Scientifica 2017: Besucherbericht
Die diesjährige Ausgabe der Zürcher Wissenschaftstage an der ETH und der Universität Zürich hatte viele Highlights zu bieten. In den verschiedenen Beiträgen aus Medizin, Artificial Intelligence und Citizen Science drehte sich alles um die digitale Revolution und Big Data. Das Zielpublikum war sehr gemischt und für alle wurde etwas geboten. Persönlich habe ich drei Vorträge besucht.
Im ersten Beitrag erläuterte Prof. Dr. Walter Karlen von der ETH Zürich, was er und sein Forschungsteam für Projekte führt. Der Titel der Kurzvorlesung lautete “Was mein Handy über meine Gesundheit weiss”. Dabei ging er vor Allem auf die Möglichkeiten ein, mit Smartphones Gesundheitsdaten zu ermitteln. Sehr spannend war ein Projekt in Peru, wo versucht wurde mit Smartphones zuverlässig Lungenentzündungen bei Kleinkindern zu diagnostizieren. In einem Land mit einer sehr tiefen Ärztedichte (0.92/1000 Personen, Vergleich Schweiz: 4.0/1000 Personen) wäre dies ein sehr grosser Fortschritt. In der Fragerunde am Schluss des Vortrages sah man aber dann auch wieder, wie gross die Skepsis der Bevölkerung ist, wenn es um die Datenspeicherung geht. Die Angst, dass Versicherer sich durch diese Daten einen Überblick über grosse und tiefe Risiken verschaffen könnten, ist immer noch sehr gross.
Im zweiten Beitrag sprach Prof. Dr. Nicolas Langer der Universität Zürich über den Einfluss der Hirnforschung auf die Entschlüsselung von kognitiven Tests. Diese kognitiven Tests sind für die Abklärung psychischer und neurologischer Krankheiten absolut zentral. Die bekanntesten Beispiele sind wohl Leseschwächen und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung). Er erläuterte, dass ohne Hirnforschung bei der Entschlüsselung von kognitiven Tests die Ursachen für die verminderten Leistungen oft verborgen bleiben. Mittels Elektroenzephalogramm, Magnetresonanztomographien und der Detektion von Augenbewegungen sollen diese Ursachen herausgefunden werden können. Der Beitrag wurde dann leider von einer Gruppe von Demonstranten gegen Tierversuche gestört, die sich auf der Polyterrasse lautstark bemerkbar machte.
Nach einer kurzen Stärkung an den verschiedenen Street Food Ständen ging es dann mit einem Talk in der bQm Bar unter der Polyterrasse weiter. Verschiedene Referenten und Referentinnen diskutierten die Unterschiede der Geschlechter. Jeder Teilnehmer hat dabei zwei Kärtchen (blau und rosa) erhalten, um jeweils die eigene Einschätzung der Fragestellungen mitzuteilen. Viele spannende Unterschiede wurden festgestellt. Beispielsweise ist bei Kindern bis zu fünf Jahren der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen frappant. Die Lernfähigkeit und -geschwindigkeit ist bei Mädchen in dieser Phase viel grösser. Dies betrifft ebenso das Immunsystem. So haben Knaben eine viel höhere Wahrscheinlichkeit an einer Lungenentzündung zu erkranken als Mädchen. Vielen Daten werden deshalb einem spezifischen Geschlecht zugeordnet. Ein Herzinfarkt wird in der Bevölkerung als “männliche” Krankheit angesehen, gleichzeitig sind aber Herz-/Kreislauferkrankungen die häufigste Todesursache bei Frauen. Dies kommt daher, dass viele Studien fast ausschliesslich mit männlichen Probanden durchgeführt wurden, obwohl die Resultate bei Probandinnen vielleicht anders aussehen würden. Zum Schluss diskutierten die Referenten noch die Stereotypisierung, unter der viele Frauen in verschiedenen Berufsgruppen heute noch leiden. Dies illustrierten sie am Beispiel eines Filmes. In diesem Film mussten Kinder Bilder von Feuerwehrleuten, Ärzten und Kampfpiloten zeichnen. Von den 61 Bildern waren nur auf fünf Bildern Frauen zu sehen. Als dann effektiv drei Frauen der erwähnten Berufsrichtungen den Raum betraten waren viele Kinder fast schon schockiert. Ein kleiner Junge fragte sogar “Wieso haben Sie sich verkleidet?”.
Alles in allem gab der Tag einen guten Überblick über die verschiedenen Forschungsgebiete der beiden Hochschulen. Erfreulich aus meiner Sicht war, wie oft Themen der Medizininformatik dabei angeschnitten wurden.