Was ist das für 1 Publikum?

Wie die Washington Post ihre Leser zu digitalen Abonnenten macht: mit Audience Development und einer Menge Daten.

Christian Simon
Media Lab Bayern
3 min readNov 8, 2016

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Medienhäuser wissen heute viel über ihre Nutzer. Sie tracken mit. Was genau, hat Beth Diaz, Vice President Audience Development and Analytics von der Washington Post, im New Publishing-Track auf den Medientagen München vorgestellt. Journalismus-Professor Dan Gillmor sieht im Buzzword Audience Development vor allem ein Thema des Engagements der Nutzer.

Der Ansatz beider Speaker ist völlig unterschiedlich: Für Dan Gillmor sind Daten vor allem ein Punkt, bei dem Journalisten enger mit ihren Nutzern zusammenarbeiten sollten. „Die Nutzer wissen mehr als wir“, sagt er den anwesenden Journalisten. Fragen stellen, Aufgaben outsourcen und vertrauensvoll mit den Lesern zusammenarbeiten seien unbezahlbare Werkzeuge. Dabei sollten Journalisten die Leser nicht als „Peers“, also als gleichwertige „Bürgerjournalisten“ betrachten, wohl aber als wichtige Teilnehmer im journalistischen Prozess.

Auch für Beth Diaz und die Washington Post sind Daten wichtig — auch wenn hier seltener die Leser in den tatsächlichen Arbeitsprozess einbezogen werden. Stattdessen wird hier so detailliert wie möglich erforscht, wie Leser zu zahlenden Abonnenten werden — und wie sie dazu gemacht werden können. Hier spitzten die anwesenden Journalisten besonders die Ohren. Zum einen ist es der Washington Post gelungen, durch geschicktes und konsequentes taggen all ihrer Inhalte den Anteil des „dunklen Traffics“ stark zu reduzieren. Auf Deutsch: Die Post weiß sehr genau, vermutlich genauer als die meisten anderen Medien, wer ihre Leser sind, woher sie kommen und wie sie sich verhalten.

Beth Diaz von der Washington Post. Foto: Benjamin Heinz

Zum anderen nutzt die Washington Post diese Daten auch intensiv. Wenn ein Nutzer ein Abo abschließt, analysiert das Team um Diaz sein Verhalten im Monat davor — und vergleicht es mit ähnlichen Verhaltensmustern von Nutzern, die KEIN Abo abgeschlossen haben. Diese Nutzer werden dann gezielt angesprochen, um sie auch noch zu zahlenden Kunden zu machen.

Übrigens: Durch diese Daten kann die Washington Post auch eine Strategie begründen, die in Deutschland eher skeptisch betrachtet wird: Alle Inhalte werden als Facebook Instant Articles geteilt. Dadurch entgehen der Homepage natürlich Traffic und Daten. Doch weil Beth Diaz weiß, wie viel die Daten wert sind, sagt sie deutlich: „Momentan bringen uns die Werbeeinnahmen durch Facebook noch mehr, als uns die Nutzer auf der Homepage einbringen würden“. Spannende Einblicke in die neue Publishingwelt.

Mehr Infos zur Session

Das Graphic Recording von VerVieVas:

Der Vortrag als Graphic Recording. Quelle: VerVieVas

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Christian Simon
Media Lab Bayern

Journalist, Nachrichtenredakteur @SZ, Innovation Editor bei @medialabbayern. Vorher @DJSde.