Komplexe Customer Journey und anspruchsvoller Support: Was Tarif-Commerce vom Retail-Markt unterscheidet

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3 min readNov 28, 2016

Autor: André Richter, Geschäftsführer der Full-Service Digital Agentur Mindbox

Egal ob Versicherung, Handyvertrag oder Kabelanschluss: Wer eine langfristige Vertragsbeziehung mit seinen Kunden anstrebt, muss sein Marketing in vielen Bereichen anders aufstellen als ein Retailer, vor allem Online. So dauert der Entscheidungsprozess beim Abschluss eines Vertrags in der Regel wesentlich länger als beim Kauf von Unterhaltungselektronik oder Mode, da potenzielle Neukunden noch an ihren alten Anbieter und somit an gewisse Fristen gebunden sind. Das führt dazu, dass die Customer Journey komplexe Wege annimmt: Vergleichsportale, Foren und Warentests spielen eine sehr große Rolle bei der Suche nach dem passenden Tarif.

Das stellt sowohl für die Konzeption als auch für das Media Buying große Herausforderungen dar. Konzeptionell müssen komplexe Tarif-Informationen und Kernbotschaften der Marke auf kleinstem Raum abgebildet werden. Für das Buying gilt: Internet oder Haftpflichtversicherung braucht nahezu jeder. Die Zielgruppeneingrenzung kann also nur sehr eingeschränkt vor einer Kampagne erfolgen und muss kontinuierlich optimiert werden. Eher stündlich als täglich.

(Re-)Targeting: Langfristige Markenbindung statt Produktfokussierung

Die längeren Entscheidungsprozesse im Tarif-Commerce eröffnen auch ganz neue Ansätze des Retargetings. Werfen Retailer einem oft immer wieder die selbe Anzeige eines Produkts hinterher, geht es beim Tarif-Commerce vor allem darum, dem potenziellen Kunden, der sich einmal über ein Produkt informiert hat, positive Verbraucherstimmen, Artikel und Testergebnisse anzuzeigen.

Das hat auch eine Auswirkung auf die Landingpages: Diese sollten auf einem Blick die wichtigsten Verkaufsargumente für das jeweilige Tarif-Angebot enthalten, während beispielsweise bei Onlineshops die Angebotsverfügbarkeit und Lieferungszeiten für die angebotenen Produkte eine wesentlich größere Rolle für den Kaufabschluss spielen.

Für den Entscheidungsprozess des Kunden sind Preisvergleich-Affiliates im Tarif-Commerce von besonderer Bedeutung. Der Kunde spart sich so den zusätzlichen Aufwand für die eigene Suche und erhält auf einen Blick die aktuellsten und günstigsten Tarife im Vergleich. Diese Vergleichsrechner spielen daher für die Suche nach den passenden Tarifverträgen eine deutlich größere Rolle als im Retail-Geschäft und sollten im Online-Marketing von Tarif-Anbietern fest eingeplant sein.

Gleichzeitig spielen auch regionale Faktoren eine ganz wesentliche Rolle bei der Kaufentscheidung von neuen Tarifen, was nach wie vor eine unterschätzte Aufgabe des Performance-Marketings ist. So variieren bei KFZ-Versicherungen die preislichen Unterschiede in den Regionalklassen je nach Wohnort.

Den meisten Unternehmen fehlt es an einer Integration der Kundeninteraktionen über alle Touchpoints (multichannel & multidevice) hinweg und viele benötigen auch noch die entsprechende Unterstützung bei der Digitalisierung von Serviceprozessen.

Online und Offline besser verknüpfen: Mehr Transparenz, weniger Serviceaufwand

Eine gute Kundenbeziehung können Tarif-Anbieter jedoch nur mit gutem Service über alle Kontaktwege erreichen. Sie müssen daher ihre Filialen, den Telefonsupport sowie den E-Commerce besser miteinander verknüpfen. Kontaktiert ein Kunde das Unternehmen, so erwartet er, dass der jeweilige Servicepartner sofort Einsicht in alle wichtigen Vertrags- und Kundendaten hat (omnichannel). Können Kunden jedoch zeitlich flexibel und unkompliziert auch mobil ihre Vertragsdaten (vom Bonusprogramm bei gesetzlichen Krankenkassen bis zu Verbindungsübersichten bei Mobilfunkbetreibern) einsehen, desto eher werden sie auch auf eine Kontaktaufnahme per Telefon verzichten, was zur Ersparnis von Servicekosten auf Seiten der Anbieter führt. Auch möchte er bei Bedarf weitere Optionen flexibel hinzubuchen können und dabei jederzeit seine Kundendaten einsehen. So können beispielsweise die Kunden der Pay-TV-Senders Sky mit „Sky Go“ auch unterwegs ihr Lieblingsprogramm auf allen mobilen Endgeräten anschauen und mit einem einfachen Upgrade auf „Sky Go Extra“ das Angebot sogar ohne Internetverbindung nutzen. Vor allem im After-Buy Marketing und Support spielt Mobile im Tarif-Commerce daher eine wichtige Rolle.

Mehr Reichweite und besseres Onboarding durch E-Mail-Marketing

Im Vergleich zum E-Commerce spielt das E-Mail-Marketing vor allem in der Versicherungsbranche noch eine geringe Rolle. Im Mittelpunkt der Marketingmaßnahmen steht hier hauptsächlich die Kundenakquise und weniger die Kundenbindung. Dabei ist es gerade bei Unternehmenskonzepten mit einer hohen Fluktuation wie in der KFZ-Versicherungsbranche sinnvoll, Kunden per E-Mail-Marketing an das Unternehmen zu binden. Auch und gerade beim Onboarding auf den Kundenportalen haben die Tarif-Anbieter noch großen Nachholbedarf. Kunden melden sich oft einmal an und wissen gar nicht, was sie dort wie und wo nutzen können. Das Thema Drip-Marketing, also eine strategische Onboarding-Unterstützung per Mail oder Messenger ist bei vielen Tarif-Anbietern noch nicht angekommen.

Fazit:

Tarif-Anbieter müssen flexibler werden und ganzheitlicher über alle Touchpoints denken. Von der Analyse vorhandener Kundendaten bis zur stetigen Kampagnen-Optimierung werden künftig Big Data Experten gebraucht. Mobile wird kurz- bis mittelfristig kein Kanal zum Abschluss neuer Verträge, aber ein unverzichtbarer Kanal für Services und Support

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