Photo by Tim Gouw on Unsplash

How-To: EXIST — Gründerstipendium

Das EXIST-Gründerstipendium ist eine unglaubliche Chance für Forschungsnahe Ideen, sich zu finanzieren und aus der Wissenschaft an den Markt zu gehen. Was dazugehört, was man wissen sollte und was wir gelernt haben.

Maximilian Franz
Published in
6 min readSep 2, 2020

--

Oder anders gefragt: How to EXIST?

Was nach einer tiefen philosophischen Frage über das Sein in dieser Welt klingt, ist eigentlich eine ganz praktische Überlegung: Was bedeutet es, einen Antrag für das EXIST Gründerstipendium (EXIST) zu stellen? Was gehört dazu? Was ist wichtig? Was hätten wir lieber vorher gewusst?

Für viele Startups, wie auch für uns, ist es ein großer Schritt, sich an das EXIST zu wagen. Und bekanntlich weiß man danach immer mehr. Daher wollen wir hier festhalten, was wir im Laufe des Antrags gelernt haben.

Der aktuelle Stand ist, dass unser Antrag angenommen wurde. Ab September starten wir in die Förderung und werden entsprechend fortlaufend Updates zu organisatorischen Belangen geben.

Zusammen mit diesem Artikel möchten wir euch gerne unser Ideenpapier zur Verfügung stellen. Wir hatten auch die Chance bei zwei anderen Teams in den Antrag zu schauen und es hat uns enorm bei der Ausarbeitung geholfen. Den Antrag findet ihr jetzt hier — lasst uns gerne wissen, wenn er euch hilft!

Für wen ist das EXIST?

Das EXIST ist ausgerichtet auf eine ganz spezielle Gruppe von Startups. Der Fokus liegt auf dem Transfer von Forschungswissen in die Wirtschaft, das heißt Student*innen und Forscher*innen werden dabei unterstützt, Ihre Ideen und Forschungsergebnisse in die Praxis zu bringen und zu kommerzialisieren. Langfristig, so u.a. die Argumentation, soll EXIST dazu dienen, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, mehr Forschungsergebnisse in der Gesellschaft nutzbringend angewendet werden und damit letztendlich auch Rückflüsse in das System, z.B. in Form von Steuereinnahmen, generiert werden.

Daraus ergibt sich einiges für den Inhalt und den aktuellen Stand eurer Idee:

  • Eure Idee sollte idealerweise auf aktuellen Forschungsarbeiten basieren. Sei es eine Bachelor- oder Masterarbeit oder gar eine Promotion, je mehr Bezug ihr zur Forschung in dem entsprechenden Bereich habt, desto besser.
  • Ihr habt die Idee vollständig durchdacht und schon am Markt validiert.
  • Ihr seid ein komplementär aufgestelltes Team, das sich besonders gut zur Umsetzung der Idee eignet. D.h. ihr habt verschiedene Kompetenzen innerhalb des Teams, ihr habt ein gutes Netzwerk, habt im Idealfall erste Kunden und eben den genannten Bezug in aktuelle Forschungsfelder.
  • Die Idee für das Produkt oder die Dienstleistung muss innovativ und das Geschäftsmodell muss skalierbar sein. Ihr müsst im Stande sein, aufzuzeigen, dass ein großer Markt für die Lösung besteht.
  • Gleichzeitig dürft ihr oder euer Unternehmen noch nicht vollständig auf eigenen Beinen stehen. Das bedeutet:
  • Ihr verdient noch nicht genug Geld, um euch selbst zu finanzieren.
  • Ihr verkauft, wenn überhaupt, nur vereinzelt eure Lösung — das ist als GbR sowieso nur bedingt möglich.
  • Ihr habt noch keine Kapitalgesellschaft (UG, GmbH, etc.) gegründet.

Das Ideenpapier

Zentraler Bestandteil des Antrags ist das Ideenpapier (Anlage 2). Je nachdem über welche Universität ihr den Antrag stellt, bekommt ihr dafür Unterstützung von einem Betreuer aus dem Gründernetzwerk an der Hochschule/Universität/Forschungseinrichtung oder aus der Region. In unserem Fall war der Betreuer Dr. Rolf Blattner vom Innovations- und Relationsmanagement (IRM) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Herr Blattner ist Teil des Teams der Gründerschmiede am KIT. Die Gründerschmiede ist das offizielle Gründernetzwerk am KIT. Die Gründernetzwerke in eurer Region findet ihr auf der Webseite von EXIST. Die Unterstützung von Herr Blattner war sehr intensiv und inhaltlich extrem hilfreich. Auch deshalb wollen wir hier einige der Learnings für die Ausarbeitung des Ideenpapiers für euch festhalten.

Das Ideenpapier fordert von euch ein vollständiges Business Modell, ähnlich dem Business Model Canvas oder dem Systemischen Business Modell. Allein deswegen liegt großes Potential in der Ausarbeitung. Wie jedes strukturierte Business Modell, hilft euch die Struktur des Ideenpapiers, eure Vorstellungen klar zu formulieren und visuell zu vermitteln. Solltet ihr schon eine schriftliche und visuelle Darstellung eures Business Modells haben, umso besser. Dann gilt es lediglich, diese zu übertragen.

Solltet ihr über einen Antrag für EXIST nachdenken, meldet euch möglichst früh beim entsprechenden Gründernetzwerk. Antragsteller und Zuwendungsempfänger ist immer die Einrichtung, die euch betreut — nicht ihr persönlich! Von der Abgabe des Antrags beim Projektträger Jülich bis hin zum frühestens Förderbeginn solltet ihr mit mindestens drei Monaten rechnen.

Zum Schreiben

Den ersten Entwurf unseres Antrages hatten wir innerhalb von einer Woche weitestgehend fertiggestellt. Nichtsdestotrotz vergingen von der ersten Konzeption bis zum Absenden des vollständigen Antrages fast drei Monate. Warum?

Zum Einen ist es wichtig, oft zu iterieren. Das heißt, früh schreiben und dann immer wieder Feedback einholen, verfeinern und kürzen. Wir haben nach einer schnellen Konzept-Session direkt begonnen, den Volltext auszuformulieren. Das war enorm wichtig, um Argumente klarzustellen. Das Ideenpapier ist quasi eine wissenschaftliche Arbeit und muss entsprechend stichhaltig und klar formuliert sein.

Auf der anderen Seite besteht der Antrag nicht nur aus Text. Auf den Hinweis von Dr. Blattner hin, haben wir beträchtlichen Aufwand in die graphische und inhaltliche Ausarbeitung der Darstellungen gesteckt, denn das Auge liest bekanntlich mit. Gerade hier ist es wahnsinnig wichtig, Feedback einzuholen, denn für euch sind die Grafiken natürlich selbstverständlich. Wichtig ist aber, was jemand von einem Schaubild mitnimmt, der dieses noch nie gesehen hat. Welchen Eindruck vermittelt es? Welche Informationen bleiben hängen?

Fragt eure Freunde, Bekannte, das betreuende Institut und eure Pilotpartner*innen nach Feedback, denn je mehr Leute euer Dokument lesen, desto sicherer könnt ihr euch der Qualität sein. Gerade Dozent*innen haben ein sehr gutes Verständnis von wissenschaftlichem Schreiben und können wertvolles Feedback geben.

Inhaltliche Tipps

In Kurzform, hier einige Tipps zum Inhalt:

  • Stellt den Forschungszusammenhang dar. Immer wieder. EXIST soll unterstützen, dass bereits staatlich bezahlte Forschung zur Anwendung in der Wirtschaft kommt. Diese Brücke solltet ihr in eurem Text klarstellen. Das heißt im Netzwerk, in der Produktinnovation und bei der Vorstellung des Teams.
  • Verwendet Schaubilder, lieber mehr als weniger. Auch wenn es eine wissenschaftliche Arbeit ist, soll sie nicht langweilig sein. Graphisch gut aufgebaute Schaubilder dienen als Blickfang und hinterlassen — wenn richtig ausgeführt — einen guten, klaren Eindruck.
  • Bildet ein aussagekräftiges Netzwerk und stellt dieses vor. Das Netzwerk kann aus Mentor*innen, einem Beirat und Pilotkund*innen bestehen. Es soll darstellen, dass ihr als Team und aufgrund der Unterstützung durch euer Netzwerk, die Richtigen seid, um die Idee auch umzusetzen.

Was hätten wir lieber vorher gewusst?

Wie bei allem, weiß man nach dem Antrag auf EXIST mehr als davor. Einige Steine, die uns trotz des allgemein guten Ablaufs im Weg lagen, wollen wir hier kurz aufzeigen. Vielleicht könnt ihr sie so umgehen.

  • Ihr braucht Pilotpartner, bzw. Pilotkunden um die Validität eurer Idee darzustellen. Diese sollten mit die ersten sein, mit denen ihr über euer Vorhaben der Gründung eines Unternehmens sprecht. Denn vom ersten Kontakt (falls er noch nicht besteht) bis zur unterschriebenen Kooperationsvereinbarung können je nach Größe des Unternehmens einige Wochen oder gar Monate vergehen. Also: Geht direkt auf die potentiellen Partner/Kunden zu und stellt klar, was ihr fordert und was die Partner/Kunden davon haben. Im Anhang unseres Antrags findet ihr eine prototypische Vorlage unserer Kooperationsvereinbarung.
  • Überzeugt das Institut, das euch betreuen soll, von eurer Idee. I.d.R. wird der Institutsleiter für den Antrag euer offizieller Mentor. Lest euch die Anlagen des Antrags genau durch und klärt ab, was für das Institut an Aufgaben und Arbeitsaufwand anfällt, wenn es euch betreut. Das ist besonders wichtig, falls an diesem Institut noch kein EXIST betreut wurde.
  • Lernt alle Details des Antrags. Der gesamte Antrag mit acht Anlagen und AZA Formular ist enorm umfangreich, erfordert Unterschriften von verschiedenen Institutionen an verschiedenen Stellen und muss am Ende 100% fehlerfrei sein. Strukturiert euch daher ganz klar, wer welche Anlage unterschreiben muss und wann. Sprecht das immer wieder mit eurem Betreuer vom Gründernetzwerk durch, damit nicht am Ende eine Anlage oder Unterschrift untergeht. Die Leitfrage: Was sind die nächsten Schritte und wer macht Sie?
  • Geht früh auf das Gründernetzwerk zu, um alle Details zu klären und ggf. wichtige Kontakte zu knüpfen.

Wie geht es weiter?

Wir starten in den EXIST Förderzeitraum ab September 2020. Wir wollen hier Stück für Stück auch unsere Erfahrungen bei der Ausführung sammeln zum Thema Abrechnung von Sachausgaben oder Coachings.

Bis dahin hoffen wir, dass der Artikel und unser gekürzter Antrag euch helfen. Viel Erfolg beim Schreiben!

--

--

Maximilian Franz
Editor for

Enabling a rapid planning process for modern timber buildings with @ModuGen.