Demoszene — ein Gespräch mit Andry Joos

Daniel Boos
Medienkulturgespräche
4 min readMar 22, 2017

Communities oder anders gesagt Szenen entstehen häufig um Computertechnologien herum. Eine Szene bestehend aus Hobbisten hat in den 70 und 80er Jahren mit den ersten Computer für Privatanwender experimentiert und wesentlich zu deren Weiterentwicklung beigetragen. In den 80/90 waren es dann die C64 Nutzer, Mac-Nutzer, Amiga-Fans, Atari ST oder Schneider CPC Leute. Rund um die Jahrtausendwende dann die dem scheinbaren Untergang gewidmeten Mac-Nutzer oder die freiheitsliebenden Linux-User. Eine Szene war eigentlich schon in den 80ern aktiv: Die Demoszene. Im Gespräch mit Andry Joos, Organisator der Demodays, beleuchten wir diese Szene.

Was ist die Demoszene und wie hat sie ihren seltsamen Namen erhalten?

Andry: Die Demoszene ist aus einer der ersten und ältesten Computer-Communities entstanden. In den frühen 80ern war es normal, dass Spiele kopiert und weitergegeben wurden — sei dies auf dem Pausenplatz in der Schule, oder später via BBS-Verbindung. Die Leute, welche die Spiele kopiert haben, gründeten Gruppen, meistens rund um ein paar fähige Cracker, ergänzt mit Swappern (die Tausch-Kuriere). Diese Gruppen wollten zeigen, dass sie neben dem Cracken von Spielen auch die Programmierung der Computer im Griff haben: Bevor die Spiele gestartet wurden konnte man das Gruppen-Logo sehen, Texte (Scrolltexte) lesen und Musik hören — vielen kennen das sicher noch aus ihren frühen Computer-Tagen. Diese Vorspann-Animationen haben sich irgendwann emanzipiert, vom Cracker-Umfeld gelöst und so entstand die Demoszene — eine Community, welche sich ganz auf die Erstellung von Echtzeit-Animationen konzentriert hat. Die Gruppen scharten sich nun um begnadete Programmierer und setzten sich daneben aus Musikern, Grafikern und Designern zusammen. Der Wortteil “Demo” hat nun gar nichts mit Steinewerfern zu tun, sondern bezieht sich auf “zeigen was man kann” oder “zeigen was ein bestimmter Computer kann”. Über die Jahre hat sich auch die Demoszene über alle möglichen Plattformen ausgebreitet und produziert “Demos” (Animationen) am Laufmeter.

Die Demoszene hat auch gewisse Regeln entwickelt. Welche? Weshalb?

Andry: Während in den Anfangszeiten der Demoszene die verwendete Hardware noch Einschränkungen unterworfen war (weniger Speicherplatz, limitierte Grafik-Möglichkeiten und aus heutiger Sicht langsame Prozessoren) und die Programmierer mit ihren Werken oft an die Grenzen der Systeme stiess (oder diese auch verschoben hat) hat sich dies gegen Ende der 90er-Jahre etwas relativiert. Die Rechner leisteten so viel, dass selbst anspruchsvolle Demos selten — und Ausnahmen bestätigen auch heute noch die Regel — die volle Power nutzen konnten. Irgendwann begab es sich nun, dass man, um eine grössere Herausforderung zu erreichen und weil die Rechner selten mehr 1:1 vergleichbar waren, künstliche Grenzen einführte. Es gibt auch heute noch die Wettbewerbe mit der Limitierung auf 64 Kilobyte oder sogar 4 Kilobyte für ein ausführbares Programm, das aber locker 3–4 Minuten Grafik und Musik produziert.

Wo sitzen die Teilnehmerinnen der Demoszene? Wie und wo tauscht ihr euch aus? Global, Regional, Lokal? Virtuell?

Andry: Wie in vielen computerbezogenen Communities, sind auch in der Demoszene die Frauen in der Unterzahl. Die “Teilnehmer” nennen sich selber Szener, oder Demoszener, und kommen aus der ganzen Welt. Sie bilden Gruppen um zusammen an den Echtzeit-Demos zu arbeiten, diese Gruppen waren früher stark regional geprägt aber international bekannt. Dies ist manchmal auch heute noch so, aber dank des Internets sind natürlich auch “virtuelle” Gruppen keine Seltenheit mehr.

Ein ganz wichtiger Teil der Demoszene ist aber auch in der heutigen Zeit das persönliche Treffen — dafür gibt es die sogenannten “Demoparties”. Diese finden regelmässig in vielen verschiedenen Ländern und Locations statt, dauern meistens ein ganzes Wochenende lang und sind der Treffpunkt für die Demoszener aus der näheren oder weiteren Umgebung. Nebst dem sozialen Aspekt dieser Veranstaltungen gibt es dort auch Wettbewerbe in verschiedenen Kategorien. In der Schweiz sind die Demodays aktuell die einzige Veranstaltung dieser Art.

Wohin entwickelt sich die Demoszene und wo steht sie in 5 Jahren? Wird ihre Kunst ausgestellt oder wird es einfach eine andere App in den überfüllten App-Stores?

Andry: Totgesagte leben länger: Seit vielen Jahren wird das Ende der Demoszene prophezeit und doch gibt es sie immer noch und mehr den je. Die Demoszene verändert sich, verschmilzt mit anderen Communities und löst sich wieder davon, bereichert oder ernüchtert.

Ob in der Demoszene Kunst im herkömmlichen Sinn produziert wird ist eine Streitfrage — fraglos aber entstehen mediale, audiovisuelle Produktionen welche je nach Thema, Inhalt, Absicht der Produzenten durchaus Kunst sind oder einen künstlerischen Anspruch haben. Demos werden aber meistens nicht mit der Absicht programmiert, als Kunstwerk zu gelten — viele dienen einfach der Unterhaltung, sind dazu da, zu tun, was ihr Name vorgibt: Zu zeigen was der Programmierer, der Musiker oder der Designer so alles können. Bereits jetzt finden sich aber immer wieder Installationen von Demoszenern in Ausstellungen, und auch einzelne Demos, welche Zeitgeist oder Techno-Status wiederspiegeln fanden ihren Weg in Museen oder Themen-Ausstellungen. Um Appstores kümmert sich die Demoszene eigentlich nicht — das Zielpublikum ist aufgrund des erschwerten Einstiegs (was ist der Unterschied von einer Demo zu einer “herkömmlichen” Animation und wieso sollte das toll sein?) nicht der App-Store-Nutzer sondern in erster Linie andere begeisterte Computer-Enthusiasten.

Die Medienkulturgespräche sind eine disursive Reihe über Spielarten der Medienkulturen des Dock18 Institut für Medienkulturen der Welt.

Drei Beispiele für Demos

  1. Midnight Run by ASD: spannender Stil (Windows, 2008)
  2. Edge of Disgrace by Booze Design: Wahnsinnsdemo für den C64 (2008)
  3. Second Reality by Future Crew: DER Klassiker (MS-DOS, 1993)

Weitere Infos zum Swiss Game Jam

PDF des Medienkulturgespräch (Fabrikzeitung Nr 298) (2.4 MB)

--

--

Daniel Boos
Medienkulturgespräche

fosters future work & user experiences at the Swiss Federal Railways and in Switzerland, provides user insights & user trends, curated re:publicdomain