Besucherlenkung für 18 Millionen User — Geht das überhaupt?

Maximilian Seidl
Komoot
Published in
5 min readApr 14, 2021

Kaum ein Begriff ist in den letzten Jahren so sehr negativ behaftet worden wie der des Hotspots. War er früher noch das Tor hinaus in die weite Welt des world wide web, so ist er heute das Schreckensgespenst der Virologen und der Touristiker.

Der Hotspot ist im touristischen Kontext Ausdruck für den überbordenden Andrang bei lokalen Sehenswürdigkeiten, an touristisch interessanten Orten oder gar ganzer Gemeinden und Gegenden. Häufig tritt der Begriff im gleichen Atemzug mit “overtourism” auf, also dem sprichwörtlichen Ausverkauf der Region.

Was für viele Regionen ein weit hergeholtes und oft vorschnell strapaziertes Argument von Tourismuskritikern darstellt, ist in mancher Alpenregion oder in der Nähe großer Ballungsräume bereits Realität. Damit einher gehen viele Probleme, wie eine Überlastung der Infrastruktur, negative Auswirkung auf Flora und Fauna und nicht zuletzt am Erlebnis des einzelnen Gastes, der durch Instagram und Co. ein oftmals anderes Bild im Kopf hat, als er vorfindet. Die bekanntesten Beispiele stellen wohl der Strand auf der Inselgruppe Ko Phi Phi Don, besser bekannt als der “The Beach” Strand und der Markusplatz an einem sonnigen Sommertag in Venedig dar.

Vielfach sind diese Probleme Produkte einer aus dem Ruder gelaufenen Viralität befeuert durch die neuen Medien, oftmals aber auch die zu sehr fokussierte Bewerbung einzelner Highlights.

Automatisierte Tourenvorschläge — Lösung oder Problem

Die automatisch generierten Tourenvorschläge von komoot können in diesem Zusammenhang Fluch und Segen zugleich sein.

Vereinfacht formuliert sieht sich unser Algorithmus an, wo die meisten User unterwegs sind, welche Highlights (z.B. Aussichtspunkte, Einkehrmöglichkeiten, Gipfel, Trails etc.) die User am besten bewertet haben und fügt diese anschließend zu sogenannten Smart-Tours zusammen. Diese Smart-Tours, also die Schnittmenge aus den besten Touren, wird dann wiederum an weitere User empfohlen und diese können sich gleich anhand der zahlreichen Highlight-Bilder ansehen, was sie erwartet und die Tipps anderer User sehen. Dadurch können unsere Smart Tours durchaus als von der Schwarmintelligenz kuratiert bezeichnet werden.

Im Gegensatz dazu können mit den Sponsored Collections die Touren der Tourismusregionen gebündelt dargestellt werden. Diese werden mit fix definierten GPS Daten hinterlegt, mit Bildern ausgeschmückt und um Highlights etc. bereichert. Damit sind die Touren vom Tourismus kuratiert.

Die Tourenvorschläge, auch Smart Tours genannt, sind aus vielen User generierten Touren zusammengesetzte Tourenvorschläge, geordnet nach Ihrer Beliebtheit.

Aus vielen Nutzerbefragungen wissen wir, dass die komoot User vielfach den vom Tourismus vorgeschlagenen Content konsumieren, weil hier zusätzlich zur Tour eine ausführliche Beschreibung und Story mitgeliefert wird. Am Beispiel Kitzbüheler Alpen haben wir eindeutig gesehen, wie die vom Tourismus beworbenen Touren Einfluss auf die smarten Touren nehmen können. Durch die aktive Kommunikation bestimmter Bike-Wege, glichen sich die smarten Touren immer mehr den vom Tourismus forcierten Touren an. Die Empfehlung der Experten hat also durchaus einen Einfluss auf den Schwarm.

Daher ist es aus Sicht von Tourismusregionen sinnvoll, zum einen seine “Best of Touren” in Form kuratierter Collections auf komoot zu präsentieren, zum anderen aber auch die “hidden gems” in Collections zu verpacken.

Sponsored Collections entzerren effektiv

Das Prinzip, beliebte Ziele und Wegstücke zu einer intelligenten Tour zusammenzufügen hat sich vielfach bewährt und hilft mittlerweile über 18 Mio. Usern beim Finden Ihrer Outdoor Abenteuer. Manchmal kann eine sehr beliebte Route aber auch unerwünscht sein, sei es, weil sich Nutzungsrechte eines Weges geändert haben oder weil bereits sehr viele Menschen darauf unterwegs sind. Daher kann es nützlich sein, frühzeitig Alternativen anzubieten und dem Nutzer, z.B. via Sponsored Collections, schmackhaft zu machen. Mit einer solchen Maßnahme können zweierlei Dinge gelingen: User, die sich die Collection ansehen, nutzen bei ihrem nächsten Ausflug/Urlaub das Angebot und tragen damit zur aktiven Entzerrung bei. Gleichzeitig steigert die Nutzung der Alternativen die Relevanz der selbigen, wodurch deren Ranking bei den Smart Tours steigt. Somit erziele ich potentiell in erster- wie auch in zweiter Runde einen positiven Effekt.

Die Stadt Aachen verwendet die Sponsored Collections um Bikern gute Tipps zu geben und gleichzeitig die User effektiv zu entzerren. https://www.komoot.de/collection/1082938

Das konnten wir am Beispiel Teneriffa sehr schön beobachten. Im Auftrag der Tourismusorganisation erstellten wir eine Sponsored Collection mit 10 Wanderungen, verteilt auf die ganze Insel. Mittlerweile sind die Touren der Collection überwiegend in die Smart Tours übergegangen und somit der gewünschte Lenkungseffekt erreicht worden.

Teneriffa setzt auf Sponsored Collections um den Gästen auf der Insel unterschiedliche Wanderungen zu zeigen, um Hotspots zu verweiden. https://www.komoot.de/collection/714/die-schoensten-wanderabenteuer-auf-teneriffa

Gerade der Erstrundeneffekt lässt sich sehr einfach testen und umsetzen.

Testen Sie unseren Lösungsansatz

Man stelle sich eine Ausflugsregion vor, die bereits mit Bangen auf das kommende Wochenende blickt. Die Wetteraussichten sind blendend, die Ferien haben begonnen und die Ausflügler der nahegelegenen Großstadt haben die Bergschuhe schon auf Hochglanz poliert. Der Freitag naht und die Blechlawine setzt sich in Bewegung — das Ziel ist der Wanderparkplatz, zu dem alle wollen, weil er den besten Aufstieg zu dem Gipfel ermöglicht, auf den auch alle wollen. Mit diesem Wissen gibt es nun zweierlei Arten das nahende Problem zu “lösen”, bzw. zu lindern.

1. Die Polizei regelt den Verkehr, Falschparker werden abgeschleppt und beim Erreichen einer kritischen Masse wird die Zufahrt abgeriegelt und alle Nachfolgenden wieder nach Hause geschickt.

2. Der Touristiker geht auf die Suche nach ein paar alternativen Bergtouren, mit anderen Parkplätzen und anderen Zufahrtsstraßen. Er erstellt eine Sponsored Collection, markiert die Parkplätze, fügt ansprechende Bilder ein und weist auf die Highlights der jeweiligen Touren hin. Dann nimmt er ein paar Euro in die Hand und bewirbt genau diese Collection in genau der Großstadt bei genau den Wander-Enthusiasten. In seiner Auswertung sieht er gleich, wie viele User sich die Tour speichern, das hilft Ihm schon einmal zu antizipieren, wie viele Nutzer auf den Alternativrouten sein werden. Am Sonntag Abend, wenn die Blechlawine wieder nach Hause rollt und alle Blasenpflaster in Position sind, kann Bilanz gezogen werden. Wenn das Experiment erfolgreich ist, dann verteilen sich nach und nach die Wanderer auf verschiedene Berge, andere Parkplätze und weitere Zufahrtswege. Dabei steigen die alternativen Wege im Ranking der Smart Tours und der Fluch der sich manifestierenden Hotspots kann gebrochen werden.

Natürlich ist das ein sehr überzeichnetes Gedankenspiel, aber die Wahrheit liegt bestimmt irgendwo in der Mitte. Wir freuen uns auf die gemeinsame Umsetzung — auf dass der Hotspot bald wieder Freiheit statt Frust bringt.

Wenn du Fragen oder Anregungen diesbezüglich hast, dann komm gerne auf uns via partner@komoot.de zu.

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