Naturzustand

Informationsstrukturen sind selten starr. Eine Community mit hunderten, manchmal tausenden Beiträgen pro Tag gehorcht ebenfalls den Regeln der Entropie. Mit fortlaufender Zeit wird die Menge und Ordnung von Informationen zunehmend chaotischer. Das erfordert konstante Pflege und Reevaluation.

Im Grunde geht es darum, welche Schublade welche Themen aufnehmen soll. Die Vernachlässigung dieses konstanten Aufräumens führt oftmals zur Erstellung des Themenfriedhofs namens “Sonstiges.” Dort wird pauschal alles abgelegt, was nicht in das Korsett der bisherigen Begriffe passt. Abgesehen von einem hohen Moderationsaufwand ist das natürlich nicht einladend für neue Mitglieder, von einer schlechteren Auffindbarkeit mal abgesehen.

Neue Themenstruktur.

Funktioniert das denn auch?

Wir behaupten nicht, absolute Wahrheiten zu besitzen. Solange wir in unseren Agenturbüros sitzen, können wir nur Vermutungen anstellen. Geprüft werden diese Konzepte mit echten Menschen. Mit einer neuen Themenstruktur sind wir zusammen mit Swisscom auf die Strasse gegangen und haben Menschen gefragt, in welchem Bereich sie vordefinierte Problemstellungen verorten würden. Nach ein paar Feinjustierungen hatten wir eine Struktur gefunden, die sich für die meisten Menschen logisch erschliesst.

Überprüfen der neuen Themenstruktur mit Menschen in Zürich.

…und dann war’s online.

“Ich wünsche mir die folgende Funktion in den Einstellungen: ‘Darstellung des alten Forums aktivieren.’”

Nun war es also so weit. Die Arbeit der letzten Monate ist live und nun für alle User sichtbar. Besonders interessiert hat uns das Feedback der Swisscom Superuser — das sind besonders aktive Mitglieder im Forum. Als die ersten Beiträge im Feedback-Thread hereinkamen, ergab sich ein gemischtes Stimmungsbild.

“Vielleicht übersteigt das aber die Aufnahmefähigkeit der heutigen Generation und die müssen durch kräftiges Scrollen die Durchblutung anregen, um überhaupt noch was mitzubekommen.”

Wer viel neu macht, muss auch mit Gegenwind rechnen. Bis nachts um 2 haben wir Beiträge in der Community beantwortet, wir haben zugehört.

“Sicher wird es wieder besser werden, aber beim zunehmend üblichen Schneckentempo der Swisscom-Softwareanpassungen, kann das vermutlich noch sehr sehr lange dauern.”

Wir machten es zur Priorität, die Wünsche und gefundenen Fehler der Superuser aufzunehmen und in darauffolgenden Posts direkt zu evaluieren. Seitdem wurde täglich mehrmals Updates releast und User direkt informiert, wenn ihre Änderung umgesetzt wurde. Zu einigen Anfragen mussten wir jedoch auch deutlich Nein sagen. In einer Community kommen viele Benutzer zusammen mit unterschiedlich ausgeprägter Digitalaffinität. Auf der einen Seite sollen sich neue User leicht in der Community zurechtfinden. Auf der anderen Seite gibt es die “alten Hasen”, die oftmals seit mehreren Jahren in Foren unterwegs sind und auch deren klassischen Aufbau gewohnt sind. Je nachdem, welche Ziele das Redesign berücksichtigt, muss auf gewisse Personengruppen verstärkt eingegangen werden.

Wir haben mit erfahrenen Nutzern als auch Neuzugängen getestet, aber dennoch nicht genügend Fragen gestellt. Oftmals gibt es Kommunikationsschwierigkeiten: was ist ein Thread? Was ist ein Post? Was ist ein Board und was eine Category? Das Definieren und Klären von Begrifflichkeiten ist zentral für jedes Projekt, sonst redet man aneinander vorbei und merkt es vielleicht nicht einmal.

“Also mittlerweile gefällt mir die mobile Version recht gut, da ich hauptsächlich mit dem Handy in der Community rumtümple.”

Kurzgesagt

  • Jedes Feedback ist wertvoll. Den Leuten das Gefühl geben, dass sie gehört werden. Ehrlich kommunizieren, welches Feedback sich umsetzen lässt und welches eben nicht.
  • “Less but better”, lieber weniger als zu viel. Vorsicht mit ad hoc Entscheidungen.
  • Basierend auf den Projektzielen besonders aktive User mehr einbinden.
  • Begriffe klären, verstehen wir beispielsweise alle das gleiche unter einem Thread?
  • Veränderungen sind immer ungemütlich. Ist etwas wirklich schlecht oder einfach anders?
  • Nach dem Redesign ist vor dem Redesign. Eine Community erfordert konstante Pflege und kann nicht einfach alle zwei Jahre den neuen CD-Guidelines angepasst werden, um dann nicht mehr angefasst zu werden.

Vorhang auf!

Hier geht’s zur Swisscom Community

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Die Community-Experten aus Bern für die Welt. Von der Strategie bis zur Umsetzung gestalten wir als Full-Service-Agentur engagierte und bereichernde Gemeinschaften rund um Ihre Marke. Was können wir für Sie tun?

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