7 Dinge, die nicht funktionieren, wenn man Medien-Startups fördert — und was wir jetzt besser machen

Mit dem Media Lab Bayern unterstützen wir seit einem Jahr neue Ideen und Medien-Startups mit einem Stipendium. Das konnte man schon so machen. Aber es geht halt auch besser. Warum wir das halbe Ding umgeworfen haben und jetzt mit dem Media Lab Fellowship völlig neu starten.

Lina Timm
Media Lab Bayern
8 min readJul 27, 2016

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Bei Startups gibt es so einen Spruch: “Fail fast, succeed sooner”. Man soll möglichst schnell erkennen, dass man in die falsche Richtung läuft, damit man schneller erfolgreich sein kann.

Vor einem Jahr sind wir mit dem Media Lab Bayern gestartet und wollten Teams unterstützen, die ein Medien-Startup gründen wollen. Wir haben uns unsere erste Gruppe von Startups angeschaut und nach einem halben Jahr die zweite. Das lief bislang auch ganz gut. Die ersten haben Preise gewonnen, können sich finanziell über Wasser halten, sind in Accelerator-Programme aufgenommen worden. Aber trotzdem: Nach einem Dreivierteljahr haben wir beschlossen, dass unser Startup-Förderprogramm im Media Lab nicht das ist, was es sein könnte. Der Markt braucht noch etwas anderes. Deshalb werfen wir es jetzt um und probieren etwas völlig Neues.

Wir setzen früher an. Wir fördern jetzt auch Leute, die noch gar keine Idee haben und kein Team, mit dem sie starten könnten. Sogar diejenigen, die sich nicht mal sicher sind, ob “Startup” etwas für sie ist. Also alles, was Startup-Programme normalerweise nicht machen.

Klingt komisch? Machen wir aber so. Denn wir haben dazu gelernt.

Was wir in einem Jahr Media Lab gelernt haben

1. Medien ist leider zu egal, was ihre Nutzer von ihnen halten

Startups entwickeln Produkte, indem sie sich die Probleme anderer anschauen und eine Lösung dafür finden. Medienleute, vor allem Journalisten, gehen, nunja, anders ran. “Ich finde etwas wichtig, also müsst ihr das auch wichtig finden! Einself.” Nur: Wer eine Firma gründen will, kommt damit nicht weit. Deshalb werden auch Medien-Startups nur funktionieren, wenn sie sich daran orientieren, was Nutzer wollen. Und nein, das sind nicht nur Katzenvideos.

2. Für die Medienbranche ist “Startup gründen” völlig neu

Medienleute wissen gar nicht, welches Wissen sie besitzen. Sie wissen, wie Newsrooms arbeiten, wie Geschichten gefunden, erzählt und verbreitet werden. Der perfekte Ausgangspunkt, um Ideen für echte Innovation zu entwickeln. Welche Tools brauchen Newsrooms? Wie könnte man Geschichten digital erzählen? Leider denken die meisten immer noch, ohne Verlag mit Druckerpresse hinter ihnen bräuchten sie gar nicht erst anfangen.

3. Für die Startup-Szene sind Medien etwas völlig Neues

Der Online-Versandhändler, die Fitness-App, die Marketing-Software. Klar kann man damit gründen! Aber in der Medienbranche? Dass auch die News-Industrie dringend Innovation und neue Technologie braucht, das ist für Coder, Designer und Business-Developer ziemlich neu.

4. Keiner weiß, was ein Medien-Startup eigentlich ist

Weil das alles so ist, ist für die Medienleute das Thema “Startup” zu weit weg von ihrem gelernten Job und die Startup-Leute können sich unter “Medien” erstmal nichts vorstellen. Daher bitteschön: eine Definition.

Startup = Unternehmen, das jünger als fünf Jahre ist, ein innovatives, technologiegetriebenes Produkt entwickelt und möglichst schnell von drei auf drei Fantastilliarden Kunden wachsen will.

Medien = Content, Storytelling, Journalismus, kurz: Vermittlung von Informationen an relativ viele Menschen auf einmal.

Medien-Startup = Unternehmen, das mit innovativer Technologie die Vermittlung von Informationen unterstützt — und schnell wachsen will.

5. Medienleuten fehlen Teammitglieder noch mehr als anderen Gruppen

BWLern wird gefühlt ab ihrem ersten Semester erzählt, dass sie ein Startup gründen können und dass das nicht gleich “freiberufliche Selbstständigkeit” ist. Sie wissen meist auch, dass ohne interdisziplinäres Team nichts läuft und schauen somit früh nach Leuten, “mit denen man mal was machen könnte”. Medienleute hören nie etwas von “Startup gründen”. Wie auch? Diese Chance ist ja völlig neu. Daher lernen sie aber auch niemanden kennen, der coden, designen — kurz: ein Produkt bauen kann.

6. Medien-Startups müssen noch Dinge erfinden, die andere Branchen schon parat haben

Es ist okay, dass Medien im Digitalen noch keine Geschäftsmodelle haben. Aber darum kümmern müssen wir uns. Was dabei hilft: die Realität zu akzeptieren. Realität heißt: Ich muss mein Produkt irgendwem verkaufen. Und der muss das haben wollen (siehe: 1.). Ob das der Leser oder die Werbeindustrie oder jemand ganz anderes ist — in der Medienbranche waren Produkterstellung und -verkauf lang getrennt. Das funktioniert heute nicht mehr.

7. Medien-Startups brauchen genau das gleiche, wie andere Startups auch. Und etwas anderes.

Produktdesign, Product-Market-Fit, Finanzierung, Sales, Marketing und Pitch-Training. Das brauchen alle Startups, denn am Ende entwickeln sie alle ein Produkt, das am Markt funktionieren soll, ob Journalismus oder Health-App. Trotzdem hilft etwas Spezielles: Branchen-Kontakte. Zu denen, die sich mit Medien auskennen und dem Digitalen. Die wissen, welche Themen die Medienhäuser gerade interessieren, wer als Partner Interesse haben könnte. Wir haben solche Kontakte — und sie alle würden gern mit digitalhungrigen Menschen arbeiten. Leider gibt’s nur so wenig davon.

Oder?

Was wir jetzt anders machen wollen

In unserem ersten Startup-Durchgang haben wir, ähnlich einem klassischen Accelerator, Teams aufgenommen, die schon ihren ersten Prototypen hatten und mit ein wenig Coaching hier und da schon ein gutes Stück weiter gekommen sind. Aber schon in der zweiten Gruppe hat sich gezeigt, dass die Teams diesen Status nicht mehr hatten. Sie waren früher dran. Noch mehr im Ideen-Status. Und wir mussten sehr gute Bewerber ablehnen, weil sie noch kein Team hatten, mit dem sie direkt durchstarten konnten.

Das zeigt: Wir müssen früher ansetzen. Viel früher. Wenn wir wirklich die Gründung von Startups in der Medienbranche fördern wollen — was wir wollen — dann können wir nicht nur Teams abholen, die es schon gibt mit Ideen, die schon ausgereift sind. Dann müssen wir vor allem die abholen, die gern etwas machen würden, aber nicht wissen wie.

Das braucht ein neues Programm — oder eigentlich eher zwei, die aufeinander aufbauen. Deshalb, jetzt neu: unsere beiden Fellowship-Programme!

Media Entrepreneurship Program

Jemand hier Lust auf Innovation, aber noch keine Idee und kein Team parat? Macht nichts, wir helfen mit beidem weiter. Im Media Entrepreneurship Program lernen die Teilnehmer, wie man mit Design Thinking und Lean Startup nutzerzentriert Produkte entwickelt. Sie finden kompakt in zwei Monaten Trends und Themenbereiche für ihr Medien-Startup. Außerdem nehmen wir bis zu 20 Leute auf — also sind darunter 19 potenzielle Mitgründer. Unsere Coaches arbeiten jede Woche mit den Teilnehmern. Und das Beste: Keiner muss jetzt schon seinen Job hinschmeißen, wenn er nur mal schauen will, ob “Startup” eigentlich was für ihn ist. Das Programm findet in Teilzeit statt.

Die Fakten

  • 2 Monate Trendscouting, Teambuilding, Ideation und Validierung
  • Zeitaufwand: mind. 10 Stunden pro Woche
  • Bewerbung Pre-Team und Pre-Idea
  • Start ab Oktober 2016

Media Startup Fellowship

Wer schon weiter ist, sein Team bereits parat hat und auch die Idee schon validiert ist, kann sich auch gleich für das Media Startup Fellowship bewerben. Hier unterstützen unsere Coaches in enger Betreuung mit Lean-Startup-Methodik, Businessplanung und Finanzierung plus Workshops zu Themen wie UX, Design und Pitch. In vier Monaten soll von der Idee ein fertiger Prototyp entstehen, von dem das Team weiß, dass der Markt ihn wirklich haben will.

Die Fakten

  • 4 Monate Validierung, Prototyping und Businessplanning
  • Zeitaufwand: Vollzeit in München
  • Bewerbung mit Team und validierter Idee
  • Start ab Januar 2017

Die Bewerbungsfrist für beide Programme endet am 4. September 2016.

Was daran so neu ist?

Nun, der klassische Inkubator oder Accelerator pusht fertige Teams mit fertigen Ideen voran. Wir setzen früher an. Weil die Medienbranche einfach noch nicht so weit ist. Die ganze Startup-Thematik ist zu neu. Deshalb legen wir die Schwellen so niedrig wie möglich, versuchen auch denen einen Einstieg zu bieten, die sich noch nicht so sicher sind. Das erfordert sehr viel Betreuung und Coaching. Genau darauf haben wir unser Programm ausgerichtet.

Wir können das machen, weil wir in dem Sinne nicht kommerziell erfolgreich sein müssen. Wir sind ein Projekt der Bayerischen Landesmedienzentrale und gefördert vom Bayerischen Wirtschaftsministerium. Wir nehmen keine Anteile an den Teams und dürfen das auch gar nicht.

Warum wir sicher sind, dass das funktionieren wird

Nun, um ehrlich zu sein, sind wir das gar nicht. Sorry. Hat ja so noch niemand ausprobiert. Es gibt ein Programm in London, Entrepreneur First, das versucht, Talente zu Gründerteams zusammen zu stellen. Da scheint es zu funktionieren. Allerdings schlug uns hier in den Planungen schon Skepsis entgegen. Das wichtigste, sagen alle, und haben auch wir gelernt, ist beim Startup das Team. Ein gutes Team kann jede Idee umsetzen. Ein schlechtes Team kriegt auch die beste Idee nicht zum Fliegen. Das stimmt absolut. Nur lösen diese Sprüche nicht das Problem der Leute: Sie haben kein Team.

Wir denken aber, dass die beiden Programme funktionieren können. Weil mir so viele Leute gesagt haben, sie hätten ja eine Idee, wüssten aber nicht, ob die zum Startup reicht. Oder kein Team haben, mit dem sie es umsetzen können. Und überhaupt: raus aus dem Job? Startup? Puh.

Bei all dem wollen wir helfen. Ihr müsst euch nur bewerben.

Alle Infos zu unseren Programmen

Mehr Infos, FAQ und Details gibt es auf unserer Webseite. Wer keine Lust hat, sich das alles durchzulesen, kann aber auch mit uns chatten. Genauer: mit unserem Media Lab Bot. Er erklärt euch direkt bei Facebook, was wir vorhaben: m.me/@MediaLabBayern

…und wer sich den ganzen Text über gefragt hat, was dieses Gerede von “Medien-Startups” denn soll…

Nun. Wem hat denn Innovation schon einmal geschadet? Und können nicht drei Mädels, die zusammenhocken und schnell mal einen Prototypen hincoden schneller agieren als das große Medienhaus, das die Idee erstmal durch fünf Gremien tragen muss? Eben. Es muss ja niemand ein Startup gründen. Es muss auch niemand Innovation machen. Aber wer Lust darauf hat, für den sind wir da.

→ Alle Infos & Bewerbung zum neuen Fellowship gibt es hier: medialab-bayern.de/media-lab-fellowship

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Lina Timm
Media Lab Bayern

Digital Enthusiast. Journalism and Startups. Program Manager @MediaLabBayern. Founder of digital-journalism.rocks.