Ökobilanzierung in der Landwirtschaft

Joella Korczak
Holy Tisch
Published in
3 min readApr 28, 2021

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Malte Rubach will mit seiner Arbeit als Ernährungswissenschaftler und Buchautor eine differenzierte Darstellung von Ökobilanzen erstellen. Ihm geht es weniger um die Polarisierung zum Thema Klima und Ernährung, sondern mehr um die klimatischen Gegebenheiten von einzelnen Ländern. Er ist gegen eine generalisierte Aufzählungen von Auswirkungen einzelner Lebensmittelprodukten, und für eine vielschichtige Betrachtung von Faktoren.

Zum Beispiel hält er die Kennzeichnung der Auswirkungen von Lebensmitteln pro Kilo auf die Umwelt nicht für sinnvoll: Es komme vielmehr darauf an wieviel Konsumenten davon essen. Dabei verweist er auf die nationale Verzehrstudie, die das Ernährungsverhalten in Deutschland untersucht.

Auch bei der Bilanzierung für Lebensmittel gilt es für Malte zwei Faktoren betrachten: Gesundheit und Ökologie. Diese Faktoren sind eine Herausforderung, die es in einem wirtschaftlich ökologischen System auf gesamtgesellschaftlicher und persönlicher Ebene neu zu balancieren gilt.

Christian Hiß ist Vorstand der Regionalwert AG und erzählte uns über ihr vierjähriges Forschungsprojekt und die Publikation “Richtig rechnen in der Landwirtschaft”. Er ist auf einem der ersten Biohöfen in Deutschland aufgewachsen und war 30 Jahre lang ökologischer Gemüsegärtner. Vor etwa 20 Jahren merkte er, dass die Erfolgsmessung, die in der Landwirtschaft angewendet wird, als konkrete Bilanzierung nicht stimmen kann. Daher kommt seine Motivation zum innovativen Ansatz landwirtschaftliche Betriebe anders zu bewerten und bilanzieren.

Wie funktioniert diese Methode und was genau wird anders berechnet? In unserer Session hat Christian uns die Forschungsergebnisse präsentiert und ihren Ansatz erklärt.

Deutlich wurde in ihrer Forschungsarbeit, dass Konsumenten und Landwirte sich eigentlich nach denselben Werten und Konzepten sehnen. Dazu gehören Themen wie Biodiversität durch vielfältigen Anbau, faire Tarife und artgerechte Tierhaltung.

Eines der Probleme bei der Umsetzung dieses Wandels liegt laut der Studie in der aktuellen betriebswirtschaftlichen Erfolgsrechnung. Diese bietet wenig Anreiz für Betriebe nachhaltigen Konzepten zu integrieren.

Die Thesen ihres Forschungsprojekt konzentrieren sich mitunter darauf wie “ideelle” Werte in der Bilanz als nachhaltige, wirtschaftliche und gesellschaftliche Vermögenswerte aufgelistet werden. Das soll den Betrieben eine Chance auf eine ganzheitliche Bilanz geben, die alle Faktoren ihres Betriebes beinhaltet.

In ihrer Methode werden soziale, ökologische und regionalwirtschaftliche Leistungen erfasst, interpretiert und mit in die klassische Buchhaltung eingerechnet und monetarisiert. Insgesamt umfasst ihr Spektrum 170 Leistungsfaktoren, mit Themen die sich z.B. auf regionale Wirtschaftskreisläufe, Tierwohl, Bodenfruchtbarkeit, Fachwissen beziehen.

Grundlage für Ihre Berechnungen sind nicht die entstandenen Kosten, wie im True Cost Accounting, sondern die erbrachten Leistungen und der damit vermiedene Schaden.

Für Christian ist es wichtig Brücken zwischen den verschiedenen AkteurInnen zu bauen und den Dialog inklusiv zu gestalten. In ihrer Arbeit unterscheiden die Regional AG nicht direkt zwischen einem Bio oder konventionellen Betrieb, es wird zwischen den jeweiligen Leistungen unterschieden.

Wie können diese neuen Leistungswerte in der Bilanzierung an KonsumentInnen kommuniziert werden?

KonsumentInnen kommen ins Spiel, wenn in Betrieben Kosten externalisiert und damit Schaden und Risiken für die Allgemeinheit produzieren werden. Genauer gesagt, werden die Kosten auf die Gesellschaft und Umwelt umgelegt.
Die Arbeit der Regionalwert AG konzentriert sich in erster Linie auf Betriebe, um somit diese negativen Faktoren zu vermeiden. Christian betont, dass dies ein Idealbild sei. Um diese Prozesse zu vereinfachen wurde das Tool Quarta Vista als Navigationssystem für die Betriebe entwickelt. Damit wird Unternehmen geholfen Unternehmenssteuerung, -planung und -bilanzierung zu verknüpfen.

Alleine durch das Verändern von Konsumverhalten der KonsumentInnen wird es schwierig werden etwas zu bewegen. Der Blick in die Zukunft ist für Malte mit einem Bottom-up Ansatz für andere Produktionsweisen verbunden, so wie z.B mit Christians Projekt. Richtig Bilanzieren in der Landwirtschaft.

Wir danken für eine spannende Interview Session. Für noch mehr Inspiration und Details über neue Wege gibt es hier das ganze Video:

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