Warum widmet sich Krautreporter nicht alle sechs Monate einer handvoll wichtiger Themen und ignoriert den Rest?

Rico Grimm
2 min readFeb 6, 2019

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Das wurde ich drüben bei Piqd gefragt.

Ich antworte mal von allgemein zu konkret gehend. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, die tatsächlich gerade im Fall von investigativen Sachen etwas verändern kann. Aber der Impact ist die eine Sache, drei andere Fragen sind Community, Finanzierung, Manpower.

1. Community — Die muss vorhanden sein, es muss einen Gesprächskanal geben und Wege, die Wünsche klar zu artikulieren. Hier aber beginnt schon die Frage: Bestimmten Gruppen sind bestimmte Themen viel wichtiger als andere. Das ist gut so und nützlich für unsere Arbeit als Journalisten. Aber wie stellt ein Medium dann sicher, nicht an den Bedürfnissen von 80, 90 Prozent der Leser vorbeizuschreiben? Das Problem entsteht, weil es immer Community-Mitglieder gibt, die aktiver sind als andere. Das ist keine theoretische Frage, denn daran hängt die -> Finanzierung. Unsere Lösung bisher: Unsere Reporter haben feste Themen (Gesundheit, Bildung, Ostdeutschland,….), die gerade eng genug gefasst sind, um eine Identität zu schaffen, aber breit genug, um nicht komplett in Nischeninteressen zu versanden.

2. Finanzierung — Wie finanziert sich ein Medium, das jedes halbe Jahr komplett seine Themen wechselt (und damit potentiell auch die Zielgruppen)? Mitgliedschaften sind da schwierig, weil das Versprechen sehr abstrakt ist, dass man machen kann. Die Identität des Mediums wird unscharf. Denn was habe ich als Klimakrisen-Interessierter davon, wenn sechs Monate darüber berichtet wird, aber dann für zwei Jahre Funkstille ist, weil andere Themen nach oben kommen? Zahle ich dann weiter? Unsere Lösung: Unsere Reporter haben zu ihren Oberthemen Unterthemen, die jahrelang eine Rolle spielen, die werden zusammengefasst in Zusammenhängen.

Vier Beispiele:

3. Manpower — von außen schwer einzuschätzender Punkt. Aber nicht jede Redaktion kann zu jedem Thema auf dem gleichen Niveau arbeiten, weil die Interessen und Fähigkeiten der Reporter unterschiedlich sind. Was macht eine Redaktion, die das Thema Cum-Ex zugeteilt bekommt, aber niemanden hat, der genug über investigative Recherche und das Finanzsystem weiß (und auch keine Informanten da hat!), um dazu aus dem Stand gute Sachen zu machen? Unsere Lösung: Reporter schreiben darüber, wovon sie Ahnung haben, und wofür sie sich auch interessieren, wofür sie eine Leidenschaft haben. Das spiegelt sich auch in ihren jeweiligen “Mission Statements”. Diese Mission Statements können sich ändern!

Kurzum: Krautreporter kann es nicht so machen, wie Frederik es skizziert hat und ich bezweifele, dass es irgendeine andere mitgliederfinanzierte Organisation kann. Bei spendenfinanzierten Organisationen ist das eine völlig andere Geschichte.

Aber: Zum Beispiel mein Zusammenhang “Politische Veränderung” ist vor drei Jahren aus einer Leserfrage entstanden, über die 1000+ Leute abgestimmt hatten. Inzwischen 17 Artikel beantworten die Frage, die damals gestellt wurde (“Wie geht politische Veränderung?”)

Das heißt: Die Idee gemeinsam mit dem Publikum dauerhaft an Themen dranzubleiben, die ihm wichtig sind, ist der integrale Bestandteil unserer redaktionellen Arbeit. Aber die Themen rotieren eben nicht ständig und zwingend alle sechs Monate.

Ich freue mich über eure Gedanken, hier in den Kommentaren. Gerne per Mail: rico@krautreporter.de

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Rico Grimm

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