Anwohner machen die Ölraffinerien von Durban für Gesundheitsprobleme verantwortlich

David Smith in Durban und Damian Carrington

@smithinamerica, @dpcarrington

Dienstag 26. Mai 2015

Bill Gates finanziert bahnbrechende Forschungsprojekte zur Abwasserentsorgung in Durban, aber er hat auch einen Teil seines Vermögens in die Betreibergesellschaften von Ölraffinerien investiert unter deren Verschmutzung Gemeinden leben, die nur eine kurze Autofahrt entfernt sind und in denen es besonders viele Asthma- und Krebserkrankungen gibt.

Es gab nur Stehplätze in jenem abgedunkelten Saal im luxuriösen Internationalen Kongresszentrum von Durban, in dem Cyril Ramaphosa, ein ehemaliger Bergarbeitergewerkschaftsführer, der es zum Bergbaumagnaten und stellvertretenden südafrikanischen Präsidenten gebracht hat, zum Podium schritt. Er sollte vor einer „National Sanitation Indaba“ sprechen, einer Konferenz über die empörende Tatsache, dass mehr als jeder zehnte südafrikanische Haushalt im 21. Jahrhundert noch immer nicht über geeignete sanitäre Einrichtungen verfügt.

„Es ist für viele unserer Landsleute eine tägliche Demütigung“, sagte Ramaphosa den Delegierten. „Der Mangel an adäquaten sanitären Einrichtungen fördert die Übertragung vieler Infektionskrankheiten, darunter Cholera, Typhus, Hepatitis, Polio, Kryptosporidien und Askariasis. Durchfall — eine Krankheit, von der man annimmt, dass sie in direktem Zusammenhang mit schlechten sanitären Einrichtungen und schlechter Abwasserentsorgung zusammenhängt, tötet alle 20 Sekunden ein Kind. Das sind weltweit jeden Tag mehr als 4000 Kinder und damit mehr Todesfälle als Aids, Malaria und Masern zusammen. Diese Krankheiten verbreiten sich schnell und junge Menschen verlieren unnötig ihr Leben.“

Es ist eines der Gesundheitsprobleme, das Bill Gates gerne angeht. 2011 startete seine Stiftung die Challenge „Reinvent the Toilet“, die den 2,5 Milliarden Menschen weltweit, die nachhaltige sanitäre Anlagen benötigen, Zuschüsse gewährt. In dem Raum neben Ramaphosas Publikum hatten verschiedene Organisationen Stände aufgebaut, um ihre Prototypen auszustellen. Südafrikas Wasserforschungskommission zeigte den „Earth Auger“, ein System, in dem keine Wasserspülung und kein Anschluss an ein Abwassersystem benötigt wird, das Toilettenpapier durch Sägemehl ersetzt und Exkremente in Kompost ohne Krankheitserreger verwandelt. Es soll in den kommenden drei Monaten in den Gemeinden getestet werden.

Stuart Woolley, stellvertretender Forschungsmanager der Kommission, sagte: „Sanitäreinrichtungen sind ein massives Problem — es ist nicht nur eine Frage der Gesundheit, sondern auch der Menschenwürde. Wenn Sie die Toiletten sehen, die die Menschen in ländlichen Gebieten benutzen müssen, ist das ein starker Kontrast zu den Vororten mit ihren Porzellantoiletten. Dass Bill Gates die Finanzierung im Vorfeld zur Verfügung gestellt hat, hat das Programm wirklich beschleunigt und ein erhebliches Maß an Innovation erzeugt, die es zuvor nicht gegeben hätte.“

Die Gates-Stiftung gewährte der Universität von KwaZulu-Natal in Durban eine Spende in Höhe von 1,6 Millionen US-Dollar, um sie zu einem Zentrum für Forscher und Produktentwickler im Bereich Sanitäreinrichtungen und Abwasser zu machen. Professor Chris Buckley hat eine Visitenkarte mit dem Logo der Universität und der Berufsbezeichnung „Shit Manager“. Er ist in dem Fachgebiet seit mehr als 20 Jahren tätig und erklärt fröhlich: „Ich bin in ganz Afrika als der Scheiße-Manager bekannt.“

Der 66-jährige Buckley erinnert sich an einen Besuch von Bill Gates in Durban — wo eine Million Menschen, fast ein Drittel der Bevölkerung, keinen offiziellen Abwasseranschluss haben. Gates habe Latrinen mit Sickergruben betrachtet und „gesehen, dass man das besser machen kann“. Buckley war dann einer der drei Forscher, die sich mit dem Microsoft-Mitbegründer in seiner Stiftung zusammensetzten und ihn davon überzeugten, dass Toiletten weltweit die Gesundheitslage verbessern können. „Sein Kommentar war: ‘Die Daten taugen nichts’. Dem konnten wir nur zustimmen.

Die Gates-Stiftung ist eine der besten Forschungsorganisationen für die ich je gearbeitet habe. Sie sind absolut zielorientiert und haben Verständnis für die Forscher. Sie glauben an Zusammenarbeit statt Konkurrenz. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Geld nie die knappe Ressource war. Bill Gates beschreibt sich selbst als ungeduldiger Optimist.“

Die Neuerfindung der Toilette könnte das Leben von Menschen „in fast unvorstellbarem Ausmaß“ verbessern, glaubt Buckley. „Abwasserbehandlung und sanitäre Anlagen sind für die öffentliche Gesundheit sinnvoll. Deshalb tun wir das. Alles andere ist nett, aber nicht unbedingt notwendig.“

Die „Keep it in the Ground“-Kampagne des Guardian fordert die Gates-Stiftung auf, ihre Geldanlagen aus Unternehmen für fossile Brennstoffe abzuziehen. Der Klimawandel gilt als größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts für die öffentliche Gesundheit weltweit.

Auf die Frage, ob er einen Widerspruch zwischen den Geldanlagen der Gates-Stiftung in fossile Brennstoffe und ihrer Weltklasse-Arbeit zur Verbesserung von Abwasserentsorgung und sanitären Anlagen sieht, dachte Buckley einen Moment nach, bevor er antwortete:

„Ich möchte die Geldanlagestrategie der Gates-Stiftung nicht verteidigen. Unter Berücksichtigung aller anderen Aspekte — und Bill ist eine sehr engagierte Person — bin ich sicher, dass ihm die Tatsachen bewusst sind und dass es einen Grund dafür gibt. Ernährung, Hygiene und vernachlässigte Tropenkrankheiten sind die größten Gesundheitsgefahren der Welt. Ich weiß nicht, wo fossile Brennstoffe auf dieser Skala angesiedelt sind. Da ihm die Belastung durch Krankheiten bewusst ist, würde er nichts unlogisches tun.

Man muss einen gewissen Pragmatismus haben. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Man kann nicht alle Probleme der Welt lösen, daher muss man sich entscheiden, welche man lösen will.“

Nicht alle in Durban sind jedoch dieser Meinung. 15 Autominuten südlich stehen die riesigen Tanks und Abfackeltürme des größten petrochemischen Komplexes in Afrika. Hauptumschlagplätze sind Shell und BP South African Petroleum Refineries (SAPREF). Die Gates-Stiftung ist mit 372 Millionen US-Dollar an BP und 5,5 Millionen US-Dollar an Shell beteiligt.

Lokale Aktivisten fragen, ob es Zufall sein kann, dass das Krebsrisiko in diesem Teil der Stadt so hoch ist, dass es „Krebs-Tal“ genannt wird?

Eine wissenschaftliche Verbindung zu Krebs wurde nie nachgewiesen, obwohl eine Studie der Universität von KwaZulu-Natal aus dem Jahr 2007 ein erhöhtes Risiko für die Krankheit in bestimmten Gegenden feststellte.

Vergangene Woche patrouillierten hinter malerischen Palmen G4S-Sicherheitsleute am Eingang von Sapref, während Gärtner neben den Schlagbäumen den Rasen mähten. Ein aufblasbarer Torbogen mit dem Comic-Bild einer Schildkröte in einem blauen Overall verkündete: „It’s turnaround time. Let’s deliver it safely.“ („Es ist Zeit für eine Kehrtwende. Lasst uns sicher liefern.“) Im vergangenen Monat forderte die Explosion einer Kraftstoffleitung hier das Leben eines Arbeiters und verletzte zwei schwer — einer von vielen Unfällen im Lauf der Jahre.

In Riechweite der Raffinerie liegt der Vorort Isipingo Beach, wo die Witwe Zakiya Kikia-Khan unter Asthma leidet. „Mein Geruchssinn ist sehr schlecht, aber wenn Sapref abfackelt, spüre ich das in meiner Brust. Es ist sehr beängstigend: Ich fühle mich erstickt, es fühlt sich an, als ob meine Lungen keine Luft bekämen, ich fühle mich, als ob ich zu wenig Sauerstoff bekäme. Ich bekomme Panikattacken. Mein Mann ist letzten Juli gestorben nun fühle ich mich noch verletzlicher. Ich kann nicht um Hilfe rufen. Ich habe Angst, allein zu sterben.“

„Ich weiß, dass mein Asthma besser wäre, wenn ich dem nicht ausgesetzt wäre. An Tagen, an denen sie abfackeln, benutze ich meinen Inhalator öfter. Sie greifen uns nachts an: Meistens fackeln sie im Schutz der Dunkelheit ab. Da ist auch dieser Krach, fast wie Düsentriebwerke — er kommt aus dem Nichts und hört nicht mehr auf. Früher habe ich um 2:00 Uhr früh den PR-Verantwortlichen von Sapref angerufen und ihm gesagt ‘wenn ich nicht schlafen kann, warum sollten sie schlafen?’“

Kikia-Khan sagte, ihre Tochter Naadira, 18 Jahre alt, leide unter starken Allergien und habe schon zweimal ihre Nebenhöhlen operieren lassen. Die 51-jährige macht sich auch Sorgen über andere Kinder, die in der Gegend leben. Beim Besuch einer Schule in der Nähe von Sapref sei er als erstes aufgefallen „wie schwarz das Dach war. Wenn schon das Dach so schwarz ist, wie sehen dann die Lungen der Kinder aus? Welche künftigen Generationen ziehen wir groß?“

Auf die Frage nach der Gates-Stiftung und ihre Verbindungen zu Sapref antwortete Kikia-Khan: „In dem Maße wie Bill Gates ein Philanthrop ist, ist auch ein Geschäftsmann. Er ist ein kluger Anleger und Raffinerien verdienen Geld. Gerne würde ich ihm sagen ‚ihre Investition in Sapref macht all ihre guten Taten zunichte und bringt sie in Verbindung mit einem Unternehmen, das sich nicht kümmert.’“

„Bill Gates wirft mit Geld nach den Symptomen. Es macht keinen Sinn, ständig aufzuwischen, wenn man den tropfenden Wasserhahn nicht repariert. Ich wünschte, sie würden herkommen, und sehen was passiert. In dieser Gegend gibt es Gangster, Kriminalität, Arbeitslosigkeit — das ist sicherlich schon schlimm genug, ohne dass die Industrie es noch schlimmer macht.“

Ein Sprecher für Bill Gates’ Privatbüro sagte: „Bill und Melinda Gates schrieben in ihrem jüngsten Jahresbrief, dass ‘die langfristige Bedrohung [durch den Klimawandel] so ernst ist, dass die Welt aggressiver handeln muss — und zwar sofort — um Energiequellen zu entwickeln, die billiger sind, Nachfrage orientiert zur Verfügung stellen und kein Kohlendioxid emittieren.’ Bill Gates investiert privat viel Zeit und Ressourcen in dieses Thema und die erforderlichen bahnbrechenden Innovationen und wird weiterhin darüber reden. Wir respektieren das Engagement der Fürsprecher für Maßnahmen gegen den Klimawandel und erkennen an, dass es viele verschiedene Ansichten gibt, wie dieses Problem am besten angegangen werden sollte.“

Sapref hat auf Bitten um Stellungnahme nicht reagiert.

Im Vorort Merebank, wo die Farbe von den Wänden der Wohnblocks blättert, leben Lutchmee Perumar, 52, und ihr Mann Krish in Sichtweite von Sapref und einer Raffinerie, die Engen gehört. Eines ihrer vier Kinder hat chronische Schilddrüsenprobleme. „Es greift unsere Atmung an“, berichtet Perumar. „Wenn es regnet, ist der Geruch in der Luft sehr stark. Mein Mann hat Asthma, daher leidet er fürchterlich darunter.“

„Krebs ist in unserer Gemeinde weit verbreitet. Meine Mutter ist daran gestorben und bei meiner Schwester ist auch Krebs diagnostiziert worden. Auch Halbgeschwister von mir haben Krebs. Die Menschen sind frustriert, aber die Unternehmen denken, wir machen nur viel Lärm. Wir leben mittendrin, aber keiner hört zu.“

Auch sie verurteilt die Gates-Stiftung. „Sie sollten sich zurückziehen, denn diese Geldanlagen machen hier große Probleme… Es wäre wirklich gut, wenn Bill Gates selbst herkäme um zu sehen was mit den Leuten passiert ist.“

Die Settlers-Grundschule in Merebank liegt genau zwischen den Raffinerien von Sapref und Engen. Eine Studie aus dem Jahr 2002 stellte einen hohen Prozentsatz an Asthmaerkrankungen unter den Schülern fest. Der Rektor, Inthirin Naidoo, kam vor 17 Jahren hierher und sagt, Sapref sei bei weitem der hilfsbereitere Nachbar gewesen und habe beispielsweise eine Bücherei ausgestattet. Aber er meinte auch: „Als ich das erste Mal hierherkam, bekam ich eine Halsentzündung, die seither nie wieder weg ging. Zweifellos haben die Krankheiten der Kinder die husten wohl etwas mit der Verschmutzung zu tun.“

Lawrence Vartharajulu, 51, ein Lehrer an der Schule, merkte an: „Wenn sie die Kinder fragen, wie viele von ihnen Asthma haben, während sie erstaunt, wie viele von ihnen sagen, dass sie Asthmaspray haben. Viele Bewohner haben die Gegend schon wegen der Luftverschmutzung verlassen. Sie finden, dass man hier nicht leben kann“

Die Gegend ist besonders gefährdet. Die Abfackeltürme in den Raffinerien sollen wesentlich niedriger gebaut sein als die Industrienorm vorschreibt, um Flugzeuge vom Flughafen der Stadt nicht zu gefährden, der bis vor kurzem ganz in der Nähe lag. Der Süden Durbans liegt in einem Kessel, sodass eine Wolkendecke die Luftverschmutzung wie einen Deckel einschließt. Wind von der angrenzenden Küste ist ein weiterer Faktor, der zur Verschmutzung beiträgt.

Die Studie der Universität KwaZulu-Natal zeigte, dass Kinder mit bestehendem Asthma sehr stark beeinträchtigt wurden, wenn sie der Verschmutzung ausgesetzt waren, und mit mehr Symptomen und Verlust von Lungenfunktionen reagierten. Derzeit läuft eine weitere Studie, die untersucht, ob die Verschmutzung Asthma direkt auslöst.

Der wissenschaftliche Leiter Rajen Naidoo, Lehrbeauftragter für Arbeitsmedizin an der Universität, sagte: „Sapref reagiert sehr ablehnend auf die Studie. Statt das Problem als solches anzuerkennen haben sie versucht, den Bericht zu verhindern. Wenn Sie die Ergebnisse akzeptieren würden, könnte theoretisch eine juristische Verantwortung bestehen.“

„Die Gemeinden in Durban und auf der ganzen Welt haben gegen Shell protestiert und ich hätte vermutet, dass philanthropische Organisationen wie die Gates-Stiftung bei der Wahl, wo sie ihr Geld anlegen, vorsichtiger wären. Sie sollten ihr Geld von Sapref abziehen. Es ist eine Frage der Wahrnehmung in diesen Dingen und man möchte diese Organisationen doch als neutral betrachtet wissen.“

Der wahrscheinlich deutlichste Kritiker von Sapref ist Desmond D’Sa, 58, Koordinator der South Durban Community Environmental Alliance und Gewinner des letztjährigen Goldman-Umweltpreises. In seinem Büro hängt eine Landkarte mit Umweltverschmutzungen im Becken von Süd-Durban und ein Poster, auf dem steht: „People united will never be defeated by Shell!!!“ („Wenn die Menschen vereint sind, kann Shell sie niemals besiegen!!!“)

D’Sa beschreibt die über ein halbes Jahrhundert alte Sapref-Raffinerie als „wie ein rostiger Eimer“. Er erinnert sich an eine große Explosion 1998 — „das hat uns die Augen für die Gefahren geöffnet, in denen wir schweben“ — und nennt weitere Unfälle 2001 und 2006. Die Allianz nimmt Eimerproben, um die Chemikalien in der Luft zu messen, und verklagt die Raffinerie auf Herausgabe von Überwachungsdaten und Informationen über Lecks und Explosionen.

D’Sas Bruder Patrick starb mit 59 Jahren an Krebs und seine Enkelin hat Asthma. „Wir kämpfen jede Nacht. Sie kann manchmal kaum atmen und wir müssen sie schnell ins Krankenhaus bringen. Die Industrie hat jede Schuld von sich gewiesen.“

„Einerseits investiert [die Gates-Stiftung] in das Gesundheitswesen und sagt, sie wolle uns helfen, andererseits erzielt sie Gewinne aus einer Industrie, die uns tötet… Das Vermächtnis von Bill Gates könnte es sein, das Richtige getan zu haben, aber Geldanlagen in fossile Brennstoffe sind nun wirklich kein Vermächtnis. Sie zerstören Leben in Afrika.“

Editing: Yann Schreiber, Aus dem Englischen übersetzt von Heike Kurtz — VoxEurop

@hktranslate

--

--

Keep it in the Ground
Keep it in the Ground — The Guardian

Join the Guardian’s 2015 climate change campaign — and read our best stories on fossil fuel divestment, and now solar energy, in ten languages