Corona, Krisen, Neue Chancen

Simon Höher
Fieldnotes – Hybrid City Lab

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Wir leben in bewegten Zeiten. Die zunehmend dramatischen Entwicklungen rund um das SARS-CoV-2 Virus und seine weitereichenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und persönlichen Auswirkungen stellen vieles, was noch vor wenigen Wochen als „normal“ galt, auf den Kopf. Im Schnelldurchlauf beobachten wir Entwicklungen, von denen wir noch vor kurzem glaubten, sie würden noch Jahre in der Zukunft liegen. Home Office und Remote Work als Default in Deutschland? Seit fast vier Wochen Realität. Virtuelle Meetings als de-facto Standard für Stadtverwaltung und Politik? Längst Alltag. Die Neuausrichtungen von ganzen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen in wenigen Tagen? Die Herausforderung der kommenden Wochen. Vier Monate 2020 — und alles auf neu? Nicht ganz.

Was COVID-19 der Welt aktuell beschert kennen wir bereits aus anderen Situationen — allerdings, zugegeben, oft nicht halb so schnell und allumfassend. Das Prinzip dahinter ist uns jedoch vertraut (und fast schon ausgekaut): Disruption. Diesmal erleben wir nun eben keine technologische (wie durch die Digitalisierung) oder ökonomische (wie durch die Finanzkrise 2008), sondern eine biologische Disruption. Und mit Disruptionen kennen wir uns mittlerweile gut aus. In unserer Arbeit waren wir Jahre lang dort wo sie erschaffen, abgewehrt oder geplant werden sollte, bei den Strategieabteilungen, den Innovationslaboren und Digitalteams. Oft gilt hier — zumindest in der Theorie — schon seit Langem das »New Normal«, der neue Normalzustand in einer vernetzten Welt. Bisher hatten viele jedoch nur Technologie als Haupttreiber auf der Liste, und die Digitalisierung lässt sich ja bekanntlich wunderbar diskutieren, analysieren und vertagen — spätestens seit COVID-19 ist dem nicht mehr so.

Links: Technologische Disruption durch den Microchip, rechts: biologische Disruption durch das Virus.Quellen: Wikicommons

Ein alter, neuer Freund

Bill Murray in Groundhog Day (1993).

Weil uns Krisen und Disruptionen schon so lange begleiten, wissen wir allerdings auch: Für Organisationen gibt es ein gutes Rezept dagegen. Es heißt Robustheit. Der Biologie Hiroaki Kitano bringt es auf den Punkt: “Eine robuste Organisation vermag es, auch bei internen und externen Störungen weiter zu funktionieren.”

Der Trick: Robuste Organisationen können auch extreme Veränderungen abfangen — und zwar nicht indem sie besonders stabil wären und einfach stur weitermachen wie zuvor, sondern indem sie sich selbst anpassen und verändern — ohne dabei das Ziel, die eigentliche Arbeit oder sich selbst aus den Augen zu verlieren.

Die Kunst ist es also erstens zu bemerken wo und wie die Welt sich ändert, zweitens zu verstehen, was davon relevant und wichtig ist, also wo wir uns anpassen und lernen sollten, und drittens zu entscheiden, welche Prozesse, welches Wissen und welche Ziele bewahrenswert sind und bleiben.

Die Biologen sprechen von Variation, Selektion und Retention — wir nennen es Transformation, gemeint ist dasselbe.

Eine Krise, Zwei Chancen

Das klingt einfach, ist jedoch unwahrscheinlich schwer, gerade dann, wenn gefühlt alles gleichzeitig passiert und niemand weiß, wie sich die gegenwärtige Situation weiterentwickeln wird. Wir sprechen von einer Krise, wenn eine unentscheidbare Entscheidung ansteht.

Wir müssen gestalten, arbeiten und umsetzen — aber keiner weiß was richtig, was smart und was fatal wäre.

Wann können wir wieder ins Büro? Wann kommen unsere Kunden zurück? Wie gestalten wir öffentliches Leben in Zeiten Physischer Trennung? Einfach aushalten oder ganz neu aufstellen? Wie führen wir unsere Projekte und Jahrespläne weiter durch, wenn all meine Kollegen nicht mehr zum Workshop kommen können? Und was genau heißt Kurzarbeit und KfW-Kredit eigentlich für uns im Team? Von der IT-Abteilung über die Datenschützer bis hin zur Projektleiterin fragen sich viele: wann hat der Spuk ein Ende und es wird alles wieder wie vorher? Wir befürchten, das wird es nicht. Nicht, weil wir den Virus nicht bezwingen — das werden wir, sei es in drei oder zwölf Monaten. Sondern weil wir danach nicht mehr die selben sein werden. Viele Organisationen, Verwaltungen und Teams erleben gerade eine Shock-Therapie in Sachen Veränderung. So schmerzhaft, aufreibend und energiezehrend das ist, so kommen wir dabei gar nicht darum herum, viel Neues zu lernen, viel Altes zu verbessern und manches ganz hinter uns zu lassen. Der Soziologe Anthony Giddens formuliert es so:

Wir können immer dann unglaublich viel über unsere gewöhnlichen Routinen lernen, wenn wir gerade in außergewöhnlichen Situationen sind.

Was also tun?
Wie geht eine robuste Organisation mit der Corona-Krise um?
Wie arbeiten wir weiter in einer Situation der radikalen Veränderung?

Für uns haben wir diese Frage so beantwortet:

Wir bleiben bei unseren Kernkompetenzen — und finden neue Wege sie umzusetzen. Das heißt, wir helfen öffentlichen Organisationen, eine lebenswerte Gesellschaft mitzugestalten. Auch und gerade in Zeiten großer Unsicherheit.

Die globale Herausforderung an unsere Gesellschaft und unsere Gesundheitssysteme, unsere Solidarität und unsere Selbstdisziplin sind enorm. Doch wie jede Krise wirft sie auch das Licht auf neue Wege, Abkürzungen und Einsichten. Für uns enthält die aktuelle Corona-Krise darum auch zwei großartige Chancen:

① Sicherheit in unsicheren Zeiten

Erstens verstehen wir uns als Begleiter*innen von Organisationen im Wandel. Das heißt gerade heute, unsere Kunden und Partner dabei zu unterstützen, bestehende Prozesse und Projekte, gesetzte Deadlines und Deliverables effizient fortzuführen und zu erreichen.

Händewaschen 1945 in den Niederlanden und 2020 in Japan.

Dazu braucht es oft ein neues Wie, aber ein entschieden unverändertes Was.

Die Arbeit findet dabei unter schwierigen Bedingungen, oft zuhause, immer wieder mit technischen und organisatorischen Herausforderungen statt. Hier braucht es oft schnelle Erste Hilfe — welche Tools und Best Practices gibt es? Wie führe ich mein bestehendes Projekt remote und dezentral durch? Was dürfen wir mit ins Home Office nehmen? Und was sagen DSGVO und Arbeitsrecht dazu?

Wir bieten hier Hilfestellung, teilen unsere Erfahrungen, unsere Werkzeuge und stehen als Sparringspartner und Ideengeberinnen zur Seite. Viel davon geschieht in unseren Projekte, im direkten Austausch und gemeinsamen Planungen. Anderes teilen wir online, als Werkzeugkiste, Tagebuch und Erste Hilfe Kasten.

Absolut zentral ist hier, gemeinsam sicherzustellen, dass trotz radikaler Veränderungen strategische Ziele, laufende Projekte und Prozesse fortgeführt und erreicht werden können.

② Ein Plan für AC — After Corona

So unabsehbar die aktuelle Krise noch ist — die dramatischen Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und Alltag scheinen schon jetzt erahnbar. Für Organisationen heißt das: Jahrespläne, strategische Ziele und Themen, und langfristige Planungen stehen in einem völlig anderen Licht als noch vor wenigen Wochen. Auch wenn es heute noch ganz akute Herausforderungen zu lösen gibt, der Blick über den Tellerrand ist gerade jetzt mehr als angebracht. Und selbiges gilt auch für viele Produkte und Dienstleistungen — was wenn ein Service ein gewohntes Öffentliches Leben voraussetzt? Was passiert mit Mobilitätsdienstleistungen, mit Finanz- und Investitionsprodukten oder mit geplanten öffentlichen Beteiligungsformaten in Städten und Kommunen? Und welche langfristigen Folgen haben die heutigen Veränderungen auf unsere Kommunikations- und Entscheidungskultur, auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse unserer Mitarbeiter und Kunden?

Wir glauben, es lohnt sich, diese Fragen früh zustellen — gerade weil es darauf oft noch keine finalen Antworten gibt. Aber Methoden wie Strategic Foresight aus der Zukunftsforschung, agiles Produkt und Service Design oder die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen und Organisationsstrukturen bieten genau die Perspektiven die es dazu gerade braucht: robuste, veränderungsfreundliche Prozesse. Handhabbare Entscheidungen in Zeiten von Unsicherheit. Und ein neues gemeinsames Selbstverständnis von Organisationen — mit neuen Fähigkeiten und alten Gewissheiten.

Wir freuen uns darauf mit Kunden, Partnern und Kolleg*innen auch diese Veränderung gemeinsam zu gestalten.

Willkommen zurück in der Neuen Normalität. Jetzt eben im Home Office.

Das Hybrid City Lab ist das Urban und Public Design Studio von zero360.

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Simon Höher
Fieldnotes – Hybrid City Lab

Public Design @hybridcitylab. Co-Founder @thingscon. I like weird astro-jazz.