Die Zukunft der Gemeinschaftsverpflegung

Joella Korczak
Holy Tisch
Published in
4 min readMar 12, 2021

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Wir blicken zurück auf eine spannende Diskussionsrunde, im Rahem unserer digitalen Future Food Convention, über die Zukunft von Gemeinschaftsverpflegung. Miteinander ausgetauscht, haben sich Olga Graf Mitgründerin der Food Kompanions, Christian Eibl und Raimund Klug von Transgourmet.

Mit ihrer Arbeit wollen sie Wandel in der Gemeinschaftsverpflegung anstoßen und dabei konzentrieren Sie sich auf nachhaltige Konzepte.

Welche Zukunftsszenarien kann es geben und was sind die Herausforderungen?

Die Food Kompanions haben seit ihrer Gründung in 2018 ihren Schwerpunkt auf qualitative Forschung gelegt. Dabei entwickeln sie Zukunftsszenarien und Innovationsprojekte mit PartnerInnen im öffentlichen Sektor, der Privatwirtschaft und für Stiftungen. In ihrem Projekt der Kantine der Zukunft Berlin fokussieren sie sich auf die Zukunft/Wandel in der Gemeinschaftsverpflegung. Hier wird an Konzepten gearbeitet, um alle Kantinen im öffentlichen Sektor auf 60% bio umzustellen, der Fokus liegt auf biologische, saisonale und idealerweise regionale Produkte.

Für Christian kann nur ein ganzheitlicher Wandel zu wirklicher Veränderung führen. Er arbeitet schon seit 10 Jahren im Außendienst Süddeutschland für Transgourmet und entwickelt im Austausch mit Kunden umsetzbare nachhaltige Zukunftskonzepte. Dabei konzentriert er sich sich auf Prozesse und Produkte, die sich am Prinzip der Kreislaufwirtschaft orientieren. Vor Allem jetzt in Zeiten der Pandemie verändert sich das Bild der Kantine. Dadurch das viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, sind die Kantinen nicht ausgelastet und können somit auch nicht wirtschaftlich sein. Christian erzählt uns, dass viele Münchner Kantinen sich zusammenschließen wollen und z.B. auch über das Konzept der Ghost Kitchens nachdenken.

Raimund entwickelt Konzepte und berät Kunden bei Transgourmet für Prozessoptimierung und Change Management. Wie kann sich die Versorgung in Gemeinschaftsküchen wirtschaftlicher darstellen? Was fuer neue Möglichkeiten gibt es? Raimund spricht die Schwierigkeit an dass es in Deutschland einen Sanierungsstau in öffentlichen Institutionen gibt, und deswegen sind einige Kuechen mit der Ausstattung noch von vor 40 Jahren installiert. Das bildet Hürden für energie effizientes arbeiten oder andere nachhaltige Arbeitsabläufe schwierig.

Zudem bindet Transgourmet Lebensmittel-Bildung für Schulkinder mit in ihr Businessmodell mit ein. Raimund betont dass viele Kinder nicht mehr wissen woher ihre Lebensmittel kommen, wie sie angebaut oder hergestellt werden. Durch Besuche bei Bauern können diese Probleme adressiert werden. Der Bedarf an diesen Modellen ist groß, scheitert aber oft an Finanzierungsproblemen.

Kantinen und Gemeinschaftsverpflegung sind im Wandel — ob Corona bedingt oder nicht, neue Strukturen an Unis und Hochschulen fordern neue Konzepte der Verpflegung in den Institutionen. Zu überlegen sind: Was sind hier die kritischen Faktoren? Was sind die Lösungen?

Eine Forschungsstudie der Food Kompanions hat sich mit dem Szenario befasst wie sich Gemeinschaftsverpflegung an Universitäten verändert, wenn im Prozess der Digitalisierung des Bildungssektor es die Universität nicht mehr als physischen Ort gibt. Wenn man von überall studieren und seine Kurse besuchen kann, braucht es dann noch eine Mensa?

Wie kann man die bestehende Infrastruktur der Stadt einbeziehen, um StudentInnen zu verpflegen?

In der Studie haben sie alternative Konzepte der Gemeinschaftsverpflegung für StudentInnen untersucht, wie z.B. Delivery Konzepte und Ghost Kitchens, genauso wie die Vergünstigungen für StudentInnen in bestimmten Restaurants oder Cafes einzusetzen. Deutlich wurde aber bei der Befragung der StudentInnen, das alleine zum Netzwerken und Zusammensein der analoge Ort sehr wichtig ist und hier ein hoher Bedarf ist.

Aus Olga’s Sicht braucht es mehr Symbiose und Zusammenarbeit zwischen Institution Universität und Mensa. Mensen können als Erfahrungsraum in Universitäten genutzt werden, auch um Wertschätzung und den Stellenwert von Ernährung und Lebensmittel wiederherzustellen.

Einen weiteren Diskussionspunkt stellte die gesunde Ernährung für “alle” dar. Gesunde Ernährung für alle bedeutet erschwingliche und gesunde Nahrungsmittel. Gutes essen muss nicht immer teuer sein betont Christian. Er schlägt vor dass es in Kantinen auch Subventionierung für Mitarbeiter geben könnte die über ein geringeres Einkommen verfügen.

Olga zeigt auf was für Methoden angewendet werden können um die Wirtschaftlichkeit in Gemeinschaftsverpflegungen zu optimieren. Das könnten z.B. Konzepte sein die sich auf saisonale Produkte konzentrieren, oder die ganzheitliche Verarbeitung von Produkten à la “Nose-to-Tail” Prinzip oder “Leaf-to-Root”.

Nose-to-Tail bezieht sich auf die komplette Verwertung eines Tieres von der Nasenspitze bis zum Schwanz. Das gleiche drück Leaf-to-Root (Blatt-bis-Wurzel) bei Pflanzen aus. Ein Beispiel ist das Einbinden von Möhrengrün bei einer Karotte. Dafür braucht man gut ausgebildete Fachkräfte die qualitative hochwertige Produkte/Gerichte herstellen können.

Das geht mit einem Imagewandel von Kantinen einher. Best practice Beispiel ist hier Kopenhagen, dort hat die Umstellung bereits vor 10 Jahren begonnen.. Gemeinschaftsverpflegung hat hier einen hohen Standard und wird deswegen auch anders aufgefasst und angenommen. Von den Konsumenten bis hin zu den Arbeitnehmern.

Dann können auch Kantinen, wie Raimund betont, ein Ort sein an dem Mitarbeitermotivation und -bindung stattfindet. Es ist mehr als eine reine Versorgungsstation.

Gemeinschaftsverpflegung stellt für Olga die Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft dar und kann dadurch eine breite Masse erreichen. Ganz besonders für Themen der Ernährungswende.

Wir schauen gespannt in die Zukunft der Gemeinschaftsverpflegung und freuen uns auf einen nachhaltigen Wandel.

Um noch mehr über Ihre Arbeit und Visionen zu hören gibt es hier das ganze Interview:

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