Die Anpassungsfähige Fabrik: die neue Grenze des Made in Italy

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5 min readMar 27, 2017

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Das 20. Jahrhundert war in der gesamten westlichen Welt das Jahrhundert der Fabriken. Deutlich sichtbar an Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit in Italien am spürbaren historischen Gewicht von Produktionsstätten wie der Wollspinnerei Rossi in Schio und der Siedlung Crespi d‘Adda, der Breda-Betriebsanlagen in Sesto San Giovanni und der Siva in Turin (die Lackfabrik, in der Primo Levi jahrelang arbeitete), der FIAT- und Pirelli-Anlagen oder der legendären Olivetti-Werkstätten. Namen von großer beschwörender Kraft, die die Geschichte des Landes mitgezeichnet haben.

Um das Ende des letzten und Anfang dieses Jahrhunderts herum schien sich die Fabrik in der westlichen Welt allerdings zu einem Fossil der Vergangenheit gewandelt zu haben, ähnlich wie Pferdezucht und Kohleminen. In Amerika stürzten Staaten, die vormals Verarbeitungshochburgen waren, wie Michigan beispielsweise, in eine tiefe Krise und wurden zu Herzstücken des Rust Belt degradiert, jenem „Rostgürtel“, der in Übersee ein Synonym für Deindustrialisierung ist.

In Großbritannien, Wiege der Industriellen Revolution, schlossen neben Anlagen im Bergbausektor auch Betriebsanlagen auf Werften sowie im Eisenbau und der Automobilindustrie. Auch in Italien setzte sich, wenn auch mit vielen Abstufungen, die Idee durch, dass das Zeitalter der Fabriken für immer untergegangen ist und dass die Zukunft nur der post-fordistischen New Economy gehört.

Auch in Italien setzte sich, wenn auch mit vielen Abstufungen, die Idee durch, dass das Zeitalter der Fabriken für immer untergegangen ist und dass die Zukunft nur der post-fordistischen New Economy gehört.

Aber während im Westen die Fabriken schlossen, war der Verarbeitungssektor in Fernost alles andere als dabei auszusterben, im Gegenteil. Von China bis Indien, von Südkorea bis Vietnam, Regierungen wie Unternehmen investierten weiterhin massiv in den Sekundärmarkt (eine weise Entscheidung, die ihre ganze Gültigkeit 2008, dem Jahr der großen Finanzkrise im Westen, gezeigt hat). Und eben in Fernost, genauer gesagt in den Fabriken des japanischen Automobilriesen Toyota, entstand sogar das neue Produktionsparadigma lean manufacturing, das auf den Konzepten des Total-Quality-Management und des ganzheitlichen Produktionssystems basiert.

Diese Philosophie hat mich zum Erarbeiten des Konzepts der „anpassungsfähigen Fabrik“ geholfen, die sich meiner Meinung nach an die zahlreichen kleinen und mittelgroßen Mischbetriebe in Italien anpasst. Diese Unternehmen sind weit entfernt von den spezialisierten Fabriken der Massenproduktion eines einzigen Produkts, können allerdings die gleichen Ressourcen und Kenntnisse nutzen, um Produkte und/oder Dienstleistungen zu erschaffen, die sich untereinander stark unterscheiden können. Intelligente, schnelle Fabriken, die auf Multidisziplinarietät geeicht sind, um Einzelteile oder kleine Produktreihen (unter Umständen stark personalisiert) zu entwerfen, ihre Prototypen herzustellen und sie zu produzieren, um sie dann auf dem globalen Markt zu verkaufen.

Die kleinen und mittelgroßen Mischbetriebe kombinieren technische und handwerkliche Kompetenzen mit starkem technologischen Know-how und zeichnen sich durch eine doppelte Ausrichtung aus: analog und digital (also digilog). Der springende Punkt ist, dass es heutzutage ausschlaggebend ist, die eigene Produktionsdynamik auf sich gegenüberstehende Branchen und auf sehr wechselhafte und hochspezialisierte Kunden auszurichten. Dabei werden wie gesagt die selben Ressourcen genutzt, aber die Fähigkeit der individuellen Anpassung verstärkt. Die Quadratur des Kreises.

Diesen Fabriktyp, den HSL versucht einzuführen, beschränkt sich nicht auf Flexibilität, sondern muss auch Anpassungsfähigkeit haben.

Dabei geht es nicht „nur“ darum, mit weniger mehr zu machen, sonder um die Fähigkeit, sehr viel mit sehr wenig zu machen. Diesen Fabriktyp, den HSL versucht einzuführen, beschränkt sich nicht auf Flexibilität, sondern muss auch Anpassungsfähigkeit haben. Das Unternehmen öffnet sich der Außenwelt eben dort, wo es immer geheißen hat, sich verstecken zu müssen, indem Intelligenz- und Kompetenznetzwerke geschaffen werden;es verwandelt sich immer mehr in einen Tank der angewandten Intelligenz, denn dank der eigenen kreativen, technologischen und handwerklichen Fertigkeiten und Kompetenzen kann es seine Expertise auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden anwenden. Dieser Ansatz ist nicht nur flexibel, sondern multidisziplinär, verschmelzend und daher an und für sich der Innovation zugewandt. Ein Ansatz, der dazu beitragen kann, Margen auch in Konkurrenz zu großen asiatischen Unternehmen wieder zu steigern.

Das Adjektiv anpassungsfähig drückt meines Erachtens die Idee gut aus. Das italienische Pendant „duttile“ kann laut der Enzyklopädie Treccani sowohl „ein Material, das unter Anwendung von Zugkraft starke plastische Verformungen annehmen kann, sodass es leicht zu Fäden oder dünnen Blättern weiterverarbeitet werden kann“ (hier handelt es sich hauptsächlich um die wörtliche Bedeutung „duktil“, also die Dehnbarkeit, die Edelmetalle wie Platin oder Gold aufweisen), als auch eine sehr lernfähige Person, die ihren Verstand in verschiedenen Bereichen einsetzen kann, beschreiben. Die anpassungsfähige Fabrik kann also einerseits ihr Profil an eine immer stärker werdende Kraft der unkontrollierbaren Globalisierung und unterschiedlichste Beanspruchungen von außen anpassen; andererseits ist sie eine Mehrzweckfirma, die mit einer vielseitigen Intelligenz ausgestattet ist.

Unsere Mitarbeiter bei HSL können viele Dinge (gut) machen. Der Vorteil ist, dass sie sich (fast) nie langweilen, der Nachteil ist, dass es anstrengend ist, viele Dinge gut machen zu können. Auf der anderen Seite schreibt der epochemachende Toyota-Manager und Vater des Toyotismus Taiichi Ohno selbst in seinem Buch „Das Toyota-Produktionssystem“ (Campus): „Im amerikanischen System ist ein Drechsler immer ein Drechsler und ein Schweißer ist bis an sein Lebensende ein Schweißer. Im japanischen System sind die Kompetenzen eines Arbeiters viel breiter gefächert. Er kann an der Drehbank arbeiten, einen Bohrer bedienen und auch eine Schweißarbeit verrichten. Und er kann ebenso ein Fräser sein.“

Auch wenn es sich um spezialisierte Belegschaften handelt, umfassen ihre Spezialisierungen eine große Bandbreite von Fähigkeiten und werden stets durch neue, ungeahnte Anfragen auf die Probe gestellt.

Die anpassungsfähige Fabrik beherrscht mehrere Wissensgebiete, sie kann über die Kleinteiligkeit der Spezialisierungen hinausgehen, neue Verbindungen zwischen den unterschiedlichsten Disziplinen finden (Open Innovation ist eben auch dies) und hört dabei nicht auf, weiterzulernen. Bei der Namensgebung greift HSL nicht umsonst das Akronym Hic Sunt Leones auf (Aufschrift auf antiken Landkarten, um auf unbekannte oder gefährliche Gebiete hinzuweisen), da die Firma tatsächlich stets neue Wettbewerbsfähigkeit sucht, indem auf erforschende Intelligenz als Ressource gesetzt wird und ohne Furcht, sich neue Technologien anzueignen und auch imitiert zu werden sowie sich neuen Herausforderungen zu stellen.

Der Mix aus handwerklichen Kompetenzen und neuen Technologien hilft. Systeme des Additive Manufacturing, der eigentliche Antrieb der Revolution des Digital Manufacturing (es handelt sich hierbei um die sogenannten 3D-Drucker), sind maßgebend, um individuell angepasste Produkte schnell und günstig herzustellen; gleichzeitig setzt die Arbeit der Handwerker dort an, wo die der Maschine aufhört, mit einem außergewöhnlichen Auge für Details und einer ebenso außergewöhnlichen Fähigkeit, das Produkt zu veredeln. Auch wenn es sich um spezialisierte Belegschaften handelt, umfassen ihre Spezialisierungen eine große Bandbreite von Fähigkeiten und werden stets durch neue, ungeahnte Anfragen auf die Probe gestellt. Im weltweiten ungestümen Handelswettkampf sind auch dies die geheimen Waffen Italiens.

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Italian advanced manufacturing house. Rapid prototyping, one-off cars. #Automotive but also #lamps & #luxury accessories. All through #3Dprinting.