Über die Schönheit und ihre Laster

Rosa Roth
How Life plays…
5 min readJul 18, 2019

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Auf der Reise nach Frankreich erklärte mir Alexander, dass schöne Menschen in unserer Branche (Kunst & Co) weitaus erfolgloser sind als die weniger schönen. Es wäre sogar statistisch bewiesen, dass, man will nicht sagen, “hässliche” Menschen weitaus häufiger gebucht werden und somit erfolgreicher sind als die schönen. Erschwerend käme dann noch das weibliche Geschlecht, was den Graben zwischen den Geschlechtern wieder einmal in herrlicher Weise weit aufreißt. Schaue man sich die Künstler und Kunstschaffenden doch mal an. Richtige schöne Menschen sind da selten.

Es ist beinah so als gönne einem die Gesellschaft nicht noch mehr als das Äußere. Oberflächliche Schönheit und obendrein noch Erfolg, das wäre viel zu viel des Guten und ja auch irgendwie unfair den weniger attraktiven Menschen gegenüber. So wird man also von der Gesellschaft als gut aussehende Blondine schon von vornherein in absolut oberflächlicher Weise als dumm erklärt, um dem Schönheitsattribut nicht auch noch ein Erfolgsattribut anzuhängen zu müssen und um somit seinem eigenen und weniger schönem Ego schmeicheln zu können.

Wäre beispielsweise unsere Angela Merkel ein vollbusiger Pamela-Andersen-Verschnitt, würde ihr die Bevölkerung mit höchster Wahrscheinlichkeit keinerlei Intelligenz zuschreiben und sie sobald wie möglich wieder abwählen. Stellt man jedoch eine schlecht gekleidete und streng frisierte Madame an die Spitze eines Staates vertraut jeder darauf, dass sie höchst intelligent ist und das schon ordentlich machen wird. Der Pamela-Andersen-Verschnitt hingegen hätte es gar nicht erst so weit geschafft und wäre wahrscheinlich schon von ihrem Doktorvater sexuell belästigt wurden, was wiederum dazu geführt hätte, daß sie wahrscheinlich mit einem geschundenen Selbstbewusstsein am Ende doch auf dem Straßenstrich gelandet wäre.

So empfindet auch eine Gesellschaft für die amerikanische Präsidentenbraut plötzlich ziemlich viel Mitleid. Natürlich möchte keiner mit so einem Idioten zusammen sein, aber wäre Ivanka Trump nur halb so schön, hätten wir wahrscheinlich auch nur halb so viel Mitleid mit ihr und würden auch nicht vermuten, dass sie von Trump genauso in den Arsch getreten wird, wie die gesamte amerikanische Bevölkerung. Und generell ist es doch so, dass Schönes sich nur aus finanziellen Gründen zu Hässlichem zu gesellen scheint. Es ist also verflixt das mit dem Schönen und dem Hässlichen. Wie man es auch dreht und wendet, es schaut einfach nicht besser aus.

Ich hatte einmal eine Mitbewohnerin, super hübsch und sehr gepflegt. Sie folgte dem aktuellen Schönheitsideal. Haarverlängerung, Fake Lashes, Lippenbooster und gemachte Nägel. Ein super nettes Mädel, richtig lieb und gewiss nicht dumm, aber im Job hatte sie häufig Probleme. Hatte sie einen gefunden, wurde sie schnell ins Lager abgestellt oder in ihrer Funktion degradiert. Man traute ihr einfach nicht zu, dass sie den Job für den sie angestellt wurde auch erledigen konnte. Fragwürdig ist dann nur, warum sie überhaupt eingestellt wurde. Wahrscheinlich war ihr Bewerbungsfoto ausschlaggebend.

Während meiner Agenturzeit in Mailand habe ich mich mal gewundert, warum in unserer Agentur eigentlich nur Frauen arbeiten. Grundsätzlich ist das ja was tolles, aber wie sich bald herausstellte, gab es dafür genau zwei Gründe. Erstens sind Frauen billiger. Das spart Kosten und man muss noch nicht mal die Unterbezahlung rechtfertigen, wenn alle gleich unterbezahlt werden. Zweitens könnte man im Zuge dessen keine Männer in einer Agentur einstellen, in der hübsche Frauen arbeiten, denn diese könnten sich dann nicht so gut konzentrieren und Frauen wären in diesem Sinne einfach effizienter, was das Arbeitspensum anbelangt.

Die Gesellschaft denkt, wer Körper hat, kann auch nur Körper geben. Frauen werden also immer noch nicht für ihre Fähigkeiten bezahlt. So passiert es des Häufigeren, dass man auch im Business lediglich als attraktives Objekt ohne Hirn getrachtet wird. Eines an das man sich eher ranschmeißen würde als damit Geschäfte zu machen. Dabei sagt man auf der anderen Seite wiederum, dass es hübsche Menschen mit einem netten Lächeln leichter haben an Jobs zu kommen. Nur ob man denen, dann wirklich etwas zutraut oder man diese nur als Gallionsfiguren für das Firmenimage einstellt, ist eine andere Frage.

Dem Menschen ist es sowieso nie genug und man will auch immer das, was man nicht haben kann. Am Ende wissen wir doch alle nie was wir wirklich wollen. Schön und erfolgreich sein, das wollen wir alle irgendwie und besonders in der heutigen Zeit aufgespritzer Lippen und Fake-Lashes spielt das Aussehen eine ganz besondere Rolle, aber ob das wirklich so erstrebenswert ist, ist sehr fragwürdig. Und ob uns das erfolgreicher macht, ist auch dahin gesagt. In manchen Branchen scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein.

Manchmal wünschte ich, ich würde nur halb so gut aussehen. Dann würde vielleicht dieses Arschgeglotze, das Aus-Versehen-Angefasse, das sinnlose Rumgeficke und dieses Desinteresse für meinen Charakter und meine Persönlichkeit einhergehend mit dieser elenden Reduzierung auf meinen Körper aufhören und ich würde vielleicht öfter gebucht werden. Dann würde es meinem Selbstbewusstsein besser gehen, weil ich mich eben nicht ständig gegen Männer wehren müsste, die denken ich hätte mein Hirn zu Hause gelassen und mein Arsch wäre ein Eingang und kein Ausgang. Dann würden sich vielleicht auch mal Menschen für mich interessieren, nicht weil ich ein hübsches Kleid trage, sondern weil ich eine intelligente und studierte Frau bin, die weiß was sie will. Dann würden vielleicht auch meine Tinderdates nicht immer in einem Businessmentoring enden, weil mein Gegenüber denkt, ich könne das ohne seine Mithilfe nicht schaffen. Alles Träume…

Freut euch über eure Hässlichkeit. Nehmt sie in die Arme, denn es ist manchmal leichter auf dieser Welt hässlich zu sein. Es bleibt euch einiges erspart. Ich weiß auch hässliche Menschen haben es nicht einfach. Für alles gibt es seine Vor- und Nachteile. Aber “Hässlichkeit” ist ein schönes Camouflage. Als solches sollte man es betrachten. Ein schönes Kostüm in dem man sich einkuscheln und verstecken kann, vor einer Gesellschaft, die eh nur oberflächlichen Idealen nacheifert. Man wird euch weniger Beachtung schenken und weniger auf den Arsch klatschen, aber ihr werdet dafür erfolgreicher sein.

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