Der Druck steigt. Eine unermüdliche Umweltbewegung erreicht große, noch nie dagewesene Siege in der ganzen Welt; Siege, die die etablierten Meinungen rasant verändern.

Bill McKibben

Montag 9. März 2015

In der großen Guardian-Serie zum Klimawandel beschreibt Bill McKibben, wie unermüdliche Umweltbewegungen es geschafft haben, dass das erste Mal seit 25 Jahren die öffentliche Meinung auf die Seite der Ablehnung von fossilen Brennstoffen fällt. Jedoch, argumentiert er, ist dieser Triumpf nicht sicher: Wir dürfen nicht ruhen, bis die Industrie dazu gezwungen wird, Kohle im Boden zu belassen.

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Das offizielle Bild: Alle Augen sind auf Paris gerichtet, wo Delegierte im Dezember zu einer Klimakonferenz zusammenkommen, die als das „wichtigste diplomatische Treffen überhaupt“ beschrieben wird; als „letzte Chance für die Menschheit.“ Die Staats- und Regierungschefs werden anreisen, angespannte Sitzungen werden hinter verschlossenen Türen stattfinden, Zeitungen werden berichten, dass der Abbruch kurz bevorsteht, und in der letzten Minute wird eine Art Einigung herauskommen, die als „Beginn seriösen Handelns“ gepriesen werden wird.

Die Wirklichkeit: Was in Paris passiert, wird bestenfalls ein kleiner Teil der Klima-Story sein; ein weiteres Gefecht auf dem langen, umkämpften Weg zur Klima-Vernunft. Was davor und danach geschieht wird wichtiger sein. Der Erfolg von Paris wird nicht vom Charakter unserer Politiker abhängen, sondern davon, wie sehr eine wiederauflebende Klimabewegung die fossile Brennstoffindustrie erweichen konnte, und wie viel Druck die Politiker verspüren, etwas zu Stande zu bringen.

Die gute Nachricht ist, dass der Druck wächst. Diese unermüdliche Klimabewegung beginnt nämlich, große, noch nie dagewesene Siege in der ganzen Welt zu erringen; Siege, die die etablierten Meinungen, wie schnell eine Zukunft mit erneuerbaren Energien Realität werden kann, rasant verändern — auch jene von Investoren. Es ist eine in den Straßen verankerte Bewegung, die nach den mit Photovoltaik ausgestatteten Dächern greift; und dessen Überlegung in einem einfachen Mantra zusammengefasst werden kann: Fossile Eiszeit, sonniges Tauwetter — lassen wir sie im Boden.

Der Triumpf ist nicht gewiss. Und große Verluste — wie die vermehrten Überflutungen, Dürreperioden und schmelzende Gletscher klar machen — sind garantiert. Zum ersten Mal in einem Vierteljahrhundert — seit globale Erwärmung ein wichtiges Thema wurde — wendet sich die öffentliche Meinung jedoch von Exxon, BP und anderen ab, und der bunt gemischten, weit verbreiteten antifossilen Brennstoffbewegung zu. Eine Bewegung, die von den dort lebenden Menschen, jungen Menschen, jenen Menschen, die die verschmutzte Luft tagtäglich einatmen, geleitet wird. Der Kampf wird nicht auf Paris warten. Der Kampf findet jeden Tag auf jedem Kontinent statt.

Zuerst die fossile Eiszeit

Am 24. Februar sprach Barack Obama sein Veto gegen Pläne des Kongresses, ihn zum Bau der Keystone Pipeline zu zwingen, aus. Die Pipeline hätte Rohöl aus Alberta in Canada zu den Raffinerien an der US Golfküste gebracht. Vor vier Jahren ergab eine Studie von Energie-Insidern in Washington, DC, dass 91% dachten, Transcanda (die kanadische Gesellschaft, die die Pipeline bauen will) würde schnell und ohne Probleme die Genehmigung für den Bau bekommen. Die Firma war so selbstsicher, dass sie den Streifen, der quer durch die Landesmitte aufgegraben werden würde, bereits niedermähten. Diese Arroganz ist einfach zu erklären: Kein Infrastrukturprojekt dieser Größenordnung wurde bisher gestoppt. Diese Arroganz kollidierte allerdings mit den unermüdlichen Gruppen amerikanischer Indianer, Bauern, sowie Klimaforschern und Wissenschaftlern, die in Rekordzahlen ins Gefängnis gingen, öffentliche Kommentare einreichten, und generell verweigert haben, ihren Widerstand aufzugeben.

Der Druck dieser Gruppen hat bereits neue, 17 Milliarden Dollar schwere kanadische Ölsand-Projekte gestoppt; ein weiteres großes Projekt wurde letztes Monat eingestellt. Die Ölindustrie übt weiterhin Druck aus, Keystone zu verwirklichen, und verspricht stetig besseren Umgang mit Kohle aus Kanada, wenn sie diese letzte Pipeline bauen darf. Diese Geschäfte in letzter Minute könnten die Ölsand-Projekte noch retten: Der Präsident hat bis jetzt nur abgelehnt, zu einer Entscheidung gezwungen zu werden, hat sich jedoch noch nicht zum Projekt an sich geäußert. Sollte Obama jedoch diesen Winter „Nein“ sagen, wäre dies ein Meilenstein.

In jedem Fall war der größere Effekt, Gegner von jeglichen CO2-intensiven Projekten zu ermutigen. Ölsand-Pipelines sind aufgrund von kanadischen Ureinwohner-Aktivisten hoffnungslos verheddert. Tapfere Organisatoren vor Ort im Bundesstaat New York haben den einflussreichen Gouverneur Andrew Cuomo dazu gebracht, Fracking zu verbieten. Dieses Verbot hat sich bis nach Schottland und Wales ausgebreitet — und weite Teile Englands stellen sich ebenfalls bereits quer. Fracking ist in Frankreich verboten, und auch Tasmanien hat ein Moratorium ausgesprochen. In der Sahara Algeriens führen Tausende einen unermüdlichen Kampf gegen die Technologie, deren Argumente zur Wasserverschwendung auch in Kalifornien ein Publikum finden. Dort ist Gouverneur Jerry Brown unter großem Druck, nicht zuletzt wegen der Rekorddürreperiode.

Öl und Gas — aber auch Kohle. Bauträger an der Westküste der USA haben vor zwei Jahren den Bau von sechs gigantischen Kohlehäfen vorgeschlagen. Amerika begann, seinen Verbrauch von Kohle zurückzufahren, also planten diese Unternehmer den Export des Powder River Basin, eine große Kohle-Reserve und der Standort der weltgrößten Kohlemine, nach China. Bis heute haben Aktivisten die Annullierung von vier dieser Häfen erzwungen — die anderen zwei stehen auf der Kippe.

In Australien, wo ebenfalls große Kohlevorkommen liegen, versinken Pläne für die weltgrößte Mine im Galilee-Becken, nachdem die Regierungspartei in Queensland massive Verluste in Umfragen hinnehmen musste, die die Regierungssubventionen für die Mine in Frage stellen. Dieser Kampf hat große internationale Verwicklungen: Die indischen Besitzer wollen die Kohle nach Indien liefern, wo die neue Regierung plant, den Kohleverbrauch zu verdoppeln. Neueste Berechnungen zeigen jedoch, dass der Subkontinent die meist verschmutzte Luft hat und einer von sechs Indern an den Folgen der Luftverschmutzung stirbt. Interner Widerstand gegen mehr Kohle wächst rasant — genau wie in China.

In Sompeta, in Andhra Pradesh, im Süden Indiens zum Beispiel, hat eine sechs Jahre dauernde Kampagne (in Zuge derer zwei Aktivisten durch Polizeifeuer gestorben sind) eine riesiges Kohlekraftwerk blockiert. Der Widerstand gegen fossile Brennstoffe, genauso wie gegen die fossile Brennstoffindustrie, ist vielgestaltig und breitet sich aus; und jeder Sieg hat jahrzehntelange Auswirkungen, weil lange Pipelines und Kohleminen für länger gebaut werden. Gewinne von 2015 beeinflussen 2055. Aus diesem Grund müssen vorausschauende Politiker fossile Brennstoffe jetzt stoppen. Ein Stück Papier, das erklärt, was in 20 Jahren passieren soll, ist für sie zwar einfacher zu verkaufen, die atmosphärische Chemie bleibt davon jedoch unbeeindruckt. Hillary Clinton zum Beispiel, sagt die richtigen Dinge über den Klimawandel, hat jedoch Keystone von Anfang an befürwortet — eine sinnlose Kombination.

Aufgrund von unfähigen Politikern gewinnt die Industrie immer noch einen guten Teil der Kämpfe. Die schnelle Ausbreitung von Fracking in Nord- und Süd- Dakota sowie Texas, hat die USA zum Beispiel vor Saudi Arabien und Russland als größten Produzenten von Öl und Gas platziert. Eine Pipeline nach der anderen könnte die Industrie so eventuell überwiegen.

Aus diesem Grund hat die Klimabewegung ihre normalerweise defensive Haltung zugunsten einer mehr offensiven Strategie aufgegeben, und versucht, Pipelines das Kapital zu entziehen, das die Industrie unterhält.

Die Kampagne, die Institutionen dazu zwingen soll, Anlagen in fossilen Brennstoffen zu verkaufen — die von einer Oxford-Studie als eine der am schnellsten wachsenden Divestment-Kampagnen überhaupt bezeichnet wurde — konnte wichtige Gewinne erreichen. Universitäten von Stanford bis Sydney haben begonnen, ihre Anleihen abzustoßen. Zuerst hat die Industrie Sorglosigkeit vorgetäuscht: „Jemand anderer wird die Anleihen kaufen“, sagten die Lobbyisten mit selbstsicherem Lächeln. Dummerchen.

Die Divestment-Bewegung dachte nie, sie könne kurzfristig BP in den Bankrott treiben. Stattdessen jedoch in intellektuellen, moralischen und politischen Bankrott. Aktivisten hatten Geschichten zu erzählen, unter anderem eine, basierend auf triftigen Berechnungen der Londoner „Carbon Tracker“ Initiative. Die Zahlen, basierend auf Finanzdeklarationen, Jahresberichten und anderen offiziellen Daten, zeigten, dass die fossile Brennstoff-Industrie in ihren bewiesenen Reserven vier Mal mehr Kohle hat, als Wissenschaftler glaubten verbrennen zu können und gleichzeitig unter 2°C Temperaturanstieg zu bleiben. (Gegeben dem Fall, dass 1°C die Arktis schmelzen ließ, ist 2°C ein Ziel für Narren — jedoch ist dies ein ebenso zutreffender Name für uns wie Homo sapiens.) Einmal die Zahlen im Gewissen verankert, konnte man nicht mehr über Shell denken wie vorher. Die Firmen hinter fossilen Brennstoffen (und die Länder — denken Sie an Kuweit — die wie Fossil-Energie Firmen arbeiten) sind Schurken. Wenn sie ihre angekündigten Businesspläne anwenden, zerstören sie diesen Planeten.

Die Mathematik ist so simpel und einfach, dass sie den Sieg schnell davongetragen hat. Was 2013 noch der Schlachtruf für ein paar Studentenkampagnen war, ist 2015 Allgemeinwissen: Es gibt eine „Karbon Blase“, bestehend aus Milliarden Dollar Kohle, Öl und Gas, die ganz einfach unter der Erde belassen werden müssen. Der Präsident der Weltbank sagte dazu in Davos: „Arbeiten wir klug und fleißig. Überdenken wir treuhänderische Verantwortung in einer sich verändernden Welt. Es ist einfaches Eigeninteresse. Jede Firma, jeder Investor und jede Bank, die neue Investitionen auf Klimarisiken untersucht ist ganz einfach pragmatisch.“ Die Radikalen der HSBC, während sie Steuern für die Superreichen verschwinden ließen, haben es ausgerechnet: Würden wir wirklich versuchen, das 2°C-Ziel einzuhalten, würde der Wert der fossilen Treibstoff-Industrie um die Hälfte fallen.

Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, hat versucht, diese nicht-willkommenen Nachrichten der Industrie bei einer Konferenz letzten Oktober zu erklären: Der „große Teil“ der Kohlereserven des Planeten sind „nicht nutzbar“, sagte er. Als der CEO von Shell letzten Monat zum Gegenschlag ausholte und einen schnellen Umstieg weg von fossilen Brennstoffen als „einfach naiv“ bezeichnete, hat ihn der Tory-Veteran und Vorsitzende des parlamentarischen Komitees für Energie, Tim Yeo, angegriffen: „Ich glaube, dass das Problem der gestrandeten Investitionen ein wirkliches Problem ist. Investoren beginnen zu glauben, 2030 werde die Welt derart in Klima-Panik sein, dass es aufgrund von Gesetzen oder Preisen sehr schwer sein wird, fossile Brennstoffe wie heute zu verbrennen.“

Was wir hier erleben, ist eine radikale Veränderung, die vor unseren Augen stattfindet, während das Vertrauen in die alte Ordnung beginnt zusammenzufallen. Letzten September haben Mitglieder der Familie Rockefeller — der ersten Familie in fossilen Brennstoffen — angekündigt, aus „moralischen und wirtschaftlichen Gründen“ ihre philanthropischen Investitionen von Kohle, Öl und Gas abzustoßen. Der Vorsitzende des Rockefeller Fonds sagte dazu: „Wir sind zutiefst überzeugt, dass John D. Rockefeller, würde er heute noch leben, als scharfsinniger, in die Zukunft blickender Businessmann, aus fossilen Brennstoffen aussteigen und in saubere, erneuerbare Energien investieren würde.“ Das ist in etwa dasselbe, als wenn der Papst an seinem Fenster im Vatikan in einer safrangelben Robe erscheinen und der Menschenmenge mitteilen würde, er sei nun Anhänger der Hare-Krishna-Bewegung; oder Richard Dawkins, der in Lourdes im Badeanzug erscheint.

Die Industrie der fossilen Brennstoffe, die das erste Mal in 300 Jahren einer seriösen Herausforderung gegenüber steht, hat versucht so zu tun, als ob nichts wäre. Sie ist nur ein oder zwei Jahre von Rekordgewinnen entfernt, und sie produziert immer noch interne Vorhersagen, dass die Welt für Jahrzehnte bei fossilen Energien bleiben wird. (Diese Vorhersagen haben Shell und BP und andere dazu gebracht, ihre kleinen Abteilungen für erneuerbare Energien aufzulassen und Kohlewasserstoff zu vernachlässigen.) Exxen zum Beispiel argumentiert, dass Divestment-Aktivisten Wirrköpfe sind, da die „Vorhersagen der Firma andeuten, dass Wind-, Sonnen- und Geothermalenergie nicht mehr als 4% des globalen Energieangebots 2040 ausmachen wird.“ Shell war noch direkter: „Wir glauben nicht, dass unsere bewiesenen Reserven stranden werden.“

Immer mehr fallen diese Firmen auf Werbung und Pressearbeit zurück. Manche Firmen finanzieren den „Werbe-Guru“ Rick Berman, der einst für die Tabakindustrie arbeitete und in einer im Geheimen aufgezeichneten Besprechung der Industrie versprochen hat, „unendlichen Krieg“ gegen Umweltaktivisten zu führen. Ihre große Offensive war jedoch ein Reinfall und bestand großteils darin, den Grünen beizubringen, dass man „fossile Brennstoffe nicht über Nacht ausschalten kann.“ Ein Höhepunkt einer dieser Kampagnen: Ein von Berman produzierter einminütiger Zeichentrickfilm zum Anlass des weltweiten Divestment-Tages über einen Burschen, dessen Freundin ein Fass Öl war, bis seine Umwelt-Freunde ihn dazu überredeten, Schluss zu machen. Daraufhin konnte er sein Handy nicht mehr benutzen, nichts mehr essen, und auch sonst nicht mehr viel machen. (Mein Kopf kommt darin, ohne Körper, als Dämon vor.)

Niemand glaubt natürlich, dass wir über Nacht von fossilen Brennstoffen wegkommen — mehrere hundert Jahre Infrastruktur sorgen dafür, dass es eine Weile dauern wird. Das Argument der Industrie, wenn es wahr ist, ist ein sehr gutes. Selbst konfrontiert mit der rasantesten Erderwärmung werden wir nicht aufhören, Energie zu nutzen. Angesicht dieses Faktes erscheint eine fossile Eiszeit wie leeres Getue.

Hier kommt das sonnige Tauwetter, wie wir es nennen, ins Spiel. Die Industrie wird immer weiter abgekappt. Monat für Monat behindern Aktivisten ihre Expansion und beschädigen ihr Image. Monat für Monat zerlegen Ingenieure ihre Argumentation. Der Preis für Sonnenkollektoren ist in den letzten sechs Jahren um 75% gesunken; heute fallen die Kosten für die Installation genauso schnell –die Deutsche Bank schätzt, dass diese in den nächsten zwei Jahren um 40% billiger sein wird.

Exxon, in deren „Outlook for Energy: A View to 2040“ Bericht, glaubt wirklich, dass Wind und Sonne 2040 4% der weltweiten Energie ausmachen werden? Die Dänen bezogen 40% ihres Stroms letztes Jahr aus Windturbinen, und, so traurig es für die Industrie auch sein mag, hat Dänemark kein Monopol auf Wind. Es gab im letzten Sommer Tage, an denen Deutschland 80% seiner Elektrizität von Solarkollektoren bekam — dabei bekommt Deutschland durchschnittlich soviel Sonnenschein wie Alaska. Die größten Gewinne werden dort erzielt werden, wo Energie am meisten gebraucht wird: in den sonnenreichen Tropen. Ich sah die Installation der ersten Solarkollektoren in Bangladesch — in den späten 1990er-Jahren, ein einzelnes Panel am Dach eines Schulgebäudes in einem Dorf. Heute hat Bangladesch 10 Millionen Sonnensegel, und 60.000 Häuser gehen jedes Jahr neu ans Netz. Das Land will bis 2020 komplett abgedeckt sein. Als die indische Stadt Aandhra Pradesh neue Energielieferungen ausgeschrieben hat, gewann eine Firma mit einer Solaranlage. Das Gebot war zwei Cent pro Kilowattstunde billiger als der Import von Kohle.

Die Erosion passiert an beiden Enden der technologischen Skala: Indische Bauern versorgen ihre Mobiltelefone mit zusätzlichem Strom aus Sonnenenergie, die die Mobilfunkmasten an sich versorgt. Apple baut gigantische Datenzentren in Kalifornien, Dänemark und Irland, die zu 100% mit erneuerbaren Energien funktionieren. Investoren bemerken, wo Wachstum entstehen wird: Tesla baute 2.500 Autos pro Monat letztes Jahr und ist heute halb so viel Wert wie General Motors, die 300 Mal so viel produzieren. Elektroautos werden immer häufiger, und die Nachfrage für Öl wird immer geringer werden; dazu wird es immer mehr zweiachsige Batterien auf unseren Straßen geben.

Keine der Probleme, die die Akteure der fossilen Brennstoffe den erneuerbaren Energien prophezeien scheinen maßgebend. Klar geht die Sonne am Abend unter — aber um die Zeit wird auch meistens der Wind stärker. Wir lernen, Strom auf viele verschiedene Arten zu speichern: Eine Auktion für erneuerbare Energien in Kalifornien wurde von einer Firma gewonnen, die überschüssige Sonnenenergie dazu verwendet, Eis zu frieren, das untertags schmilzt um Strom herzustellen. Die intelligenten Stromzähler, die in der ganzen Welt ans Netz gehen, erlauben es mit Nachfrage zu spielen: So kann zum Beispiel der Boiler ausgeschaltet werden, wenn Sie ihn nicht brauchen. Schlaue Firmen haben entweder die Zukunft vorhergesehen, oder ihre Lektion gelernt: E.ON, Deutschlands größter Versorger, hat letztes Jahr bekannt gegeben, sich nun auf Wind und Sonne zu konzentrieren. „Wir sind die ersten, die resolut den Schluss aus dem Wandel in der Energiewelt ziehen“, sagte E.ON CEO Johannes Teyssen in Düsseldorf. „Wir sind davon überzeugt, dass Energiegesellschaften sich auf eine der beiden Energiewelten konzentrieren müssen, um erfolgreich zu sein.“

Die meisten Versorger sind natürlich nicht so vorausschauend. In den USA zum Beispiel, gehen viele mit der Gefahr, die Sonnentechnologie für sie bedeutet, um, indem sie es für Kunden unheimlich kostspielig machen, Kollektoren zu installieren. Diese Strategie wurde unter anderem von den Koch-Brüdern aufgegriffen. Der Widerstand kommt nicht nur von den Umweltschützern, sondern auch von Tea Party Konservativen: Eine „Great Tea“ Koalition hatte selbst in den südlichsten Bastionen wie Georgia Erfolg. Debbie Dooley, Tea Party Gründungsmitglied, sagt: „Das ist die Freiheit zu wählen, und seine eigene Elektrizität herzustellen.“

Studien zeigen, dass selbst Menschen, die den Klimawandel bezweifeln, instinktiv das Vergnügen verstehen, ihr eigenes Energie-Schicksal zu kontrollieren. Selbst große Teile der Arbeiterbewegung beginnen, den Reiz von erneuerbarer Energie zu verstehen, wo Arbeitsplätze viel schneller wachsen als durchschnittlich (und wo die Profite nicht im Endeffekt deren schlimmste Feinde, wie die Koch-Brüder, finanzieren).

Die beste Nachricht ist natürlich, dass erneuerbare Energien am meisten Sinn in Entwicklungsländern machen: Viele Länder sind bereit, Kohle ebenso wie die Entwicklung der Telekommunikation bis zum Handy zu überspringen. Damit das passiert brauchen sie Geld, weshalb die wichtigsten Entscheidungen in Paris die Finanzierung von armen Ländern betreffen werden; aber zumindest die wichtigste Zutat gibt es dort schon: Sonne.

Das Rennen ist endlich voll im Gange. Es gibt drei Teams. Team eins, in Grün: Klima-Aktivisten und Sonnenenergieingenieure, gemeinsam, zwar lückenhaft, aber siegreich. Team zwei, in Rot, während der Preis für Öl fällt: die fossile Brennstoff-Industrie. Zwar mit großem Vorsprung, aber auch mit ordentlich Fett um die Hüften, wird Team zwei schnell müde. Das dritte Team? Das ist die Physik, der mysteriöseste Teilnehmer, aber auch der wichtigste. Bis jetzt, so die Physik, war ein Grad Erwärmung im Jahr genug, um große Teile des Eis in der Arktis zu schmelzen. Letztes Jahr beförderte die Hitzewelle in Kalifornien 63 Billionen Gallonen an Grundwasser an die Oberfläche, wodurch die Berge im Bundesstaat etwa 1,5 cm in die Höhe wuchsen. Das schwere Grundwasser sorgte für Unterdruck; als das Wasser während der Hitzewelle verdampfte, richtete sich die Erdkruste wieder gerade. Die Meeresspiegel steigen unerbittlich an und machen aus jedem Sturm und aus jeder Flut eine Gefahr. Es passiert schneller und angsteinflößender als wir vor einem Vierteljahrhundert gedacht haben, also ich das erste Buch für eine breite Öffentlichkeit darüber schrieb.

Hätten wir vor 25 Jahren gehandelt, würde die Physik heute in unsere Richtung arbeiten. Wir hätten aus einem Gedanken der Gerechtigkeit handeln können: Die grundlegende Ungerechtigkeit des Klimawandels, dass jene, die am wenigsten dazu beitragen am meisten darunter leiden, war von Anfang an klar. Oder wir hätten ganz einfach logisch handeln können: Jeder Wirtschaftswissenschaftler, ob links, rechts oder im Zentrum, hat vor einer Generation gesagt, dass die wirtschaftlichen Probleme, die wir schaffen, bei weitem mehr kosten, als diese zu verhindern.

Aber dieser Kampf — und es brauchte Zeit, bis ich dies erkannte — war niemals dafür gedacht, durch Gerechtigkeit oder Logik gelöst zu werden. Wir haben die Argumentation gewonnen, aber das war egal: Wie jeder Kampf ging und geht es um Macht. Die reichste Industrie in der Geschichte der Menschheit will ihren derzeitigen Weg noch ein paar Jahre beschreiten, selbst wenn das den gesamten Planeten über die Klippe stürzt. (Nicht zu vergessen, dass diese Industrie, nachdem sie zugesehen hat wie die Arktis schmilzt, sofort in den neuen offenen Gewässern für mehr Öl bohrte.) Die Macht, das ist Geld und politischer Gutwillen, den man damit kaufen kann; unsere Macht liegt in der Gründung von Bewegungen, und der politischen Angst, die diese schaffen können. Sie wissen, dass sie in einer schwierigen Situation sind, also geben sie wie verrückt Geld aus (die Koch-Brüder haben gerade angekündigt, zu zweit 900 Millionen Dollar –mehr als Republikaner oder Demokraten ausgeben werden — in die nächste US-Wahl zu stecken). Wir müssen daher wie verrückt organisieren.

Und wenn wir das machen haben wir eine Chance. Der Klimagipfel von Kopenhagen war ein Fiasko, aber nicht, weil die Wissenschaft nicht eindeutig genug war. Auch 2009 kam die Welt gerade aus einem rekordheißen Jahr. Kopenhagen war ein Fiasko, weil Umweltaktivisten die Hoffnung hatten, dass unsere Politiker das Richtige machen würden. Diesmal nicht — wir werden so hart wie möglich kämpfen. Wenn wir das machen, dann werden gute Dinge passieren. Vor Paris, nach Paris, und für die nächsten Jahre. Unsere Aufgabe ist hart, aber unheimlich simpel: Die Kohle in der Erde zu halten.

Deutsche Übersetzung von Yann Schreiber — VoxEurop (@YannSchreiber)

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