Wasserstoff als Eckpfeiler der Energiewende: Ein Statusbericht

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4 min readDec 31, 2021

TEXT: Dr. Michael W. Preikschas

Seit der Industriellen Revolution gründet sich der Wohlstand der westlichen Welt auf der Verbrennung fossiler Ressourcen — und heute spürt die gesamte Erde die Folgen. Um die Erderwärmung auf ein akzeptables Maß zu begrenzen, wurde begonnen, Kohle, Öl und Gas durch regenerative Energien zu ersetzen. Doch die erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarkraft erzeugen keinen Brennstoff, der in Tanks transportiert oder im Regal gelagert werden kann. Stattdessen liefern sie Strom, der ohne genügend Wind oder Sonne nicht zur Verfügung steht.

Die großen Herausforderungen sind somit neben der Vernetzung und dem Lastmanagement vor allem die Frage der Speicherung. Eine auf flüchtige Energiequellen ausgelegte Stromversorgung wird ohne Speicher- und Transportmöglichkeiten nicht umsetzbar sein. Aufgrund seiner guten Speicher- und Transportfähigkeit hofft Deutschland (und die Welt) auf den Wasserstoff als wichtigen Baustein in der Energiewende. Deshalb kann er ein Teil der Lösung sein. Allerdings ist er nicht von sich aus klima- und umweltfreundlich. Stattdessen muss H2 unter erheblichem Energieaufwand erzeugt werden. Erst als sogenannter „grüner Wasserstoff“ — also mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt — wird er zu einem Energieträger, auf den Deutschland auf Dauer bauen kann. Das heißt auch: Wer Wasserstoff will, muss den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv beschleunigen.

Heute wird grüner Wasserstoff nur in Anlagen mit Prototypenstatus hergestellt. Eine industrielle Produktion gibt es bisher nicht. Gleiches gilt für eine Infrastruktur zur Verteilung. Grünen Wasserstoff wird es also auf absehbare Zeit nicht im Überfluss geben. Deshalb sollte sich seine Verwendung auf die Branchen fokussieren, die nach aktuellem Wissen nicht auf andere Weise klimaneutral werden können. Beispielsweise gilt dies für die Stahl-, Zement-, und Chemieindustrie, den öffentlichen Nahverkehr und die Logistik mit Luft- und Schifffahrt. Dennoch wird die Forschung in neue Geschäftsmodelle und Technologien zur Verwendung des Wasserstoff ein essentieller Eckpfeiler, um 2045 eine Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen.

Wasserstoff existiert vorzugsweise in fossilen Energieträgern — beispielsweise Erdöl, Erdgas und Kohle. Um H2 nutzbar zu machen, muss erst sehr viel Energie zugeführt werden, um die molekularen Bindungen aufzubrechen. Grundsätzlich werden zwei Formen der Erzeugung unterschieden: Erstens die Elektrolyse, aus welcher der strombasierte Wasserstoff hervorgeht und zweitens, die Reformierung, Vergasung und Vergärung, die zum rohstoffbasierten Wasserstoff führen. Der heute industriell verfügbare Wasserstoff wird größtenteils mittels Reformierung hergestellt. Dabei wird Erdgas oder Methan bei hohen Temperaturen zu einem Gemisch aus Wasserstoff, Wasserdampf und Kohlendioxid vermengt.

Der Transport und die Speicherung von Wasserstoff können auf drei Arten erfolgen. Typischerweise befindet der Wasserstoff sich bei Umgebungstemperatur in einem gasförmigen Zustand. In großen Mengen kann Wasserstoff so über das Erdgasnetz transportiert werden. Auch eine Lagerung unter hohem Druck wird praktiziert (als CH2 oder CGH2). Zweitens ist es möglich Wasserstoff in flüssiger Form (als LH2) zu transportieren. Dazu wird unter Energiezufuhr eine Kühlung auf -250 °C angestrebt. Tankfahrzeuge — LKW oder Schienenverkehr — benötigen eine ständige Kühlung, können aber auf diesem Weg etwa dreimal so viel H2 transportieren, als dies in gasförmiger Form möglich wäre. Als dritte Möglichkeit zum Transport gilt die chemische oder physikalische Verbindung des Wasserstoff mit einem Trägermedium. Auch hier wird zusätzliche Energie benötigt, um die Verbindung auszulösen. Das Trägermedium kann nach der Trennung weiter verwendet werden. Auch der Transport von H2 in Folgeprodukten — beispielsweise Ammoniak für die landwirtschaftliche Düngeproduktion — ist möglich. Für die langfristige Speicherung von H2 ist somit insbesondere die chemisch gebundene optimal.

Auf Grundlage dieser technologischen Gegebenheiten, resultieren drei Themenfelder, welche innovative Ansätze hervorbringen:

Bereitstellung: Erzeugung & Import — Wie wird Wasserstoff in Zukunft dezentral erzeugt? Dabei spielen neben der Schaffung von europäischen- und nicht-europäischen Handelsbeziehungen zur Deckung der Wasserstoffbedarfe vor allem einheitliche Qualitäts- und Zertifizierungsstandards hinsichtlich der Wasserstoffimporte eine große Rolle.

Verteilung: Transport & Speicherung — Wie sieht die Wasserstoff-Transport- und Speicherinfrastruktur der Zukunft aus? Dabei ist die Einbeziehung an Neubauten im Quartiersbereich essentiell. Besonders im Bereich der Tankstelleninfrastruktur gibt es einen großen Bedarf.

Anwendung: Mobilität & Logistik, Industrie & Gewerbe, Energieversorgung Wie erhalten wir unsere aktuelle Mobilität für Privatpersonen und Unternehmen ohne schädliche Emissionen? Eine Skalierung von Wasserstoff als Energieträger hängt insbesondere an den Verwendern aus Industrie und dem Mittelstand. Dabei geht eine Lösung Hand in Hand mit der Versorgung von Produktionsanlagen und Quartieren.

Unternehmen können aus verschiedenen Ansätzen zur Innovation von Wasserstofflösungen wählen. Sie können sowohl bestehende Geschäftsmodelle und Märkte verbessern als auch völlig neue schaffen. Ebenso können sie bestehende technologische Lösungen ausbauen und die Entwicklung bahnbrechender Lösungen unterstützen. In allen Fällen sollten Unternehmen davon absehen, sich nur als Verursacher von Emissionen zu betrachten, und sich als potenzielle Anbieter von Lösungen für ein grundlegendes gesellschaftliches Bedürfnis sehen. Außerdem brauchen Unternehmen nicht unbedingt neue Technologien, um innovativ zu sein. Zwar sind technologische Leuchttürme entscheidend, um neue Möglichkeiten zu schaffen — sowohl im Hinblick auf die Wertschöpfung als auch auf die Auswirkung auf das Klima — doch müssen nicht alle Unternehmen in den bahnbrechenden Technologiefeldern mitspielen. Es gibt viel Potenzial zur Skalierung von bestehenden Lösungen durch die Kombination mit anderen Technologien, insbesondere im Umfeld der digitalen Transformation.

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen