ALTERNATIVE DATA GOVERNANCE

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5 min readDec 5, 2022
Quelle: Buffik auf pixabay

Der Umgang mit Daten ist ein sensibles Thema in unserer Gesellschaft. In unserem Alltag sind wir in ständigem Kontakt mit digitalen Technologien, die durch das Sammeln und Verwenden von Daten einen Mehrwert für die Verbraucher stiften. Durch das Abtreten unserer Daten kommen wir in den Genuss, die Produkte zu nutzen oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Dazu gehören soziale Netzwerke wie Facebook oder Suchmaschinen wie Google. Die angewendeten Regeln und Verfahren zu Datenverwaltung werden unter dem Begriff Data Governance definiert. Die Art der Datenverwaltung bestimmt, wer über diese Daten die Entscheidungsmacht besitzt.

Kritik und alternative Bewegung

Derzeitige digitale Produkte und Services sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass die gesamte Entscheidungsmacht über die Daten einzig bei den Technologieanbietern liegt, ohne dass die Verbraucher einen signifikanten Einfluss darauf hätten. Unternehmen, wie Alphabet und Meta verfolgen dabei vor allem das Ziel des kommerziellen Gewinns. Für das Sammeln und Speichern der riesigen Datenmengen werden oftmals fragwürdige Einwilligungsmodelle eingesetzt.

Aus dieser Kritik ist die Bewegung der Alternative Data Governance gewachsen, welche auf eine Verlagerung des Machtgefüges von den Datensammlern hin zu den Datensubjekten ausgerichtet ist. Dafür bedarf es einer Anpassung der Regeln und Prozesse durch die Schaffung sinnvoller Anreize zur gemeinsamen Nutzung von Daten durch verschiedene Akteure. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der verschiedenen Interessen sowohl von Individuen als auch Kollektiven, im Einklang mit den Menschen-, Daten- und Verbraucherrechten.

Data Steward als Vermittlungsinstanz

In vielen dieser alternativen Herangehensweisen, wird der Ansatz verfolgt, die Befugnisse der Datennutzung einer zwischengeschalteten Instanz („Data Steward“) zu übertragen. Diese Rolle verwaltet die Daten und dazugehörigen Rechte im Namen der Begünstigten. Hierfür wird im Vorfeld ein Einwilligungsrahmen vereinbart und die Ziele der Datennutzung formuliert. Dieser Form der Governance liegt ein rechtlicher Rahmen zugrunde. Diese kann partizipatorisch oder treuhänderisch ausgestaltet sein, in Form eines Vertrages oder Verhaltenskodex geregelt sein. Jede Ausgestaltung schafft unterschiedliche Anreize für die „Data Stewards“.

Data Commons

Hierbei werden Daten als gemeinsame Ressource zusammengetragen. Durch die demokratische Auslegung der Datenverfügbarkeit soll ein Machtgleichgewicht geschaffen werden. Die Daten als Gemeinschaftseigentum verfolgen einen gemeinnützigen Zweck. Das Beispiel DECODE unterstützt mit datenschutzfreundlichen Technologien den Zugriff auf kommunale Daten für Innovatoren und zivilgesellschaftliche Gruppen. Der Name steht daher auch für “Decentralized Citizen Owned Data Ecosystem”. Durch die gemeinschaftliche Nutzung der von BürgerInnen generierten Daten soll besser auf die lokalen Bedürfnisse eingegangen werden. Eines der Pilotprojekte ermöglichte in Barcelona Bürgerpetitionen anonym zu unterzeichnen und gleichzeitig durch etwa der Angabe des Wohnorts eine Authentifizierung zu garantieren. Die Vorteile neben der geschützten Privatsphäre der Menschen liegen in der gemeinsamen Nutzung und Visualisierung der Daten und damit einhergehende Transparenz. Weitere Beispiele wie Wikipedia, Wikidata oder Openstreet Map fallen ebenfalls unter die Kategorie Data Commons.

Data Collaboratives

Eine Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen aus Forschung und Politik findet sich im Ansatz der Data Collaboratives. Hier sollen die gesammelten Daten den Institutionen bei der Entscheidungsfindung unterstützen, wie z.B. die Mobilitätsdaten eines Carsharing Unternehmens für die Stadtplanung genutzt werden. Eines der Beispiele aus der Datenbank ist das Projekt Global Fishing Watch. Im Rahmen der Kooperation werden Daten aus der Satellitenüberwachung von Schiffen aus sechs Ländern erfasst. Ziel ist es, durch eine Darstellung der Fischereiaktivitäten auf einer Online-Karte für ein besseres Meeresmanagement zu sorgen. Ein weiteres Beispiel für Data Collaboratives ist Global Forest Watch. Unternehmen, Organisationen und Forschungsinstitute arbeiten hier ebenfalls mit Daten aus Satellitenbildern zusammen. Hierbei werden die Wälder und die Auswirkungen von Abholzungen analysiert. Dies soll dabei helfen, illegale Abholzungen und Brände zu verhindern. Eine Umfangreiche Datenbank mit 200 Data Collaboratives bietet das Forschungsprojekt GovLab an. Die Motivation von Unternehmen sich an solchen Projekten zu beteiligen ist vielseitig. GovLab nennt hierfür zusätzliche Einnahmen, Forschung, das eigene Verantwortungsbewusstsein und ein guter Ruf aber auch die Einhaltung von Vorschriften der Gesetzgeber.

Datenmarktplätze

Es ist unbestritten, dass insbesondere Konsumenten-Daten einen Wert besitzen. Die gesammelte Information ermöglicht Unternehmen, die potenziellen Kunden mit einer zielgerichteten Werbung anzusprechen. Jedoch fällt es schwer, den eigenen Daten einen genauen Wert zuzuschreiben. Der Ansatz eines sogenannten Daten-Marktplatzes verfolgt das Ziel, Verbrauchern eine Plattform zu bieten, ihre persönlichen Daten zum Verkauf oder Tausch gegen Vorteile wie Dienstleistungen anbieten zu können. Die Verbraucher können sich in einem Marktplatz sammeln und Ihre Daten gebündelt zum Verkauf anbieten. Gleichzeitig verwaltet man im Kollektiv die Gewinne aus den eigenen Daten. Ein Beispiel ist der Marktplatz Streamr, welcher Einzelpersonen und Unternehmen ermöglicht, Echtzeitdaten zusammenzulegen, um sie als Bündel weiterzuverkaufen an Käufer, die die Daten für Ihre Zwecke weiterverarbeiten. Die selbstbestimmte Weitergabe der Daten soll auf ethische Weise entlohnt werden.

Datentreuhänder

Die Verwaltung der Daten kann auch auf treuhänderische Weise erfolgen. Hierbei ist eine vermittelnde Instanz zwischen Einzelpersonen und Datensammlern geschaltet, die die Interessen der Verbraucher schützt und eine Sicherheit und Kontrolle der Daten erleichtert. Dieses Konzept kann zum einen in Form einer Einrichtung als „Informationstreuhändern“ ausgestaltet sein. Diese setzt sich darauf die Interessen aus Sicht der Kunden zu schützen und gleichzeitig eine verbesserte Sicherheit und Kontrolle über Ihre personenbezogenen Daten zu ermöglichen. In Indien verfolgt die DigiSahamti Foundation einen solchen Ansatz, indem sie Finanzdatentreuhänder unterstützt, die Privatpersonen ohne Bankverbindung den Zugang zu Finanzdienstleistungen zu erleichtern. Für diese Tätigkeit ist es notwendig eine Lizenz von der indischen Zentralbank zu bekommen. Die Unterstützung für diese große Zielgruppe erfolgt, indem Ihre Daten in digitalem Format zusammengestellt werden, damit Kreditgeber, Banken oder andere automatisierte Finanzdienste unkompliziert, aber sicher auf diese zugreifen können. Auch ist es möglich, den Ansatz durch Vermittlungstechnologien und Speicherlösungen zu realisieren, die als eine Art Zwischenstufe zwischen den Personen und ihren Daten sowie den kommerziellen Unternehmen oder Online-Interaktionen dienen. Die App Digi.me ist ein Beispiel dafür. Hier können Nutzer Ihre Daten hochladen und entscheiden mit wem die gespeicherten Daten geteilt werden. JumboPrivacy ist eine weitere App die Menschen helfen will, ihre Privatsphäre selbst in die Hand zu nehmen. Durch die App werden auf dem Handy Datentracker geblockt und die Änderung der Datenschutzeinstellungen von Facebook können einfacher angepasst werden. Zudem werden Google und Amazon aufgefordert, aufgezeichnete Sprachdaten zu löschen und in Twitter kann man ältere Tweets automatisch archivieren und auf der App online speichern lassen.

Fazit

Dieser Artikel dient als Einstieg in das Thema Alternative Data Governance mit dem Fokus der Vorteile und Chancen anhand der erläuterten Praxisbeispiele. Alle Ansätze eint, dass sie (nicht ausschließlich) auf Gewinne abzielen, sondern die Vision einer gemeinschaftlichen Datennutzung verfolgen und dabei das Gleichgewicht zwischen Datensammlern und Datensubjekte zu halten. Insbesondere die selbstbestimmte Weitergabe der Daten ist ein wichtiger Aspekt zugunsten der VerbraucherInnen. Hinzu kommt, dass viele Alternative Data Governance Projekte einen Beitrag für die Gesellschaft oder/ und für die Umwelt leisten.

Dieser Artikel basiert auf den Forschungen der Mozilla Foundation. Für Interessierte, die sich tiefer in das Thema einlesen wollen, empfehlen wir die nachfolgenden Links:

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