IGF Navigator
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4 min readSep 5, 2019

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DE-IGF - was wir vom Periskop aus gesehen haben

Wir waren abgetaucht. Nicht, um den Sommer am Badesee zu verbringen, sondern um in den Tiefen der Zivilgesellschaft Positionen einzelner Akteur*innen – unseren Lotsen - einzuholen, sie zu sortieren, zu bündeln und euch die Forderungen zu präsentieren. Denn nächste Woche ist es soweit: am 11. September findet in Berlin das Deutsche IGF statt.

Nationale Internet Governance Foren werden auf der ganzen Welt veranstaltet, als Vorbereitung für das internationale Treffen im November, eine Vorstufe sozusagen.
Hier in Deutschland ist es mit ca. 250 Teilnehmer*innen eine erstaunlich kleine Veranstaltung. Nur wenige haben diesen Termin auf dem Radar – aber! Yepp, einflussreiche Netzpolitiker*innen, Minister*innen, Parlamentarier*innen sind dort anzutreffen, gleich neben den politischen Strategen der großen Tech-Konzerne. Man kann auf sie zu- und mit ihnen in Diskussion gehen, sie sind ansprechbar wie sonst selten. Gerade weil das de-IGF noch klein ist: Die eintägige Konferenz ist der Zugang der Zivilgesellschaft zur deutschen Kommandobrücke „Zukunft Internet“ schlechthin. Die Teilnahme ist kostenlos.
Wir werden dort sein und für die Gemeinwohl-Stimme in der Netzpolitik trommeln. Und wir freuen uns über Verstärkung - hier geht es zur Anmeldung.

Es finden verschiedene Panels und Workshops auf dem DE-IGF statt. Ein paar Fragen lauten:

KI ist überall – und ein großer wirtschaftlicher Faktor. Wie gehen wirtschaftlicher Erfolg und Gemeinwohlinteressen zusammen?

Kassandra Becker vom Deutschen Roten Kreuz sagt, dass zivilgesellschaftliche Akteure sich in die Politik einklinken müssen. Noch ist es so, dass die Berater*innen in den politischen Gremien hauptsächlich aus der Wirtschaft kommen. Sie ist überzeugt, dass KI sowohl soziale Teilhabe als auch zum Gemeinwohl hin gestaltet werden kann und sollte.

Aber dafür braucht die Zivilgesellschaft Zugang zu den Gremien.

Wie Lorena Jaume-Palasi, Gründerin von ‚The Ethical Tech Society‘,

sagt: ‘ KI’s sind Tech-Assistenten, um den Menschen in den verschiedensten Situationen zu unterstützen.‘

Wenn diese Tech-Assistenten allerdings als Entscheider auftreten, wird es problematisch.

Wir kennen es alle: eine freundliche Stimme zwitschert: „In zweihundert Metern links abbiegen.“ Und wir sind genervt – von der Stimme, davon, dass wir wissen, dass wenn wir rechts fahren, eventuell sogar schneller ankommen oder vielleicht einen Parkplatz ergattern – oder sind einfach nur davon genervt, dass uns überhaupt als selbstbestimmten Menschen gesagt wird: „Bieg-Gefälligt-Links-Ab-Du-Nuss!“ Peanuts. Was aber wenn man laut Algorithmus nicht kreditwürdig ist? Laut Algorithmus nicht der geeignete Bewerber auf eine Stelle ist? Laut Algorithmus keinen Studienplatz zugewiesen kriegt?

Ein anderes Panel auf dem DE-IGF erläutert die Frage „Hate Speech : Forderungen an Politik und Wirtschaft.“

Dazu Hanna Gleiss von Das Nettz, der Vernetzungsstelle gegen Hate Speech:

„Es kann nicht sein, dass Dinge, die analog völlig undenkbar sind, im Netz ok sind“.

Sie sagt weiterhin, dass die spannendsten und innovativsten Ideen, um dagegen anzugehen, aus der Zivilgesellschaft kommen. Es braucht Förderprogramme, die Zivilgesellschaft muss konkret bei der Evaluierung und Weiterentwicklung der NetzDG (Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken) mit einbezogen werden.

Auch müssen die Plattformen, die ein großes wirtschaftliches Interesse haben, selber Gelder investieren, um sich an den Kosten für Strafverfolgung, und zu Finanzierung von Beratung und Betreuung Betroffener beteiligen.

Auf dem UN-IGF im November gibt es ein weiteres großes Fokusthema. Es ist so aktuell, dass wir uns entschlossen haben, es auch zu einem unserer Schwerpunkte zu machen: die Repräsentation junger Stimmen und Perspektiven bei der Gestaltung unserer Zukunft. Was sagt das de-IGF dazu? Im offiziellen Programm leider nichts. Zwar gibt es am Tag zuvor einen Jugend-IGF, doch weder auf den Panels noch in den Workshops taucht das Thema auf.

Dabei liegt der Schlüssel zu einem jugendgerechten Netz gerade in der aktiven Einbindung.

Dr. Wolfgang Gründinger, Referent für die digitale Transformation Bundesverband Digitale Wirtschaft, sagt dazu : “Wir sollten wissen, was auf uns zukommt. Gerade junge Menschen, die das Internet als Lebensraum verstehen, sind Gradmesser, Seismographen, weil sie früher entdecken was bald groß sein wird. Deswegen darf das IGF nicht ohne Beteiligung junger Menschen stattfinden.”

Diese Chance verpasst das deutsche IGF in diesem Jahr.

Das DE-IGF schließt mit der interessanten Frage: Die Stimme der Zivilgesellschaft – zu leise?

Ja und nein. - Ja, denn es gibt ihn, den klugen, nötigen netzpolitischen Input aus der Zivilgesellschaft.

Nein, denn die privatwirtschaftlichen Stakeholder sind lauter. Die Politik hört auf einem Ohr leider schlecht. Die Zivilgesellschaft könnte allerdings auch mehr : sie muss sich als zentraler netzpolitischer Akteur begreifen. Sie kann ihre sozialen Themen enger in Kontakt mit technologischer Entwicklung bringen und sich öffentlich dazu äußern. Allem voran muss sie sich stärker koordinieren, die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Institutionen sollten sich und ihre Themen vernetzen (geht ganz leicht via Internet ;-) und sie sollten gemeinschaftlich auftreten. Lasst uns das in diesem Jahr auf den Internet Governance Foren versuchen. Das De-IGF am 11.9. ist der Auftakt.

Der IGF Navigator freut sich bis Montag, den 9. September über weiteren Input von euch und für Mittwoch, den 11. September Verstärkung vor Ort. Gebt Bescheid, wenn ihr kommt. Beides unter : igfnavigator@betterplace.org

-Nathalie Steinbart

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