Gelebtes Wellbeing in Design und Produktentwicklung — Interview mit Cradle to Cradle e.V.

Franziska Winterling
Leadership und Organisation
3 min readMar 18, 2021
Abbildung 1: Cradle to Cradle Designschule (Quelle: Eigene Darstellung)

Die Wellbeing Economy ist ein sehr offener Begriff, der in seinen Zielen auch anderen Modellen ähnelt oder sich mit diesen überschneidet — zum Beispiel der Doughnut Economy, einer regenerativen Wirtschaft oder einer Purpose Economy.

Auch Cradle to Cradle ist ein Konzept, welches stark kompatibel mit einer Wellbeing Economy ist. Die Denk- und Designschule geht davon aus, dass Produkte oder Services, die wir kreieren nicht nur auf einen negativen Einfluss verzichten, sondern einen positiven Impact — auf Mensch, Umwelt, Gesellschaft — ausüben sollten.

Um das Konzept und seine Innovationsansätze noch besser zu verstehen, haben wir mit zwei Vertreterinnen des Berliner Vereins Cradle to Cradle e.V. gesprochen, dem deutschen Vertreter des Modells: Isabel Gomez ist Referentin Kommunikation und Jana Mätz ist Referentin Geschäftsführender Vorstand bei Cradle to Cradle e.V.

Was ist eigentlich Cradle to Cradle?

Isabel Gomez: Cradle to Cradle ist ein zweiteiliger Ansatz. Es ist eine Antwort auf die Frage: wie müssen wir umdenken, damit wir Umwelt- und Klimaprobleme nachhaltig lösen können — das ist die C2C Denkschule. Sie geht davon aus, dass wir nicht von Verzicht und Dinge weniger schlecht zu machen ausgehen sollten, sondern davon Dinge so zu definieren, dass sie einen positiven Beitrag leisten.

Der zweite Teil ist die Antwort auf die Frage: und wie machen wir das? Wie müssen wir unsere Welt, Produktion, Konsum und Geschäftsmodelle umgestalten, sodass diese Ziele erreichbar sind. Das ist das C2C Design Konzept, in dem wir Produkte schon vom ersten Design für ein bestimmtes Nutzungsszenario gestalten und darauf achten, dass alle Materialien, die dabei zum Einsatz kommen weder für Mensch noch für die Umwelt schädlich sind sowie dass sie kreislauf fähig sind und unter Nutzung erneuerbarer Energien sowie anhand sozialer Standards entlang aller Wertschöpfungsketten produziert werden.

Wie kann dieses Umdenken hin zu einem Cradle to Cradle Modell in Unternehmen funktionieren?

Jana Mätz: Wir brauchen eine Mischung aus Regelwerken wie einer Zertifizierung, innerer Arbeit hin zu einem Mindset Shift und Orten der Inspiration, die zeigen, wie dieses neue Denken und Arbeiten funktionieren können. Das ist zum Beispiel unser C2C Lab, welches wir komplett nach Cradle to Cradle Maßstäben renoviert und eingerichtet haben.

Isabel Gomez: Wir müssen auch politische Forderung stellen, um umfassende Veränderung herbeizuführen. Für uns ist hier besonders wichtig, dass schädliche Stoffe nicht weiter subventioniert werden. Aktuell ist beispielsweise Virgin Plastic mehrwertsteuerbefreit, während diese für die Verwendung von recyceltem Plastik bezahlt werden muss. So schaffen wir keine Anreize für eine positive Veränderung. Stattdessen müssten wir an einen Punkt kommen, an dem die reellen Preise von Produkten abgebildet werden, also auch Umwelt- und Gesundheitsschäden.

Wie können Unternehmen oder Produkte nach Cradle to Cradle zertifiziert werden?

Isabel Gomez: Auch bei einzelnen C2C Produkten müssen Unternehmen bereits über die reine Zertifizierung hinausdenken — es geht um Kreislauffähigkeit, Materialgesundheit, die Nutzung erneuerbarer Energien, soziale Standards in der gesamten Wertschöpfungskette und so weiter.

Es gibt eine Stelle, die diese Zertifikate vergibt, hierbei handelt es sich um ein unabhängiges Institut in Stiftungsform. Um die Zertifizierung zu erhalten, begleiten Assessoren den Entwicklungsprozess von Anfang an, um sicherzustellen, dass alle Standards eingehalten werden können.

Innerhalb der einzelnen Kriterien gibt es außerdem Stufen — dabei wird der niedrigste Status in einer als Grundlage für das gesamte Zertifikat verwendet. So wird auch eine Motivation geschaffen, Produkte immer weiter zu verbessern, um einen höheren Status zu erreichen. Trotzdem sehen wir das Zertifikat nur als einen ersten Schritt für einen größeren Mindset Shift und um größere Fragen danach zu stellen, wie wir in der Zukunft gut arbeiten und leben wollen.

Wie sieht gute Innovation im C2C Kontext aus?

Jana Mätz: Dadurch dass wir Produkte nach einen Nutzungsszenario designen, findet Innovation nicht nur anhand einer Verbesserung für den Nutzenden statt, sondern anhand aller Elemente oder Bereiche, mit denen dieses Produkt in Berührung kommen (zum Beispiel durch Abnutzung, Weiterverarbeitung, etc.). Das ist dann nicht nur nutzerzentriert, sondern deckt auch ganz viele andere Bereiche ab.

Isabel Gomez: Innovation kann auch über Produkte hinausgehen und sich auf Geschäftsmodelle ausweiten. Wir haben beispielsweise eine Waschmaschine, die uns nicht gehört, sondern für die wir pro Waschgang bezahlen. Der Herstellende hat dadurch eine Motivation, Produkte so zu entwickeln, dass sie möglichst lang halten, einfach repariert werden und wiederverwendet werden können. Auch Innovation ist in diesem Rahmen besser möglich, da Geräte kontinuierlich verbessert werden können, ohne dass wir ein altes Produkt entsorgen und ein neues kaufen müssen.

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