Food als Spiegel unserer Gesellschaft

Joella Korczak
Holy Tisch
Published in
4 min readMar 25, 2021

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Essen als Statussymbol und Lebensmittelwahl als politischer Ausdruck

Wir hatten ein spannendes Experten Trio an unserer Future Food Convention 2020, mit Lea Leimann, Eva-Maria Endres und Dr. Benedikt Jahnke. Ausgetauscht wurde sich über Lebensmittel als Instrument zur Identifikation, Abgrenzung und Sozialisierung von Gruppen, genauso wie zur Selbstdarstellung.

Wie stark beeinflusst Essen unsere Verhaltensweisen/und unser Handeln?

Lea Leimann ist im Vorstand von Slow Food Deutschland, Konditorin, Ökotrophologin und Projektassistentin an dem Think & Do Tank CSCP. Letztes Jahr hat Sie ihren Master in Sustainable Food & Natural Resources an dem “Center for Alternative Technologies” in Wales abgeschlossen und Ihre Masterarbeit zu Verhaltensveränderungen im Zusammenhang mit systematischen Wandel, am Beispiel des deutschen Milchsystems, geschrieben.

Wo sind eigentlich die Grenzen für Verhaltensveränderung?

Als Zeichen gegen die voranschreitende Industrialisierung der Lebensmittel Systems hat Carlo Petrini vor 30 Jahren im Piemont die internationale Bewegung Slow Food gegründet. Slow Food ist eine internationale Bewegung und wurde vor 30 Jahren im Piemont von Carlo Petrini gegründet, als Zeichen gegen die voranschreitende Industrialisierung des Lebensmittel-Systems. Mit politischen Aktivismus und dem Slogan “gut, sauber und fair”, engagieren Sie sich für eine nachhaltige Veränderung im Lebensmittelsystem.

Lea betont, dass es auch um biokulturelle Netzwerke geht — essen verbindet und kreiert Zugehörigkeit.

Dr. Benedikt Jahnke, hat ökologische Agrarwissenschaften studiert, und zum Thema Containern in Deutschland seine Promotion in Soziologie in der Schweiz geschrieben. Er arbeitet im Bereich von Agrar- und Lebensmittelmarketing mit Fokus auf den Ökomarkt und dem Verbraucherverhalten gegenüber Bioprodukten. Aktuell forscht er zum Thema “suboptimal food” im Ökohandel. Wie kann man Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Milchprodukte, die optisch nicht perfekt sind, oder abgelaufen sind im Handel platzieren und vermarkten? Wieviel ist der Konsument bereit für “suboptimal food” zu bezahlen?

Eva-Maria Endres, ist auch Ökotrophologin und einen Master in Public Health and Nutrition. Sie ist spezialisiert auf Ernährungskommunikation mit Fokus auf soziale und kulturelle Verbindungen. Aktuell promoviert und forscht Sie wie soziale Medien und digitale Technologien unser Kommunikationsverhalten, insbesondere am Beispiel Essen, ändern. Soziale Plattformen bieten Identifikationsangebote, die Zugehörigkeit oder Abgrenzung von Gruppen schaffen können.

Aus Dr. Benedikt Jahnkes Forschung über Containern in Deutschland kreierten sich drei Kernergebnisse. Der Grund warum Menschen Containern gehen ist ein Mix aus Egoismus (es macht mir Spass) und Altruismus (ich mache es aus Überzeugung).Containern beeinflusst die eigene Identität und das Selbstbild und ist eine soziale konsumkritische Bewegung.

Containern an sich kann Lebensmittelverschwendung nicht stark verringern. Aber es macht auf den Themenbereich und die Problematik aufmerksam und hat einen Katalysatoreffekt darauf.

Lebensmittel retten ist populärer und hipper geworden und hat sich sogar als Geschäftsmodell entwickelt. Damit ist aber noch nicht alles getan, wir brauchen immernoch einen starken Bewusstseinswandel in Bezug zu Lebensmitteln. Seit 2019 gibt es eine nationale politische Strategie der Bundesregierung. Bis jetzt ist das aber mehr Theorie als umgesetzte Praxis. Was wir essen ist eine politische Frage: Was und wo kaufen wir ein, wann essen wir es noch und wann werfen wir die Lebensmittel weg?

Gibt es eine bestehende Diskrepanz von der eigenen Darstellung und unserem realen Handeln in Bezug auf Essen? Lea Leimann beschreibt, dass viele Menschen eine Intention haben sich besser zu ernähren und ebenfalls ein Bewusstsein für die Herkunft und Produktion von Lebensmitteln, aber äußeren Faktoren ausgeliefert sind. Faktoren wie z.B. Zeit, finanzielle Mittel und sozialer Kontext spielen hier eine Rolle. Somit ist der individuelle Handlungsspielraum, um diese Intentionen auszuführen begrenzt. Um bessere und bewusste Ernährungsentscheidungen zu erleichtern, müsste sich das Angebot und die Optionen an die äußeren Faktoren anpassen. Es gibt aber bereits einen positive Wandel, beschreibt Lea Leimann, in den letzten fünf Jahren hat sich der Diskurs geöffnet.

Eva-Maria Endres sieht neben den positiven Effekten von Sozialen Medien, wie z.B. hohe Vernetzungsmöglichkeiten und Austausch, auch die Gefahren von Filterblasen und Polarisierung. Algorithmen bestimmen auf welche Informationen wir einfachen Zugriff haben und diese Informationen bestätigen meist unsere vorherige Meinungen. In diesem Prozess geht immer mehr der Diskurs verloren zwischen Menschen, die eine unterschiedliche Meinung haben und somit auch die Chance auf gemeinsame Veränderung.

Wichtig um Veränderung zu schaffen ist es, dass wir Brücken bauen, Kompromisse herstellen, Diskurse öffnen, Menschen zusammenbringen und eine Verständigungskultur erschaffen, verschiedene Lebensweisen akzeptieren Für Eva Maria bildet unsere Gesellschaft ein Spannungsfeld zwischen hohem Drang nach Individualisierung (wer bin ich und wer möchte ich sein) und dem Wunsch nach Zugehörigkeit einer Gruppe.

Das kann aber auch die Chance sein, meint Benedikt, wenn ich meiner Identität bewusst bin und “weiss wer ich bin” können Menschen leichter mit anderen Menschen eine Gemeinschaft bilden und somit Wandel bewirken. Das hat er am Beispiel des Containerns gut beobachten können.

Alle drei sind sich einig, der gesamtgesellschaftliche Fokus sollte das Zelebrieren von Vielfalt sein und nicht das Streben nach einer Norm.

Wir bedanken uns für diese inspirierende Session und wünschen allen dreien viel Erfolg bei ihren Forschungen.

Um das ganze Interview anzusehen und noch mehr Insights zu bekommen, geht es hier zum Video:

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