Ordner in der Dropbox: Nur die im verschlüsselten Ordner sind sicher. / Screenshot: Marcus Schwarze

Keine Umkehr der Beweislast

Über den NSA-Skandal und meine ganz persönlichen Folgen

Marcus Schwarze
2 min readJun 30, 2013

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Auch ich wurde wahrscheinlich überwacht. Wie jeder, der mir in den vergangenen Jahren privat eine E-Mail schrieb. Seit den Enthüllungen der britische Zeitung “Guardian” und ihrem Informanten Edward Snowden, dem ich demnächst eine Dankespostkarte im offenen Briefumschlag schreibe, weiß ich nur eines: Meinen Umgang mit Daten werde ich ändern. Daten, auf die ein US-Geheimdienst per angezapftem Überseekabel Zugriff hatte.

Nicht sofort und radikal werde ich meinen Umgang ändern, sondern langsam und dafür nachhaltig. Ich werde nach den besten Lösungen suchen, um mehr meiner Daten und Mails zu verschlüsseln. Ich werde die nötige Software dafür ausfindig machen. Und ich werde sehr genau hinhören, wer sich wie verhält in diesem größten Abhörskandal der Geschichte, der nicht inmitten irgendwelcher fernen Diktaturen stattfindet. Sondern hier, in meinem und Ihren Mailpostfach.

Wer nichts zu verbergen hat, …

Es fällt leicht zu sagen: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Zu leicht. Denn die Menschen verhalten sich anders, wenn sie wissen, dass jemand mitlesen kann. Belauschen jedweder Kommunikation widerspricht dem Grundgesetz und der Menschenwürde und darf nur in besonderen Ausnahmen unter Richtervorbehalt gebrochen werden; aus gutem Grund wurde hierzulande eine hohe Hürde dafür aufgebaut, wenn Behörden Abhörwanzen in einer Wohnung verstecken möchten. Es ist ja nicht so, dass staatliches Handeln immer und überall rechtschaffen ist. Von einer Umkehr der Beweislast, unbescholten zu sein, wurde uns weder bei der Geburt noch beim 18. Geburtstag etwas gesagt. Das aber bedeutet der Satz, “wer nichts zu verbergen hat …”

Schon einmal in der jüngeren Geschichte hatten wir den Verdacht, dass Privatheit im Zuge aufkommender Technik beispielsweise bei Facebook nicht richtig beachtet wird. Doch ist zwischen der Statusmeldungen bei Facebook und der privat gerichteten Mail zu unterscheiden: Statusmeldungen sind bewusst an eine kleine Öffentlichkeit gerichtete Informationen, und dabei ist es fast egal, welche Privateinstellungen man dort hinterlegt hat. Die Teilnahme an den sozialen Medien heißt in aller Regel öffentlich.

Prinzip offener Postkarten

Bei einer E-Mail aber ebenso wie bei einer WhatsApp-Nachricht, Direct Message bei Twitter oder einer SMS definieren Absender und Empfänger sehr genau, wer das lesen soll. Wenn dieses grundlegende Vertrauen wie jetzt durch die NSA-Abhörskandal erschüttert wird, müssen wir offenbar andere Register ziehen. Neben einer umfassenden rechtsstaatlichen Überprüfung und politischer Empörung gilt es, letztlich auch das kleinste Mittel des unbescholtenen Bürgers anzuwenden: Er sollte nicht nur wie gehabt seine Haustür abschließen und seine Briefe zukleben, sondern auch seine Mails und im Web gespeicherten Verzeichnisse verschlüsseln. Für alles andere gibt es offene Postkarten und social Media.

Von Marcus Schwarze

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Marcus Schwarze

Onlinechef bei der Berliner Morgenpost. Zugereister. Zuvor bei der Rhein-Zeitung und der HAZ.