Die Fotos aus der Wolke

Tausende Bilddateien per Mail oder Dropbox verschicken? Umständlicher geht’s kaum. Das Startup “Picter” löst das Problem zentral in einer Cloud. Aus unserer Reihe #MediaLabFellows.

Media Lab Bayern
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6 min readJul 24, 2017

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Claudio Ricci (l.) und Simon Karlstetter von Picter

Wieso braucht die Welt Picter?

Claudio Ricci: Wir lösen das Problem der Bildatenlogistik. Wenn Fotografen Bilder zugänglich machen wollen, müssen sie sie verschicken, zum Beispiel über Dropbox oder WeTransfer. Dadurch entstehen Duplikate. Unsere Lösung ist ein zentraler Cloudservice, in dem Fotografen und Bildsuchende ihren gesamten Workflow abbilden können.

Simon Karlstetter: Die Leute sparen sich dank uns Zeit und Geld, und bekommen mehr Sicherheit über ihre Daten.

Wie sieht das denn im konkreten Beispiel aus?

Ricci: Bei einem Event eines Publishers zum Beispiel sind fünf Fotografen. Die Redaktion muss auswählen, welche Bilder sie braucht. Einer braucht sie für Social Media, der zweite für die Website, der dritte hochauflösend für ein Prospekt. Die tausenden Bilder müssten sie aber erst einmal sortieren und aufbereiten. Hätte das Team Picter, müsste sich nicht erst jeder alle Bilder auf den Rechner laden. Dort läuft alles über die Cloud. Der Fotograf kann zuvor festlegen, wer die Bilder in welcher Auflösung bekommt. Und das Team kann in der Cloud gemeinsam entscheiden, wer welche benutzt. Nur diejenigen holen sich die einzelnen Mitarbeiter dann auf ihre Rechner.

Karlstetter: Picter lässt sich für jegliche Art von Bildtransfer nutzen. In Redaktionen, aber auch in der Kunst, Mode, Naturfotografie, in der Werbung. Wir wollen das gesamte Spektrum der Fotografie abdecken, aber die Leute auch spezifisch bei ihren Interessensgebieten abholen. Ein Naturfotograf wird zum Beispiel den Bildredakteueren von National Geographic angzeigt. Das Ganze soll aber kein Stock-Fotografieprotal werden wie Getty.

Wie ist die Idee entstanden?

Ricci: Durch ein Nonprofitprojekt für zeitgenössische Fotografie, das wir vor fast zehn Jahren gegründet haben: Der Greif. Wir haben offene Ausschreibungen gemacht, nach dem Motto: Schickt uns eure Bilder, wir veröffentlichen sie für euch. Irgendwann konnten wir die Datenmenge, die wir bekommen haben, nicht mehr stemmen. Also haben wir eine eigene Cloud-Lösung gebaut. Vor drei Jahren haben wir Bildsuchenden und Redakteuren einen Zugang für unser Tool gegeben. Die haben sofort gesagt: Wow, was für eine riesige Arbeitserleichterung. Wir haben den Need erkannt — und im Januar diesen Jahres Picter gegründet. Wenn sich ein Fotograf einmal bei uns registriert und seine Fotos einmal ablegt, kann er sie bei unterschiedlichen Aufträgen oder Wettbewerben zugänglich machen, ohne die Dateien zu duplizieren. Die Bilder können automatisch geresized werden. Wir speichern das alles auf den Servern von Amazon Web Services.

Gibt es auf dem Markt Vergleichbares?

Ricci: Es gibt Konkurrenten, aber keinen, der das Modell so abdeckt wie wir. Auf unserer Plattform treffen sich Bildproduzenten und Bildsuchende. Das gibt es so noch nicht.

Wie ist die Resonanz auf eure Idee, seitdem ihr auf dem Markt seid?

Ricci: Wir kriegen von den Fotografen sehr gutes Feedback. Es gibt ihnen Zeitersparnis und Kontrolle über ihre Daten. Sie geben lediglich limitierte Zugänge. Die Organisationen genießen den großen Netzwerkeffekt unserer Plattform. Sie können durch uns auf eine stark anwachsende Nutzeranzahl zurückgreifen. Nach fünf Monaten stehen wir bei fast 10.000 Nutzern. Jeder Bildsuchende und -produzent bekommt dann auch Zugang zu diesen Personen, was ein ziemlicher Multiplikator-Effekt für uns ist.

Wissen die Fotografen, welche Bilder verwendet werden, als Art zusätzliches Feedback?

Ricci: Das ist gerade in der Mache, ja. Wir wollen den Auswahlprozess für beide Seiten transparenter machen.

Was waren bisher die größten Hürden für euer Projekt?

Ricci: Eine der größten Schwierigkeiten war es, die ersten Kunden an Land zu ziehen. Da haben wir zwischenzeitlich ganz schön gezittert. Kurz vor Launch hätten wir beinahe keinen Kunden auf der Plattform. Durch persönliche Verbindungen haben wir das aber zum Glück doch noch hingekriegt. Eine große Herausforderung ist es immer noch, mit dem Workload umzugehen. Wir brennen alle dafür, aber wir müssen aufpassen, dass wir selbst nicht ausbrennen. Man muss sich da immer mal zurücknehmen. Das muss man aber auch erstmal lernen.

Wie hat sich denn euer Team kennengelernt?

Ricci: Wir kennen uns schon seit Jahrzehnten, teilweise aus Grundschulzeiten. Manche von uns haben seit über 15 Jahren zusammen gearbeitet. Die Leute, die wir ins Team dazu gebracht haben, waren reine Volltreffer. Wir haben sehr viele Interviews geführt, und das hat sich gelohnt. Sie sind wahnsinnig motiviert. Aktuell sind wir sind zu neunt: Fünf Gründer, zwei Entwickler und jemand für den Support. Dazu ein Trainee. Eine zehnte Person wird Communitymanagement machen. Über den Sommer wollen wir außerdem zwei Praktikumsstellen anbieten.

Reden wir über Geld. Wie finanziert sich picter?

Karlstetter: Die Organisationen zahlen uns jährliche Lizenzgebühren. Der Preis wird von uns individuell festgelegt, weil die Anforderungen der Unternehmen so unterschiedlich sind: Wir bewegen uns da zwischen 1.500 bis etwa 7.000 Euro.

Ricci: Für die Fotografen planen wir, das Pricing anzutesten. Die Basisfunktion wird aber umsonst bleiben. Wir wollen die Leute nicht mit einem Gratis-Angebot auf unsere Plattform locken, nur um sie dann mit der Keule zum Bezahlen zu zwingen. Fotografen müssen das Tool außerdem kostenlos nutzen können. Wenn die Ausschreibung kostenlos ist und unser Tool nicht, rechnet sich das für die Fotografen sonst nicht, und das wollen die Organisationen auch nicht.

Eure Zeit im Media Lab ist vorbei — wie geht’s jetzt weiter?

Ricci: Wir haben unsere Roadmap in diesem halben Jahr ziemlich gut eingehalten, stehen nur ganz leicht unter unseren Zielen. Das Zeit- und Projektmanagement funktioniert schon sehr glatt. Unser Ziel für das Jahresende ist es, die Userzahl mindestens zu verdoppeln, auf 20.000 bis 25.000. Außerdem wären ein paar größere, renommiertere Kunden toll.

Wie war für euch die Zeit im Media Lab?

Ricci: Ich würde am liebsten noch bleiben! Vor allem jetzt in den neuen Räumlichkeiten. Ich finde es genial, hier zu arbeiten. Es herrscht so eine konzentrierte Stimmung und es macht Spaß, sich mit den anderen auszutauschen. Wir haben in Augsburg noch Büroräume, aber über kurz oder lang wollen wir nach München ziehen, um das Team zusammenzubringen. Aber das hat aktuell keine Priorität. Wir sind eher die Typen, die organisch wachsen wollen. Trotz möglicher Investments wollen wir nicht gleich die Fixkosten nach oben schnellen lassen. Unser Ziel ist es, das Projekt so schnell wie möglich auf Break-Even zu führen. Wir wollen uns aus eigenen Mitteln weiterentwickeln.

Wovon habt ihr hier am meisten profitiert?

Ricci: Einen Standort in München zu haben war für uns wichtig. Wir konnten viele Kontakte knüpfen. Über das Lab, über Alumni mit ähnlichen Erfahrungen, über Leute, die einfach so durchs Media Lab gelaufen sind.

Karlstetter: Gerade anfangs waren die wöchentlichen Coachings sehr hilfreich, als wir unsere Methoden etabliert haben: Die Auswahl der Werkzeuge, die Strategie, den Fokus. Welche Fragen stellen wir Usern? Wie können wir Kunden definieren? Wie den Markt identifizieren? Was funktioniert mit unserem Tool, was nicht? Wir waren schon recht weit zu dem Zeitpunkt, aber gerade deswegen war das eine großartige Gelegenheit, alles noch einmal zu überdenken. Wir konnten da sehr viel rausziehen.

Ricci: Dann konnten wir “laufen”. Ab dem Zeitpunkt waren vor allem die expliziteren, externen Coachings sehr wertvoll. Madgalena Rogl für Social Media zum Beispiel oder Nicole Noevers für Rhetorik. Was wir uns vielleicht noch mehr gewünscht hätten, waren Coachings für Finanzierung und Businessdevelopment.

Was würdet ihr anders machen, wenn ihr so zurückblickt?

Karlstetter: Wir würden schneller rausgehen, und mehr und anders mit den Leuten darüber sprechen. Wir würden weniger verkaufen, sondern erstmal nur Fragen stellen und zuhören. So hätten wir uns vielleicht ein halbes Jahr sparen können.

Im Media Lab seit: Januar 2017, Teil des Batch #3.

Website: picter.com

Die Idee: Eine cloudbasierte Lösung für Bilddatenlogistik.

Wer wir sind: Fünf Gründer, insgesamt zehn Mitarbeiter.

Was wir gerade tun: Wir stecken in der zweiten Finanzierungsrunde.

Was wir gerade brauchen: Die richtigen Investoren, die bei unseren Visionen mitgehen.

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