The History of Change Processes: 1920/1930

Rene Tauschke
Leadership und Organisation
4 min readMar 9, 2021

Was ist der Ursprung des Change Managements? Wie hat sich Change Management im Laufe der Jahre entwickelt und wie hat sich die Change Kommunikation herausgebildet?

In der Reihe “The History of Change Processes” wollen wir diesen Fragen nachgehen.

Die Taylorisierung verbreitet sich weltweit. Henry Ford stellt den gesamten Herstellungsprozess in seinem Unternehmen auf Taylors Scientific Management um. Dadurch kann er das Ford Modell T schneller und kostengünstiger herstellen. In Deutschland wird Taylors Konzept der Betriebsführung durch die Gründung der REFA (“Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung”, seit 2000 REFA Bundesverband e.V.) im Jahr 1924 von Carl Friedrich von Siemens gewürdigt und in Deutschland umgesetzt. Doch auch die kritische Auseinandersetzung mit Taylors Konzept nimmt zu. Im Jahr 1922 vertritt der Sozialpsychologe Hellpach in einer Studie über Gruppenfabrikation “die Ansicht, dass sich mit zunehmender Massierung der Arbeiterschaft in Fabriken, Mietskasernen und politischen Versammlungen ein stark ausgebildetes, menschenfeindliches Zusammengehörigkeitsgefühl ausgebildet habe.”¹ Auch der Psychologe Kurt Lewin weist bereits 1920 darauf hin, dass die psychologischen Bedürfnisse berücksichtigt werden und der Arbeit Wert verliehen müsse.

Die Hawthorne-Experimente

Zwischen 1924 und 1933 führen Franz Roethlisberger und Elton Mayo eine Reihe von Studien durch, die sich mit der Steigerung der Arbeitsleistung von Arbeiter:innen beschäftigen. Der Name geht darauf zurück, dass die Experimente in der Hawthorne-Fabrik der Western Electric Company in Cicero (USA) durchgeführt werden, die sich der Methode des Scientific Managements bedienen. Das Experiment besteht aus zwei Teilen:

Experiment 1:

In der Fabrik wurden die Lichtverhältnisse verbessert und die Auswirkungen auf die Arbeiter:innen beobachtet. Die Arbeitsleistung ist daraufhin gestiegen. Doch auch in der Kontrollgruppe steigt die Produktivität an — obwohl diese bei den gewohnten Lichtverhältnissen arbeiten. Daraufhin werden die Lichtverhältnisse in der Experimentalgruppe wieder auf die gewohnte Beleuchtung umgestellt, die Leistungssteigerung blieb jedoch auf dem erhöhten Niveau. Es sind demnach nicht die Lichtverhältnisse, die zur verbesserten Arbeitsleistung führten. Nach den Aussagen der befragten Arbeiter:innen lag die höhere Produktivität an der Anwesenheit der Forscher. Dadurch fühlten sich die Arbeiter:innen anerkannt und wertgeschätzt. Die Forscher wollten nun ausschließen, dass das Ergebnis nur auf psychische Störfaktoren zurückzuführen sei. Sie führten daher ein zweites Experiment durch.

Experiment 2:

Die Experimentalgruppe wird in einen eigenen Arbeitsraum untergebracht. Sie erhalten mehr Lohn, die Arbeitszeiten werden verbessert und die Führungskräfte sowie Forscher führen die Arbeiter:innen nicht-direktiv sowie verständnisorientiert. Die Produktivität steigt daraufhin um 30 %. Als nach fünf Jahren die ursprünglichen Arbeitsbedingungen wiederhergestellt werden, blieb die Produktivität weiterhin hoch. Das führten die Wissenschaftler auf die Gruppendynamik zurück, die sich in der Zeit auf ein gemeinsames Ziel hin sozial entwickelt hatte.

In weiteren Untersuchungen kam man zu dem Ergebnis, dass die Steigerung der Produktivität nicht allein an dem günstigeren Lohngefüge liegt und auch nicht allein an dem neuen Führungsstil. Erst die Kombination der beiden Veränderungen führt zum großen Leistungsanstieg.

Human-Relations-Theorie

Diese Erkenntnis wird als der Hawthorne-Effekt bezeichnet und ist der Ausgangspunkt der Human-Relations-Theorie: Das Paradigma, das sich aus den Hawthorne-Experimenten herauskristallisierte. Die Sichtweise auf Individuen in Arbeitssituationen hat sich daraufhin vor allem auf dem Gebiet der Sozialwissenschaft grundlegend geändert. Die Forscher haben erkannt, dass die Einstellung zum Unternehmen der Beschäftigten Auswirkungen auf die Produktivität hat. Dabei steht im Mittelpunkt, dass sich Arbeiter:innen an ihrem Arbeitsplatz gewürdigt und berücksichtigt fühlen. Diese Erkenntnis hatte auch Auswirkungen auf die Sichtweise von Kommunikation und Konflikten.

Kurt Lewin entwickelt daraufhin 1936 zusammen mit Ronald Lippitt die Daten-Rückkopplungs-Methode (Survey Feedback Method). Mit dieser Methode können die Verbesserungen der betrieblichen Zusammenarbeit gezielt umgesetzt werden.²

Parallel dazu entwickelte der österreichisch-amerikanische Arzt, Psychiater und Soziologe Jakob Levy Moreno die Soziometrie. In der Soziometrie wird die Gruppendynamik um Interventionstechniken erweitert und das Verhältnis bzw. die Einstellung der Gruppenmitglieder zueinander grafisch dargestellt. Eine weitere Entwicklung von ihm ist das Psychodrama, in der es darum geht, dass sich die Akteure von alten Rollenmustern und Verhaltensweisen lösen sollen. Dabei werden die gewonnenen Daten direkt in Handlung umgesetzt und dabei reflektiert, sodass der kreative und praktische Ansatz direkte Auswirkungen auf die Entwicklungen der Personen und Beziehungen hat.

Auch in der Gesellschaft wird die einseitig ökonomische Betrachtung immer öfter aufgegriffen und kritisiert. Diese Entwicklung wird besonders durch den Roman “Brave New World” (1932) von Aldous Huxley und den Film “Modern Times” (1936) von Charlie Chaplin bestärkt.

Quellen:

¹Sanders, Karin, Kianty, Andrea (2016): Organisationstheorien: Eine Einführung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 60.

²Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München: Carl Hanser Verlag, S. 10.

Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München: Carl Hanser Verlag, S. 9–10.

Borowski, Nancy, Meese, Katherine A. (2020): Organizational Behavior in Health Care, Burlington: Jones & Bartlett, S. 6–8.

Colbjørnsen, Tom (2003): Der Hawthorne-Effekt oder die Human-Relations-Theorie: Über die experimentelle Situation und ihren Einfluss, in: Theorien und Methoden in den Sozialwissenschaften (Hg.), Wiesbaden: Westdeutscher Verlag/GWV Fachverlage, S. 131–132.

Buß, Eugen (2008): Managementsoziologie: Grundlagen, Praxiskonzepte, Fallstudien, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S. 193–196.

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