Milena Glimbovski
Milena Glimbovski
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3 min readApr 26, 2018

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Bauchliebe

Der Test zeigte ein Plus. Das hatte er all die Male vorher noch nie gemacht. Nur im Fernsehen, aber wann ist das echte Leben schon wie im Fernsehen?

Dann flossen Tränen, Schluchzer, Kurzatmung, und dann langsam Ruhe nach dem Sturm. Das waren keine Freudentränen. Das waren Schocktränen.

Klar, ich war keine 17-Jährige, die irgendwo im Nichts wohnt und abhängig ist von Eltern und der Gesellschaft und vielleicht nicht einfach mal sich im Internet über eine Abtreibung §219a sei Dank informieren kann. Eher eine 27-jährige, finanziell abgesichert und in einer glücklichen Beziehung.

Nur hatte ich für dieses Jahr andere Pläne. Ich wollte viel Arbeiten (wie jedes Jahr) und dann im Winter Reisen, ein paar Monate Pause machen, Sabbatical. Mal janz weit weg. Meine Azubis und Praktis — alle haben sie mit spätestens 21 eine halbe Weltreise gemacht. Nur ich saß mit 21 in Berlin und machte meine 20 Stunden Woche in einer Agentur, studierte und meinte Gründen zu müssen. Deswegen sollte 2018 das Jahr der Pause werden. Und irgendwie wurde es das auch.

Fast Forward 15 Wochen später. Ich bin seit heute in der 20. Woche. Die Hälfte ist geschafft. Wie das halt so ist im Leben. Mein Bauch ist gefühlt riesig — ständig rumort es darin, das Baby turnt fröhlich rum, benutzt meine Haut als Boxsack und wenn mein Freund sich dran schmiegt, kann er den Herzschlag von dem kleinen Krümmel da drin hören. Wir wussten nicht, dass wir ein Baby wollen bis wir eins gemacht hatten. Der Krümmel hat schon und wird mein Leben verändern. Eine Veränderung merke ich jetzt schon: es ist die Art wie ich mit mir selber spreche, und vor allem mit meinem Bauchspeck.

Kurvig oder schwanger?

#Selbstliebe und #bodypositivity kenne ich seit eh und je. Aber es ist das eine darüber zu schreiben und das andere beim Blick in den Spiegel nicht als erstes die Abweichungen vom Schönheitsideal zu sehen. 28 Jahre antrainiertes Selbstbild kann man mal nicht eben durch ein paar Hashtags wegposten. Dafür musste schon ein Einschnitt passieren. Der kam in Form eines Babys. Ich rede mit dem Kleinen, ich rede also mit meinem Bauch, sehr liebevoll, ich öle und creme ihn täglich ein, ich lasse mir Zeit dabei. Ich bin achtsam as fuck, wenn ich im Bad stehe, meine Finger über die Haut gleiten lasse und all meine Liebe darein fließt. Das ist ein kleines Baby, das spürt wenn ich den Bauch eincreme, das hört wie ich mit ihm rede, da muss Liebe drinstecken. Etwas was mein Bauch so nicht kennt. Ich war jeher relativ zufrieden mit meinem Körper, nur mein Bauch hat mich genervt. Egal was ich aß oder wie ich trainierte — er wurde kaum flacher und spätestens abends sah ich aus wie im 4. Monat. Enge Kleider und Hüfthosen habe ich schon vor Jahren aus meinem Kleiderschrank verbannt. Der Bauch wurde ständig verdeckt — wir waren keine Freunde. Wie sehr ich ihn eigentlich mobbte wurde mir jetzt erst durch den extremen Umschwung klar, als ich ihn lernte zu lieben.

Im Nachhinein: es tut mir leid wie ich selber mit mir sprach, mit einem meiner Körperteile, der eben Teil von mir ist. Klingt esoterisch, soll es nicht sein. Aber wir sollten uns mehr über unsere eigenen Gedanken Gedanken machen. Wenn wir etwas oft genug wiederholen glauben wir es. Ich liebe meinen Bauch. Ich hoffe diese Liebe bleibt auch wenn Krümmel raus ist, ich hoffe ich kann ihn auch nach der Geburt eincremen und mich über jedes Speckröllchen freuen, wissend, dass da ein Herz drin schlug und ich ein fucking menschliches Wesen gemacht habe.

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Milena Glimbovski
Milena Glimbovski

ganz leise ganz laut sein - Worte-im-Mund-Verdreherin, Besserwisserin-aber-inzwischen-die-Klappe-Halterin, Geschäftsführerin von @OrigUnverpackt & @einguterplan