Warum auch du dich für Klassik begeistern kannst

Marie Fetzer
Krautreporter Blog
Published in
5 min readOct 16, 2019
© Links: Mondadori Portfolio | Rechts: Annie Spratt

Es gibt Dinge, die hab ich noch nie verstanden: Schwarze Löcher, Polynomdivision … vor allem aber: klassische Musik. Da sitzen alte Männer bei Kerzenschein am Klavier und hämmern auf die Tasten. Wenn sich jemand mit wehendem Haar ganz Beethovens Mondscheinsonate hingibt, passiert in mir ehrlich gesagt: nichts, also so gar nichts. Bin ich einfach nur zu doof dafür? Oder kann man Klassik lernen?

Kann man! Das Gefühl gibt uns zumindest Klassikliebhaber Gabriel Yoran aus unserer Redaktion. Gabriel ist als Sohn zweier Profi-Musiker aufgewachsen, großer Startvorteil für ihn, fair enough. Haben wir anderen jetzt den Anschluss verpasst? Die schlechte Nachricht: bisher ja. Die gute Nachricht: Die Züge fahren kontinuierlich, wir können immer noch einsteigen — wenn wir wollen.

Wie das geht? Gabriel nimmt in seiner 10-teiligen Klassik-Serie die Blackbox Klassik auseinander. Das Resultat: Menschen, die sich auf Spotify auf einmal durch Klassik-Playlisten klicken statt durch den üblichen Release-Radar. Diesen Montag ist die letzte Folge seiner Serie erschienen. Als kleine Würdigung und großes Dankeschön geben wir euch jetzt alle Folgen für 3 Tage frei, so dass auch Nicht-Mitglieder sie lesen können.

Erster Satz, lento: Es geht langsam los, zuerst beschreibt Gabriel seine eigene Geschichte: Wie er sich erst von der klassischen Musik abwand, nur um dann später wieder zu ihr zu finden — dank des Internets.

Da unser Leben meist nicht lento ist, schnell: accelerando (das heißt schneller werdend im schlauen Musikjargon). Es folgt ein Text für alle, die nur einen schnellen (so ganz alegretto) Überblick bekommen wollen. Was muss man über Klassik wissen — und was nicht?

Nach Theorie, folgt Praxis: In seinem dritten Artikel könnt ihr euch selbst durchhören. Gabriel verteilt dabei Leitern, damit ihr leichter den Zugang zum Gehörten findet. Die haben die Form von Metaphern und klingen etwa so: „Verkorkste Kindheit mit Mahler.“

Angenommen, euch hat inzwischen die Lust an der Klassik gepackt. Um ein Zeichen zu setzen, wollt ihr eure alten Rock-Playlists am liebsten löschen. So weit muss es nicht kommen. Auch die Klassik ist im Internet angekommen. Ja, auch auf Spotify. Gabriel leitet euch durch den Dschungel des Klassik-Contents und empfiehlt euch: richtig gutes Zeug.

Klassik ist also offiziell im Heute angekommen. Viele Künstler:innen interpretieren sie neu und zeigen, wie vielfältig sie sein kann. Deshalb kann Gabriel mit dem Satz: „Ich mag keine Klassik“ nichts anfangen. Sein Konter: „Es ist ein bisschen so wie zu sagen: Ich mag keine Kohlenhydrate, weil ich als Kind immer Pellkartoffeln essen musste.“

Die klassische Musik hält noch mehr Überraschungen bereit. Paul Hindemith zum Beispiel. Er hat Metal erfunden — zumindest klingt es so. Das war 1922.

Als nächstes widmet sich Gabriel ganz einem Instrument: Der Harfe. Denn er selbst ist ein „Harfensohn“ — seine Mutter war Harfinistin. Warum die Harfenistin immer als erste im Konzertsaal ist, Rotlicht hasst und wahrscheinlich einen Volvo fährt, erfahrt ihr im siebten Teil der Serie.

Ihr findet Klassik immer noch langweilig? Epische Filmmusik ist eher euer Ding? Viele bekannte Melodien kommen gar nicht so unschuldig daher: Beinah schamlos bedient sich Filmmusik bei der Musik der Spätromantik.

Da die Überraschungen bisher noch nicht ausreichen, legt Gabriel nochmals einen obendrauf: Achtung, jetzt kommt wirklich ein kleiner — pardon — mindfuck: Moll muss nicht traurig, Dur nicht fröhlich sein. Das zeigt er an einem Stück, das BBC-Hörer 2014 zum traurigsten klassischen Stück gewählt haben. Alles in Dur.

Repetitio — Im letzten Teil greift Gabriel nochmals auf den Anfang zurück und erklärt erneut: „Ich kann von Worten nur berührt werden, wenn ich ihre Bedeutung verstehe und die Struktur, die Grammatik der Sprache.“ Wusstet ihr, dass auch hinter Klassik eine solche Struktur steckt? Gabriel bricht das auf eine Formel herunter und zeigt, dass es besonders um eins geht: das Spiel mit Gegensätzen.

Repetitio no. 2 — Es gilt also wie so oft: Wir sind nicht zu dumm für Klassik. Wir verstehen sie nur (noch) nicht. Von Büchern in einer Sprache, die ich nicht verstehe, werd ich wohl auch kaum berührt, so Gabriel.

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