Zwischen Kreativität und Krise
Welche Folgen hat die Corona-Pandemie für die Film-, Fernseh- und Kulturbranche?
Von Jenny Lehmann
Live übertragen aus der Baumwollspinnerei in Leipzig wird die erste Talk-Runde der MTM 2021 eröffnet. Eine Stunde lang diskutieren Jana Brandt (MDR, Programmdirektorin), Claas Danielsen (Mitteldeutsche Medienförderung, Geschäftsführer), Michael Kölmel (Weltkino Filmverleih GmbH), Christoph Kukula (42film GmbH, Geschäftsführer) und Natalie Müller-Elmau (3 Sat/ZDF, Leiterin 3 Sat Koordination). Zusammen mit der Moderatorin Melanie Haack (ZDF-Studioleiterin Erfurt) sprechen sie über die Wirkung von Hilfsprogrammen für die Kulturbranche, kreativen Kooperationen sowie die Zukunft regionaler Medienproduktionen.
Die zentrale Frage, mit der sich die Talk-Runde auseinandersetzt, lautet, wie die jeweiligen Branchen bisher durch die Pandemie gekommen sind. Dabei geht es zunächst vor allem um eines: Geld. Christoph Kukula von der Produktionsfirma 42film GmbH geht mit den staatlichen Hilfen hart ins Gericht. Er bemängelt, dass kleine Firmen wie seine kaum von den staatlichen Hilfen profitierten, da sie durch die meisten Anforderungen fielen. Seine Produktionsfirma habe drehfertige, internationale Produktionen vorerst stoppen müssen, was ein zusätzliches Verlustgeschäft bedeute. Für den erfolgreichen Fortbestand der Firma sei es entscheidend zu wissen, wann sie drehen können.
Michael Kölmel vom Weltkino Filmverleih gibt ebenfalls an, dass sie durch die geschlossenen Kinos viel Geld verloren hätten und sich das Streaming wenig profitabel zeige. Aktuell stehe das bisherige Veröffentlichungsfenster in Diskussion, wodurch Kinos ihre Alleinstellung verlieren würden, Filme zuerst zu zeigen. Diese Entwicklung sei laut Kölmel durch die Pandemie lediglich beschleunigt worden. Kölmel appelliert an die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Mediatheken auszubauen, um dort Filmkunst einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Claas Danielsen von der MDM argumentiert ebenfalls mit dem Bildungsauftrag des Kinos, vor allem für ein junges Publikum.
Der Kultur eine Bühne geben
Die Vertreterinnen von MDR und 3sat sind sich einig, dass sie aufgrund der Pandemie ihre Sendungskonzepte neu denken mussten. Natalie Müller-Elmau von 3 Sat erklärt, dass sie den Zuschauerinnen und Zuschauern die Kultur bieten wollten, die sie pandemiebedingt live nicht wahrnehmen konnten und damit gleichzeitig Kulturschaffende unterstützen wollten. So hätten sich unerwartete, aber erfolgreiche Kooperationen ergeben wie beispielsweise mit dem Theater Oberhausen, mit dem sie eine Mini-Webserie produziert haben. Auch Jana Brandt vom MDR spricht von einer neu gewonnen kreativen Freiheit, die sie insbesondere in non-linearen Produktionen umsetzten.
Beide Sender haben ihr Angebot in den Mediatheken während der Pandemie ausgebaut. Die 3sat-Mediathek setzt auf eine kuratierte Mediathek, die ein kulturelles Nischenprogramm bedient, in Ergänzung zum linear ausgestrahlten Programm. Jana Brandt vom MDR spricht sich dafür aus, Kulturdarbietungen öfter auch im linearen TV-Programm stattfinden zu lassen. Den von ihr genannten Bildungsauftrag des MDR setzten sie aktuell in einer Kooperation mit dem Medienportal Mundo um, wodurch sie Schülerinnen und Schülern mehr Bildungsinhalte zur Verfügung stellen wollen.
Nachwuchs und Fachkräfte regional fördern
Claas Danielsen möchte es zukünftig vermeiden, dass Filmproduktionen mangels Förderung und Fachkräften nicht in Mitteldeutschland gedreht werden können. Dazu unterstützt die MDM eine neue Gründerinitiative in allen drei Bundesländern, um dort Produktionsfirmen aufzubauen. Somit möchten sie junge Medienschaffende Anreize schaffen, in der Region zu bleiben, indem sie Karrieremöglichkeiten schaffen. Danielsen fasst im Schlusswort zusammen, dass sich die Branche in tiefgreifenden Veränderungen befinde und es eine Herausforderung sei, wie mitreißende Geschichten die Menschen in Zukunft erreichen.
Die sorgfältig ausgewählten Gäste der Talk-Runde haben den Zuschauerinnen und Zuschauern einen umfangreichen Überblick gegeben, wie Film, Fernsehen und Kultur bisher durch die Pandemie gekommen sind. Dabei haben sie auf kreative Erfolge aufmerksam gemacht, aber auch Schwachstellen in der Förderung von Kultur während der Pandemie aufgezeigt. Allen Gästen der Talk-Runde ist es ein Anliegen, den Stellenwert von Kultur in der Gesellschaft und Politik zu verstärken, damit zukünftige Krisen in der Kulturbranche solidarisch gemeistert werden können.