Demokratie und Klimaschutz.

Allein die demokratischen Institutionen machen es möglich Klimaschutz schnell und nachhaltig zu gestalten. Man muss es nur richtig anstoßen.

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Als ich vor 15 Jahren nach Deutschland kam, war wie erwartet Vieles ziemlich neu, wenn nicht sogar grundlegend anders. Darunter fielen auch eine Reihe von Begrifflichkeiten. Einer der Auffälligsten davon wurde die “Demokratie”, genau genommen in welchem Kontext diese zum Einsatz kam. Demokratie würde “gefährdet” und müsste “verteidigt” und “gefördert” werden. Also ist sie weniger eine Staatsform, sondern eine Art Projektion einer perfekten Welt, bei der ich mich ehrlich gesagt immer noch nicht zu 100% zurecht finde.

Russland hat da bekanntlich Defizite und man sieht dadurch vermutlich die Demokratie viel konkreter. Es geht im Grunde um Folgendes:

1. Das Wahlrecht — jeder darf wählen und vor allem sich zur Wahl stellen

2. Die unabhängige Justiz, die in der Lage ist, das Recht durchzusetzen

Deutschland hat im Großen und Ganzen kein Problem mit diesen Punkten. Auch wenn die Justiz chronisch unterfinanziert ist und in Sachsen man gerade versucht der AfD das mit dem “Gewähltwerden” schwer zu machen.

In Russland ist das Beides eine reine Augenwischerei. Genau wie der Klimaschutz in Deutschland der letzten fünf Jahre war. In beiden Fällen versuchen die Eliten mit allen Mitteln zu vermeiden, dass der aktuelle Status Quo gefährdet wird. Das versuchen Aktivisten zu überwinden und scheinen dabei auch mit dem gleichen Problem zu kämpfen zu haben — es ist noch lange keine kritische Masse des substanziellen Unmuts bei der breiten Bevölkerung erreicht.

Die Trägheit der Menschen führt bei den deutschen Klimaaktivisten zunehmend zum Verzweifeln an der Demokratie. Die Demokratie als Projektion von der perfekten Welt erwies sich plötzlich als ambivalent. Das mag sein, aber sicherlich nicht in diesem konkreten Fall. Um das zu zeigen, reicht ein Vergleich mit der Situation, mit der die russische außerparlamentarische Opposition zu kämpfen hat:

1. Demokratie gewährt weiterhin das Vorhandensein von unabhängigen Institutionen und Denkfabriken, die ihre Expertise über den Stand des Klimas öffentlich und transparent anbieten können. Die russische Opposition muss sich aktuell selbst darum kümmern.
2. Demokratie gewährt das Recht auf die Versammlungsfreiheit. Und das allein machte es mit #FridaysForFuture möglich die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf das komplett verfehlte Klimaziel zu wecken. Das was mit den Demos in Russland passiert, hat jeder schon mal gesehen. Und Wecken tut das fast nur das Interesse der ausländischen Presse.
3. Demokratie macht einen Volksentscheid möglich und gibt damit einen Weg frei — den Auftrag an die Politik direkt zu kommunizieren, ohne dass die Parteien das mühselig unter sich aushandeln müssen. Auch wenn es in Deutschland bundesweit nicht möglich ist, kann jedes einzelne Bundesland das für sich tun. Dass das nur per Volksaufstand in Russland möglich ist, spricht glaube ich auch für Demokratie.

Dank der Demokratie ist man schon ziemlich weit gekommen. Es besteht eine für alle offensichtliche Unterstützung der Klimaziele von der Experten Community. Durch die regelmäßigen Demos sind dauerhafte Strukturen vor Ort entstanden, die die Organisationsarbeit möglich machen. Was offen bleibt ist bis dahin den unmündigen Bürger in die Verantwortung zu nehmen und dazu zu bringen, dass er eine Position bezieht. Mittel der Wahl wäre in jedem Bundesland einen Volksentscheid über den“Klimanotstand” aufzurufen.

Die vorhandenen Strukturen könnten in Zusammenarbeit mit Experten eine Liste von Forderungen, die für das jeweilige Bundesland Sinn macht, ausarbeiten und mit gleichen Strukturen für diese Forderungen bei der breiten Bevölkerung werben. O.k., das Fliegen lässt man da vermutlich erstmal außen vor, aber in Agrar-, Bau- und Verkehrspolitik kann man auch vor Ort einen Unterschied machen.

Funktionieren tut das Alles ohne Polizeigewalt und Haftanstalt, mit dem Zugang zu allen relevanten Medienkanälen und mit der Zuversicht, dass Familie und Freunde dafür nicht als Geisel genommen werden. Ist die Demokratie nicht wunderbar?