Fehlerkultur in den Medien? Mehr Opferbereitschaft bitte!

Ständige Erfolgskontrolle ist Gift für Innovationen, aber in Medienhäusern immer noch stark ausgeprägt. Das Fail Forward-Panel auf den Medientagen München diskutierte über den richtigen Umgang mit dem Scheitern — und warum wir mehr Penguin Awards bräuchten.

Media Lab Bayern
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2 min readNov 30, 2017

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Von Bernd Oswald

Deutschland und die Schweiz mögen sich in Vielem unterscheiden, eines haben sie aber gemeinsam: Kontrollsüchtige Chefs. Vor allem, wenn es um Innovationen im Journalismus geht. Hansi Voigt hat das in seiner Zeit beim Schweizer News-Startup Watson bemerkt, wo er immer wieder angehalten wurde, den Erfolg seiner Idee zu beweisen. Geht nicht, sagt Voigt: „Man kann den Erfolg einer Innovation erst mal nicht beweisen. Wenn überhaupt, dann erst hinterher. Man muss sich eben überraschen lassen.“ Überraschung mögen Verlagschefs aber so sehr wie der Teufel das Weihwasser. Sie wollen die Überraschung beherrschen. Deswegen denken sie in Businessplänen, die fast schon „ins Religiöse überhöht“ werden, wie Voigt kritisiert.

Beim Autofahren hält man seine Hände nicht still, sondern lenkt man nach links und mal nach rechts. Der Businessplan denkt aber nur in geraden Linien. (Hansi Voigt)

Gerrit Rabenstein, Googles Head of Strategic Relations News & Publishers für die DACH-Region, sieht das ganz ähnlich. „Wir machen eine Innovation nur, wenn wir damit Geld verdienen“, heiße es in den Verlagschefetagen. Zu viel Kontrolle und zu langwierige Businesspläne sind aber Gift für innovatives Denken. Darum empfiehlt Rabenstein kleinere, pragmatischere Schritte: Etwa quartalsmäßige Zielvereinbarungen. Wer nur in einem 10-Wochen-Rythmus denkt, arbeitet automatisch agiler.

Und wie geht man damit um, wenn mal ein Projekt in die Hose gegangen ist? Franzi von Kempis, Chefredakteurin vom Mesh Collective, wünscht sich eine neue Kultur im Umgang mit Fehlern. Sie erinnert sich an einen früheren Chef, der auch nach Jahren auf einem ihrer früheren Fehler herumgeritten ist. „Wenn Du einen Fehler gemacht hast, findest Du das selber scheiße. Das musst Du dann nicht die ganze Zeit nochmal hören.“ Nach einem gescheiterten Video-Projekt ist sie mit ihrem Mesh-Team essen gegangen — ohne an diesem Abend auch nur ein Wort darüber zu verlieren.

Britta Schewe, die beim Schweizer Social-TV-Sender joiz zwei Insolvenzen erlebt hat, findet, dass Scheitern einfach zum Arbeiten dazugehört: „Man darf immer wieder scheitern. Wir sind Menschen, wir dürfen Fehler machen.“

Google zählt zu den wenigen Firmen, die schon jetzt so denken. Das zeigt sich zum Beispiel am Pinguin Award: Ein Preis für denjenigen, der ein gescheiteres Projekt von sich aus beendet. Vorbild ist der Pinguin, der als erster ins Wasser springt, wohl wissend, dass er gleich von Killerwalen verspeist wird. Der Rest der Kolonie kommt dafür mit dem Leben davon. Auf unsere Medienlandschaft übertragen heißt das: Ein bisschen mehr Opferbereitschaft bitte!

Tiefer einsteigen: Hier findest du Videos mit Hansi Voigt, Britta Schewe und Franzi von Kempis

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