3. Führungsfrage K.I.: Wie übernimmt der algorithmische Chef die Führung?

Philipp Chaikevitch
Leadership und Organisation
5 min readMar 16, 2021
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K.I. als Führungsmechanismus

Der Erfolg des Machine Learnings hat zu einer Flut von K.I.-Anwendungen in Organisationen geführt. Data Scientists versprechen autonome Systeme zu schaffen, die selbstständig wahrnehmen, lernen, entscheiden und handeln. Im letzten Beitrag haben wir bereits über aktuelle K.I.- Verwendungen im wirtschaftlichen Bereich geschrieben. Die erfolgreiche Einbindung algorithmischer Helfer und Manager ermöglicht eine Arbeitserleichterung für Unternehmensmitarbeiter und Führungskräfte und bilden einen neuen Zweig an Geschäftsmodellen, wie die Beispiele “Uber”, “Spotify” oder “Netflix” zeigen.

Die Entscheidungshoheit, wenn es um die Fragen der Unternehmensführung geht, besitzen immer noch wir, die Menschen. Doch die Transformationsfaktoren, wie immer größere Datenmengen, der Einsatz von selbstlernenden K.I.-Anwendungen und der allgemeine Drang nach neuer und flexibler Arbeitskultur verändern die Führung stark. Die Fähigkeit der K.I. zur Selbstbildung, in Zusammenhang mit dem Zugang zu Daten aller Art, verändert die Qualität der algorithmischen Fähigkeiten. Die Analyse wird immer mehr faktenbasiert und mit empirischen Daten durchgeführt, wodurch diese objektiver wird. Dies verbessert wiederum die Genauigkeit einer algorithmischen Vorhersage und einer Handlungsempfehlung. Ähnlich wie “Spotify” einen Titelvorschlag macht, weil der Algorithmus die musikalischen Vorlieben des Nutzers durch den Input abgespielter Lieder sehr genau versteht, können auch mögliche erfolgbringende Unternehmensentscheidungen maschinell vorgeschlagen werden.

Im Arbeits- und insbesondere im Kontext der Entscheidungsfindung haben viele von uns Angst vor der K.I. Diese ist zum großen Teil durch die enorme Spannung zwischen maschinellen Vorschlägen und der Fähigkeit sie zu erklären bedingt. Die Tiefe und die Komplexität der Analyse leistungsstarker K.I.-Anwendungen sind für die Menschen oft nicht sofort greifbar, meistens gar nicht nachvollziehbar. Wenn der “Spotify”-Algorithmus für die meisten eine Black Box bleiben kann und dadurch nicht an Charmé verliert, so wird es bei wirtschaftlichen Entscheidungen weniger locker wahrgenommen. Denn, je größer die Datenmenge, je mehr Faktoren beim Machine Learning berücksichtigt werden, desto weniger nachvollziehbar werden die Vorschläge des Algorithmus für uns. Die Arbeit der US-amerikanischen Forschungsorganisation des Verteidigungsministeriums (DARPA) an einer erklärenden K.I. (XAI), welche ihre eigenen Entscheidungen den Menschen in Form eines verständlichen Interfaces erklärt, bestätigt das Problem der Nachvollziehbarkeit maschineller Entschlüsse und Handlungen (Turek, 2016).

Die Führungs-K.I. wird aber, trotz des Black-Box-Faktors, in der Zukunft vermehrt zum Einsatz kommen, weil unsere (menschliche) Entscheidungen subjektiv sind. Sie basieren auf unseren Erfahrungen und den momentan verfügbaren Informationen. Durch die fehlende Rationalität und der Subjektivität werden manchmal Fehlentscheidungen getroffen. Manchmal sind die falschen Beschlüsse der Führungskräfte für die Unternehmen bedrohlich. Und je erfolgsbringender der Einsatz der Algorithmen bei Problemlösungen sein wird, desto mehr werden die menschlichen Argumente angreifbar. Die Entscheidungen gegen das System könnten als Fahrlässigkeit wahrgenommen werden (Giegler et. al., 2020).

Auf der anderen Seite wird man sich höchstwahrscheinlich an die Zusammenarbeit mit einem K.I.-Führungsmechanismus für bestimmte Aufgaben, ähnlich wie an die schönen automatisch erstellten “Spotify”-Playlists, gewöhnen können. Bei dieser Frage wird sehr viel von dem Erfolg der Handlungsempfehlungen abhängen und der Fähigkeit, die Unternehmensmitarbeiter bei den Entscheidungen abzuholen. Die digitale und reale Welten in Einklang zu bringen wird die große Aufgabe des menschlichen Leaderships sein.

Leadership in der K.I.-Führung

Die algorithmischen Lösungsansätze sind quantitativ, basieren auf Datenanalyse und dessen genauer Auswertung. Was passiert aber mit der sozialen Komponente im Unternehmen? Geht das Zwischenmenschliche unter den Mitarbeitern und der Führungsebene komplett verloren? In den algorithmischen Prozessen wird die Rolle der Leader, die eine Brücke zwischen der K.I.-Führung und den Mitarbeitern bilden, deutlich wertvoller werden.

Leadership lässt sich als kreative und manchmal chaotische Art und Weise mit den Unternehmenszielen umzugehen beschrieben und legt den Fokus stark auf die Menschen im Unternehmen (O’Leary, 2016). Es macht einen Sprung nach vorne möglich durch das Motivieren und Stärken bester Fähigkeiten der Mitarbeiter, es verleiht eine Vision, macht das Ziel durch engen Kontakt und eigenes Beispiel spürbar (Zaleznik, 2004). Leader inspirieren um Prozesse voranzutreiben, wie z.B. Elon Musk es macht, wenn er einer Mitarbeiterin verspricht sie als erste auf ein Mars-Safari zu schicken. Führungsaufgaben, die zwischenmenschlichen Austausch beinhalten und beziehungsorientiert sind, können wenig ernsthafte Kommunikation oder wichtige Entscheidungsfindung beinhalten. Doch gerade diese machen die reibungslose Arbeit des Unternehmens möglich (Mintzberg, 1990).

Eine Vision schaffen, motivieren durch das eigene Beispiel und mit den Kollegen auf einer Wellenlänge sein gehört nicht zum Arsenal einer Anwendung, zumindest in naher Zukunft. K.I. kann noch kaum in soziale Beziehungen hineinversetzt werden. Man könnte sich zwar eine Anwendung vorstellen, welche visuell die Ziele darstellt und dadurch versucht zu überzeugen. Allerdings bleibt die Frage offen, ob das die Mitarbeiter motiviert oder vielleicht noch weiter von dem algorithmischen Entscheider abstößt. K.I. besitzt auch kein Charisma, um diesen Punkt auszugleichen. Das menschliche Leadership wird gerade beim Sensibilisieren für die algorithmischen Entscheidungen aktiv werden müssen.

Leader beschäftigen sich mit den Fragen der Unternehmens- und Führungskultur, dem Employer und Company Branding: Aspekte, welche die Mitarbeiter abseits der quantitativen Führung lenken können. Eine K.I. kann kaum entscheiden, welche Werte für das Unternehmen gültig sein sollen oder nicht. Durch den Einsatz der quantitativen algorithmischen Führungsmechanismen werden menschliche Leader mehr Zeit für die Arbeit an den Arbeitsbedingungen bekommen, was sich angesichts neuer Anforderungen der Mitarbeiter an das berufliche Umfeld gut auswirken wird (Giegler et. al., 2020).

Verantwortung und Ethik im Leadership mit K.I.

Das Aufteilen der Führungstätigkeiten zwischen Mensch und Maschine sieht für die Zukunft perspektivreich aus. Leader werden das Zwischenmenschliche übernehmen, motivieren und inspirieren ihre Mitarbeiter und sorgen um das Arbeitsumfeld. Die K.I. wird in der Lage sein durch das Selbstlernen, die Analyse großer wirtschaftsrelevanter Daten und daraus folgender besserer Vorhersagen die quantitative Führung des Unternehmens übernehmen zu können.

Durch die Führungs-Symbiose werden die Unternehmen durch die mathematische Objektivität in quantitativen Fragen und die entstehenden Möglichkeiten des menschlichen Leaderships beziehungszentriert zu arbeiten profitieren. Denn wir sind uns sicher — bessere Entscheidungen kommen durch die gegenseitige Ergänzung bester Eigenschaften.

Doch unsere Annahme lässt viele Fragen offen. Wie wird die Verantwortung der K.I. legitimiert? Kann eine K.I. respektvoll führen und wie wird es ethisch vertretbar sein? Was passiert, wenn die Daten mit einem Bias versehen sind? Und was können die Handlungsempfehlungen bei diesen Fragen an die Leader der Zukunft, um eine erfolgreiche Symbiose schaffen zu können, sein? Damit beschäftigen wir uns im nächsten Beitrag.

Quellen:

Turek, M. (2016). “Explainable Artificial Intelligence (XAI)”. darpa.mil (zuletzt besucht am 14.03.2021).

Giegler, N.; Schneider, S. (2020). “Leadership und Digitalisierung”. econstor.eu (zuletzt besucht am 14.03.2021).

O’Leary, J. (2016). “Do Managers and Leaders Really Do Different Things?”. hbr.org (zuletzt besucht am 14.03.2021).

Zaleznik, A. (2004). “Managers and Leaders: are they different?”. Best of HBR, Januar 2004.

Mintzberg, H. (1990). “The Manager’s Job: Folklore and Fact”. Harward Business Review, März-April 1990.

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