Sechs Mythen über die Blockchain Technologie

Severin Kranz
mm1 consulting
Published in
5 min readJun 20, 2019

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Langsam, aber nicht manipulierbar? Über die Blockchain sind viele Mythen im Umlauf. Manche Unternehmen behaupten, mit ihren Blockchain-Lösungen die Welt verändern zu können. Die Blockchain Technologie lässt nicht all unsere Probleme verschwinden — allerdings bieten sogenannte Distributed Ledgers in vielen Bereichen valide Use Cases. Nachdem mm1 mit dem Blockchain Labor den Status Quo von Blockchain Projekten im Schweizer Finanzbereich analysiert hat, möchten wir im Folgenden die gängigsten Irrtümer ausräumen.

Ein Artikel von Severin Kranz und Franziska Foeller

English available version here

Sechs Mythen über Blockchain

1. Blockchain = Bitcoin

Mit seinem Whitepaper „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System” hat Satoshi Nakamoto technisch erstmals das Problem der Doppelverwendung von digitalisierten Vermögenswerten verhindert und somit den Bitcoin als digitales Zahlungsmittel ins Leben gerufen. Die dezentrale Datenstruktur, welche dem Bitcoin unterliegt, ist heute unter dem Begriff Blockchain bekannt und ermöglicht eine sichere Datenhaltung von Transaktionen aller Art ohne regulierende Intermediäre. Die Blockchain ist demnach weit mehr als eine digitale Währung.

2. Daten auf einer Blockchain sind nicht manipulierbar

Öffentliche Blockchains wie Bitcoin oder Ethereum bieten aufgrund der verteilten Datenspeicherung eine hohe Datenintegrität, durch eine grosse Anzahl von Netzwerkknoten und der gemeinsamen Validierung von Transaktionen. Eine Datenmanipulation benötigt bei einer klassischen Blockchain (Proof-of-Work) mehr als die Hälfte der Rechenleistung des gesamten Netzwerks und wird deshalb als unwahrscheinlich angesehen. Nichtsdestotrotz finden immer wieder Hackerangriffe auf verschiedene Blockchains statt, welche teilweise auch erfolgreich sind. Generell sind Blockchains mit weniger Netzwerkknoten leichter angreifbar. Zudem kommen Programmfehler (insbesondere bei Smart Contracts) oder die Kompromittierung der Zugangsdaten häufiger vor. Private Blockchains validieren Transaktionen oft durch Teilnehmer mit Admin-Berechtigungen, welche in der Lage sind dem Netzwerk zu schaden. Die Sicherheit einer Blockchain hängt demnach stark von ihrer Art und Architektur ab und steht in direkter Konkurrenz mit der Effizienz der jeweiligen Plattform.

3. Eine Blockchain ist langsam und braucht viel Energie

Ein gängiges Argument gegen Bitcoin und Blockchain ist der hohe Energieverbrauch. Dieser beruht auf der gemeinsamen Transaktions-Validierung der sogenannten Miner durch das Lösen komplexer kryptografischer Rechenaufgaben. Während der Proof-of-Work Algorithmus als sicher gilt, bedingt er eine geringe Effizienz bei hohem Energieverbrauch. Um dieses Problem zu lösen gibt es allerdings eine Vielzahl von Lösungsansätzen. Zahlreiche Programmierer arbeiten an der Verwendung alternativer Algorithmen (z.B. Proof-of-Stake) für die Validierung von Transaktionen oder versuchen durch die Beschränkung und Kontrolle der Netzwerkteilnehmer (z.B. private oder zugangsbeschränkte Blockchains) die Energieeffizienz durch höhere Transaktionsdurchsätze zu realisieren.

4. Alle Daten auf einer Blockchain sind öffentlich

Wie der Name schon sagt, sind Transaktionen auf einer öffentlichen Blockchain jederzeit uneingeschränkt einsehbar. Obwohl Teilnehmer durch Pseudonyme interagieren, lassen sich Transaktionen theoretisch (mit viel Aufwand) bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen. Private oder zugangsbeschränkte Blockchains versuchen die Privatsphäre durch die Kontrolle der Teilnehmer oder Rollenkonzepte zu erhöhen. Öffentliche Blockchain-Projekte arbeiten an Verschlüsselungstechniken oder an Lösungen, bei welchen gewisse Transaktionen ausserhalb der Blockchain durchgeführt werden um die Privatsphäre zu erhöhen. Generell gilt, dass zwischen der Sicherheit und der Privatsphäre ein Trade-off besteht. Die Wahl der passenden Datenarchitektur hängt demnach stark vom jeweiligen Use-Case ab.

5. Blockchain-Projekte sind nicht reguliert

Eine Blockchain schafft Vertrauen zwischen unbekannten Akteuren und kann dadurch Intermediäre wie Banken, Versicherer teilweise ersetzen. Da es sich noch um eine sehr junge Technologie handelt, ist der Markt zurzeit noch wenig reguliert. Trotzdem müssen sich Krypto-Börsen bei der Ausgabe von Krypto-Währungen an die bestehende Gesetzgebung halten und somit KYC- (know your customer) und AML-Prozesse (anti money laundring) einhalten. Regulatoren beobachten den Markt und setzen bereits erste Maßnahmen um. So möchten die Schweiz und auch Deutschland die bestehende Gesetzgebung punktuell anpassen, um offene Fragen pragmatisch zu adressieren. Staaten wie Liechtenstein, Malta oder Luxemburg hingegen regulieren den neuen Wirtschaftszweig mit einem dedizierten Gesetz. Wichtig für Regulatoren ist hierbei, nahe an den aktuellen technologischen Entwicklungen dabei zu bleiben und eine Überregulierung in diesem frühen Stadium zu vermeiden.

6. Für mein Projekt benötige ich eine Blockchain

Getriggert durch den Hype rund um Blockchain und Distributed Ledger Technologies, haben im vergangenen Jahr zahlreiche Unternehmen aus den unterschiedlichsten Sektoren Pilot-Projekte zur Anwendung von Blockchain gestartet. Obwohl es vorbildlich ist, sich mit der neuen Technologie vertraut zu machen, gilt es in der Zukunft jedoch bestehende Use-Cases strukturiert zu prüfen. Generell ist die Nutzung einer Blockchain sinnvoll, wenn Vertrauen zwischen unterschiedlichen Parteien über eine gemeinsame Datenbank hergestellt werden soll, eine hohe Sicherheit und somit Datenintegrität benötigt wird.

mm1 unterstützt Unternehmen auf dem Weg von der Ideengenerierung über die Wahl der Technologie und Partner bis zur Realisierung ihrer Blockchain-Initiativen.

Dieser Artikel ist Teil einer Artikelserie über Blockchain-Technologie. Lesen Sie weitere Artikel aus unserem Blockchain-Team:

1. Blockchain in 100 Wörtern
2. 6 Mythen über Blockchain
3. Arten von Blockchains
4. Die Token-Ökonomie
5. Anwendungsgebiete der Blockchain-Technologie
6. mm1 Blockchain Use Case Assessment
7. Blockchain im Mobilitätsbereich
8. mm1 Vorgehen für Blockchain-Initiativen

Severin Kranz arbeitet seit mehreren Jahren als Consultant im Fintech-Bereich sowie in der Vermögensverwaltung. Seit 2015 setzt er sich zudem intensiv mit dem Kryptowährungen und Distributed Ledger Technologien auseinander. Durch seinen Master in Business Innovation an der Universität St. Gallen hat er sich Geschäftsmodell-Innovationen sowie menschzentrierten Innovationen durch Design Thinking spezialisiert.

Franziska Foeller ist eine erfahrene Beraterin im Management innovativer Projekte, insbesondere im Mobilitätsumfeld. Ihre fachliche Expertise im Automobilbereich und der digitalen Transformation erlauben es ihr wertorientierte Lösungen unter Berücksichtigung neuster Technologien, wie z.B. Blockchain zu entwickeln. Dabei helfen ihr ihre inter- und transkulturellen Erfahrungen, welche sie u.a. während ihres Studiums in China und ihrer Arbeit in diversen internationalen Teams sammelte.

Quellen:

Brandenberg, L. (2018, 15. Dezember). Der Bund will massvolle Regulierung und verzichtet auf ein Blockchain-Gesetz | St.Galler Tagblatt. Abgerufen 20. März, 2019, von https://www.tagblatt.ch/wirtschaft/bund-verzichtet-auf-blockchain-gesetz-ld.1078625

Busby, M. (2018, 1. Februar). Blockchain is this year’s buzzword — but can it outlive the hype? Abgerufen 3. März, 2019, von https://www.theguardian.com/technology/2018/jan/30/blockchain-buzzword-hype-open-source-ledger-bitcoin

Nakamoto, S. (2008). Bitcoin: A peer-to-peer electronic cash system

Weizsäcker, F. v. (2018, 26. September). Acht Missverständnisse über Blockchain. Abgerufen 28. Januar, 2019, von https://netzpolitik.org/2018/acht-missverstaendnisse-ueber-blockchain/

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