Berlin Valley — Interview

Versicherungskunden und neue Technologien in der Versicherungsbranche

Writer Profile Of InsurTech.vc Team
InsurTech.vc
4 min readAug 4, 2017

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Mehrdad Piroozram von Insurtech.vc über das Rennen um Versicherungskunden und neue Technologien in der Versicherungsbranche

Mehrdad, wie sieht die Strategie von Insurtech.vc aus?

Wir investieren themenbezogen in Insurance-Startups in Deutschland, Europa und Israel. Bisher habe ich mein eigenes Geld investiert, gerade bauen wir einen Fonds auf, um mehr Feuerkraft zu haben.

Wie weit ist der Insurtech-Markt bisher entwickelt?

Im Hype Cycle ist Insurtech in etwa da, wo Fintech vor fünf Jahren war. Deswegen dominieren bisher auch die Seed-Investments. Darauf fokussieren auch wir uns. Die vergangenen Jahre sind stark von London geprägt. Hier gibt es viel Expertise und das Fintech-Momentum überträgt sich auf die Insurtech-Branche. Mit Blick auf die gesamte Versicherungsbranche:

Welche Rolle nehmen Insurtechs ein?

Wenn wir uns die DNA der Versicherer anschauen, ist die Digitalisierung der Branche eigentlich schon erfolgt. Die Versicherungsbranche ist einer der Branchen, die am effizientesten IT lebt. Aber die Geschwindigkeit, mit der sich die Technik verändert, verursacht Schmerzen, weil die aktuellen Prozesse zu langsam sind. Auf Kundenseite dominiert technischer Fortschritt. Plötzlich ist das Smartphone ein globales Produkt. Dieser schnelle technische Wandel passt nicht mehr zu den akkuraten Prozessen der Versicherungen. Diese Lücke können Insurtechs füllen.

Wie machen sie das?

Es gibt im Grunde zwei Fälle: Enabler und Touchpoints. Enabler sind Technologie-Startups, die dem existierenden Versicherer unter seiner eigenen Marke Services für seine Kunden anbieten oder dessen Prozesse effizienter machen. Sie unterstützen die Marke der Versicherer mit ihrer Technik. Touchpoints sind vor allem digitale Makler, die selbst Kunden ansprechen und die Kommunikation mit den Versicherungen aus Kundensicht vereinfachen. Diese Unternehmen sind sehr kapitalintensiv, weil sie eine eigene Marke aufbauen müssen und die Kundenakquise im Versicherungsbereich sehr teuer ist.

Welche Technologien spielen eine Rolle?

Wir sehen große Chancen für künstliche Intelligenz. Versicherer arbeiten mit großen Datenmengen, mit denen eine Maschine besser und schneller umgehen kann als Menschen. Außerdem könnten die Themen Blockchain und Smart Contracts interessant werden, aber hier ist noch nicht absehbar, wie viel davon Hype ist und wie sich das entwickelt. Und auch das Thema Software as a Service wird spannend.

Wie werden sich Versicherungen in Zukunft verändern?

Versicherer zahlen etwa 60 Prozent der Beiträge wieder an Schäden aus, dadurch sind sie in fast alle anderen Branchen involviert. Die Digitalisierung und Disruption der anderen Branchen betrifft so auch die Versicherungen. Nehmen wir das Beispiel Kfz-Versicherung: Wenn sich die Automobilbranche hin zu selbstfahrenden Autos entwickelt, könnten zukünftig eher Flottenverbände autonomer Fahrzeuge statt Autos von einzelnen Konsumenten zu versichern sein — ein kompletter Game Changer. Bei den Versicherern läuft die Disruption anderer Industrien zusammen, weil sie damit umgehen und neue Produkte und Geschäftsmodelle versichern müssen.

Wie siehst du die Rolle der großen Versicherer in der Zukunft?

Erst mal gibt es zwischen Startups und Etablierten ein Rennen um Kunden. Die Akquisekosten für neue Kunden sind sehr hoch, weil die Menschen selten wechseln und viele Versicherer um wenige Kunden konkurrieren. Das ist ein Capital Game. Viele große internationale Versicherer sind außerdem mit Corporate VCs, Accelerator und als Kooperationspartner für Startups aktiv. Außerdem treten Rückversicherer als Enabler für Startups auf und stellen ihre Lizenzen für Tech-Unternehmen zur Verfügung. Die Münchener Rück ist hier zum Beispiel sehr stark.

Welche Startups sind für den deutschen Markt spannend?

Ich halte Wefox für sehr interessant, weil sie sich an die Makler richten und nicht in dieses Kunden-Akquisitions-Rennen einsteigen. Aus unserem Portfolio bin ich ein großer Fan von Sherpa. Die wollen sich mit den Daten ihrer Kunden verbinden und die auf dieser Basis in den verschiedenen Sparten ihres Lebens passend zu ihrem Risikoprofil versichern. Der deutsche Markt ist aber noch relativ am Anfang.

Siehst du einen großen Trend in der Entwicklung von Geschäftsmodellen?

Wir sehen Tonnen an Potenzial für Startups, die AI in den Versicherungsmarkt bringt. Versicherer haben große Datenpools und kalkulieren aus den Schadensdaten der Vergangenheit die Wahrscheinlichkeit für einen Schaden in der Zukunft. Das ist sehr rückw.rtsgewandt und dadurch getrieben, dass Versicherer nur dann etwas über ihre Kunden erfahren, wenn es einen Schaden gibt. Jetzt haben wir über IoT auch die Möglichkeit, etwas über den gesunden oder schadensfreien Zustand eines Kunden zu erfahren.

Dadurch können Versicherer die Wahrscheinlichkeit für einen Schaden besser berechnen und auch Präventionsmaßnahmen einleiten. Jeder Euro Schaden, der vermieden wird, ist eine große Ersparnis und ein Kostenvorteil, den Versicherer im Preiskampf an ihre Kunden weitergeben können.

Das Gespräch führte Anna-Lena Kümpel.

Das komplette Magazin gibt es hier.

Wir freuen uns auf Kommentare und Anregungen zu dem Interview.

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