Was ist “Value-Based Medicine”?

Patrick Hirschi
Medizininformatik Schweiz
3 min readJan 26, 2018

Viele Länder haben in den letzten Jahren mit explodierenden Kosten im Gesundheitswesen zu kämpfen. In der Schweiz betrugen die Kosten 2015 gemäss dem Bundesamt für Statistik rund 77 Milliarden, also 11.9% des Bruttoinlandproduktes. An der Spitze dieser Entwicklung liegen jeweils die USA mit 2013 knapp 17%. Mit den Kosten des Gesundheitswesens steigen natürlich auch die Prämien der Grundversicherung. Dies belastet vor Allem die Mittel- und Unterschicht, da in der Schweiz bei den Prämien noch immer keinen Unterschied zwischen Armen und Reichen gemacht wird. Immer mehr Personen sind auf Sozialleistungen und Prämienverbilligungen angewiesen.

(Quelle: BFS)

Die Gründe für den stetigen Anstieg der Kosten sind komplex. Als mögliche Faktoren werden die folgenden Punkte diskutiert:

· Spezialisierung

· Technisierung

· Höhere Lebenserwartung

· Neue und kostspielige Medikamente

· Fehlender Kostendruck und falsche Anreize

Alle sind sich einig, dass ein Umdenken stattfinden muss.

Dies wird in der diesjährigen Ausgabe des World Economic Forum WEF in Davos von diversen weltweit angesehenen Experten diskutiert. Anhand der untenstehenden Grafik lässt sich die Problematik ganz einfach zeigen. Durch die Gegenüberstellung der qualitätsbereinigten Lebensjahre (Jahre in voller Gesundheit) und der Gesundheitsausgaben pro Kopf sieht man, dass die Industriestaaten (dunkle Punkte) sich auf dem schlechten roten Pfad bewegen. Das heisst die Kosten werden grösser und grösser, die qualitätsbereinigten Lebensjahre bleiben allerdings mehr oder weniger gleich hoch. Ideal wäre eine Verteilung wie mit dem grünen Pfeil beschrieben.

(Quelle: Fortune.com)

Die Ursache dafür sehen die Experten im aktuellen Abrechnungssystem von medizinischen Leistungen. Diese leistungsbasierte Abrechnung fokussiert nicht auf den effektiven Nutzen beim Patienten. Bei komplexen Operationen oder Behandlungen mit sehr teuren Medikamenten wird nicht über Sinn oder Unsinn diskutiert. So kann es sein, dass eine chronisch kranke 90-jährige Person drei Wochen auf einer Intensivstation liegt, um schlussendlich doch zu sterben. Der schottische Arzt Muir Gray erkannte die Problematik in Grossbritannien schon früh und forderte, dass man bei Therapieentscheidungen die psychischen und sozialen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigen muss. So entstand die «value-based medicine».

Value-Based Medicine beschreibt eine wertbasierte Medizin, die sich an der Lebensqualität der Patienten und bei medizinischen Interventionen primär am Outcome (Ergebnis) orientiert. Leistungserbringer sollen für die Erreichung des gewünschten Outcomes bei Patienten bezahlt werden anstatt für einzelne Services, Prozeduren oder Medikamente. Um das zu erreichen müssen wir Wege finden Standards zu setzen. An diesen Standards kann man dann die einzelnen Outcomes messen. Nur so können die aktuell stetig steigenden Gesundheitskosten langfristig gesenkt werden. In der Theorie klingen diese Überlegungen alle ganz logisch, aber was bedeutet das für Versicherungen, Pharmaunternehmen und Hersteller von medizintechnischen Geräten? Wären diese Akteure überhaupt bereit diesen Paradigmenwechsel mitzumachen und die dadurch verbundenen geringeren Einnahmen ihrerseits in Kauf zu nehmen?

Omar Ishrak, der aktuelle CEO von Medtronic antwortete darauf ganz cool: «Why wouldn’t everyone want a better outcome for less cost?» (Übersetzung: “Wieso sollte nicht jedermann ein besseres Ergebnis für tiefere Kosten wollen?”).

--

--