Das gute Miteinander im digitalen Öffentlichen Raum

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3 min readJun 28, 2019

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Photo by Viktor Forgacs on Unsplash

Ein wenig surfen, sich einfach den Fluss hinab treiben lassen — das kann gemütlich sein, unterhaltsam und informativ. Und plötzlich ist es da: das böse Wort, hinein gehauen in die Tasten, hochgeladen das bedrohliche Foto von einem selbst, aus dem Dunkel des Netzes erscheint es auf jener Plattform, wo man eigentlich in Ruhe den Anker werfen wollte. BÄMM — plötzlich ist man verunsichert, verletzt, verfolgt, vernichtet — oder aber :

Fake News, Hate Speech, Cyber Stalking, Cyber Mobbing.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, das Internet sei ein privater Raum, und somit rechtsfrei — „ist doch meine Sache — wenn ich ‚bei mir‘ zuhause auf den Teppich spucken will, dann tu ich das eben.“

Das world wide web ist das Gegenteil eines privaten Wohnzimmers: es ist ein öffentlicher Raum, der größte öffentliche Raum, den es weltweit je gegeben hat. Und von daher schwer zu handhaben, fast unmöglich zu steuern und auf einem gesunden Kurs zu halten.

Am 6. und 7. Juni fand in Berlin das Community Event gegen Hate Speech, organisiert vom Nettz in Berlin statt. Es trafen sich knapp 100 Menschen — junge Menschen — unterschiedlichster Organisationen, um gemeinsam über die Arbeit zu referieren, sich auszutauschen und Tipps zu erhalten, wie man sich gegen Hate Speech wehren kann. Diese Arbeit, die die jeweiligen Akteur*innen leisten, ist mehrheitlich ehrenamtlich. Unbezahlt sollte explizit erwähnt werden, nicht dass dieses Detail versinkt. Junge Menschen, die ihre Komfortzone verlassen und sich engagieren gegen Frauenfeindlichkeit, Antiziganismus, Antisemitismus, Rassismus im Netz, gegen rechtspopulistische Äußerungen, die nicht mehr unter Meinungsfreiheit fallen, sondern glasklar diskriminierend und/ oder volksverhetzend sind. Eine Arbeit, die ein permanentes Kreuzen in brodelnden Gewässern bedeutet, mit der Chance die Wogen zwar partiell zu glätten, nur um im nächsten Augenblick ein weiteres Seeungeheuer sowohl Backbord als auch Steuerbord voraus auszumachen, das angreift — den öffentlichen Raum Internet, und ganz persönlich diejenigen, die ihn verteidigen.

Ein Gedanke eint sie alle : die Menschenwürde ist auch im Netz unantastbar.

Dennoch : Das Gleichgewicht zu halten, nicht zu kentern, das Boot nicht auf einem Riff auflaufen zu lassen, ist die Kunst.

Wo endet Meinungsfreiheit? Wo beginnt Zensur?

Weltweit bündeln sich Initiativen, um die Grundrechte der Menschen in der digitalen Öffentlichkeit zu schützen und eine Gesetzgebung zu initiieren. Nur stellen sich folgende Fragen:

Was sind illegale Inhalte? Wie handhabt das Nachbarland diesen Inhalt? Was in Deutschland verboten ist, fällt mitunter in Frankreich unter „Meinungsfreiheit“. Ein Host in Frankreich würde reichen, um das in Deutschland Illegale nicht justiziabel zu machen. Bumpf! Und schon sitzen wir wieder in den Untiefen auf Grund.

Während des IGFs im Herbst werden diese Fragen erörtert. Eine dauerhafte Lösung wird es wahrscheinlich niemals geben — die digitale Welt ist vergleichbar mit den internationalen Gewässern. Dort allerdings gilt das Seevölker-Recht, verabschiedet von den Vereinten Nationen. Ein solches Recht braucht das www — bis dahin hoffen wir weiterhin auf Personen und Initiativen im Netz, die sich persönliche Integrität als ethisches Prinzip auf die Flaggen geschrieben haben.

Sie navigieren mit Expertise, diese Expertise brauchen wir für eine digitale Charta und für das IGF.

-Nathalie Steinbart

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