Wider die drohende Maskenpflicht

Vorsicht vor der Maske!

Ralf Westphal
Nachdenken im Corona-Chaos
5 min readApr 19, 2020

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Da kommt was auf uns zu: Laut Spiegel will die Bundesregierung ein “Maskenfest” veranstalten.

Im Kampf gegen das Coronavirus will sich die Bundesregierung mit Atemschutzmasken rüsten. Aktuell rechnet die Politik damit, dass Milliarden Masken im Land benötigt werden. “Wenn wir allen Menschen in Deutschland das Arbeiten, Einkaufen und Busfahren mit Mundschutz ermöglichen möchten, brauchen wir zwischen acht und zwölf Milliarden Masken pro Jahr”, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)

Damit lässt die Regierung die Masken fallen, was ihren Willen zur Bekämpfung einer Krankheit angeht, die Menschen sterben lässt, die lt. Rechtsmediziner Prof. Püschel (Hamburg) “alle im Verlauf dieses Jahres [ohnehin] gestorben wären.”

Bei der Regierung die Masken also runter, bei der Bevölkerung so bald als möglich aber die Masken rauf. Das ist die Reaktion auf “eine vergleichsweise harmlose Viruserkrankung” (ebd.). Tausende Todesfälle durch Krankenhauskeime jedes Jahr stacheln zu keiner Hygiene-Offensive an. Tausende Selbstmorde jedes Jahr stacheln zu keiner Sensibilitäts-Offensive an. Eine Krankheit jedoch, die bisher keine erhöhte Sterblichkeit verursacht hat, die führt zu einer Lockdown-Offensive?

Und jetzt auch noch “Maskenfest für alle” ab Sommer?

Auch wenn der Sommer noch etwas hin ist, wissen wir, wie sowas ausgeht: Die Sunk Cost Fallacy wird dazu führen, dass wo Milliardenkosten schon entstanden sind, sie auch irgendwie durch Einsatz des Bezahlten gerechtfertigt werden müssen. Zu befürchten ist deshalb, dass die Maskenpflicht flächendeckend im Sommer kommen wird — egal wie sich eine Infektionszahl entwickeln wird. Geht sie rauf oder ist quasi unverändert, dann ist Maskenpflicht alternativlos. Sinkt sie weiter, dann ist Maskenpflicht die vorbeugende Maßnahme. Wer wollte denn riskieren, dass es wieder schlimmer wird?

Konsequent wird dann sein müssen, die Maske nicht nur beim Einkaufen oder im ÖPNV aufzuziehen. Denn es wäre ja widersinnig, im Kino oder auf der Kirmes oder auch nur im Großraumbüro die Maske abzusetzen. (Wenn denn überhaupt in diesem Jahr noch so große Menschenansammlungen erlaubt werden sollten.)

Man lasse sich auch das “pro Jahr” auf der Zunge zergehen! Hier wird nicht an eine einmalige Maßnahme gedacht, sondern an einen Dauerzustand! 2020 ist das Jahr der Wende: Nach der Postmoderne kommt der Karneval. Ab jetzt bis auf weiteres gilt: Nur mit Maske ist der Bürger rücksichtsvoll!

Eben war der Schleier im Klassenraum noch ein Tabu. Das ging ja gar nicht. Da mussten Urteile gesprochen werden, damit die Vermummung aufhört. Doch jetzt verschwindet eine Nation ohne Murren unter der Maske?

Ich habe nicht gedacht, so etwas nochmal im Leben denken zu müssen, doch hier sehe ich keine Alternative: Der Widerstand muss sich formieren. Und zwar schon jetzt. Mindestens im Kopf, damit die Entscheidung im rechten Moment reflexartig getroffen wird. Das Nein zur allgemeinen Maskenpflicht muss schon vorprogrammiert werden im Gewissen, sonst ist es nicht stark genug gegen den Übergriff von Regierung und Vollzeitbesorgten, wenn es nötig wird.

Eine vermaskete Nation, eine vermummte Nation, dass darf doch nicht das Schicksal von Jung und Alt in Deutschland (oder später der EU?) sein. Menschen, die anderen nicht mehr ins Gesicht schauen können. Wie vielen Grundbedürfnissen will sich eine Regierung noch in den Weg stellen zum Schutze einer unbekannten (!), in jedem Fall winzigen (!) Minderheit.

Zuerst Plexiglaswand im Supermarkt an der Kasse wie zu Zeiten der RAF — nur schlimmer, weil überall und nicht nur in der Bank. Dann Masken für alle wie im schlechten Western — nur schlimmer, weil immer und nicht nur beim Bankraub.

Der Schaden, den die Therapie anrichten wird, schießt immer weiter über das Ziel hinaus. Gezählt wird mit einer einzelnen Metrik — Infektionszahl — und alles andere hat sich der unterzuordnen? Und die wird kumuliert zwangsläufig steigen. Immer. Per definitionem.

Ja, gibt es denn keine, aber auch keine Lehre aus der Geschichte, die an Lehren hier reich ist, die auch mal einen Politiker mit Wiederwahlwunsch ereilen könnte? Was das Starren auf eine einzelne Metrik anrichtet, kann lesen, wer des Lesens kundig ist, wenn er oder sie mal nach dem “Cobra effect” googlet.

Zum Schluss noch eine kleine Erinnerung an eine Zeit, als die Angst auch groß war. Deutschland sah sich einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt. Und es stand einer auf und rief:

“Wir sind entschlossen, unser Leben mit allen Mitteln zu verteidigen!”

Da jubelte das Volk!

Denn alle fühlten es:

“Die Gefahr, vor der wir stehen, ist riesengroß. Riesengroß müssen daher auch die Anstrengungen sein, mit denen wir ihr entgegentreten. Es ist also jetzt die Stunde gekommen, die Glacéhandschuhe auszuziehen.”

Da jubelte das Volk abermals.

Es war nun bereit für die alles entscheidende Frage:

“Wollt ihr [die Gegenwehr] wenn nötig totaler und radikaler als wir [sie] uns sonst überhaupt erst vorstellen können?”

Da rief das Volk laut “Ja!” Denn es war bereit für jedes Opfer und gewiss, in seiner Solidarität auch dem stärksten Feind trotzen zu können.

So sollte es dann sein. Das Volk hatte entschieden. Die Volksvertreter waren im Grunde nur Umsetzungsgehilfen. Die Gegenwehr wurde also totaler und radikaler, als alle es sich überhaupt hatten vorstellen können.

Dass heute Glacéhandschuhe oder besser Latex-Handschuhe eher angezogen denn ausgezogen werden sollen, ist ein marginaler Unterschied. Der Fortschritt ist eben nicht aufzuhalten. Masken auf, Handschuhe an — oder besser noch: gar nicht erst rausgehen und Menschenansammlungen vermeiden. Solche wie früher muss es ja auch nicht mehr geben, um Zustimmung zu bekunden. Das kann man heute über Forsa-Umfragen und Social Media auch tun.

Und wer hat’s gesagt, wer hat dem Volk Klarheit und Einfachheit gegeben? Das herauszufinden, überlasse ich den digital natives mit ihrer Recherchekompetenz.

Jedenfalls: Damals waren die Menschen auch voller Angst. Damals wollten die Menschen auch, dass einfach mal einer klar ansagt, was so ganz alternativlos ist. Sie haben bekommen was sie wollten.

Nur ein bisschen schade, dass dafür am Ende doch so viele leiden mussten, dass sie diese Klarheit und Einfachheit in ihr Leben eingeladen hatten. Das hatte man sich wohl nicht so gedacht und gewünscht.

Aber so passiert es immer wieder. Wer alles auf eine Karte setzt — lies heute: “Gesundheit geht über alles!” — , wird am Ende alles andere verlieren. Und das höchste Gut obendrein auch noch. Denn was social distancing auf immer mehr Weisen direkt oder indirekt mit Menschen macht, ist ja noch gar nicht auszudenken. Dafür gibt es keine Erfahrungswerte — es sei denn, man wagt mal einen Blick auf Gedanken und Experimente der Bindungstheorie. Denn wie sollen wir Bindungen jenseits unserer vier Wände aufbauen und pflegen, wenn wir uns massenhaft nicht mehr ins Gesicht schauen?

Heute ist vor der Geschichtsaufarbeitung. Die wird kommen. In ein paar Jahren. Dann wird gefragt: “Warum habt ihr euch das gefallen lassen?” oder “Warum habt ihr alle mitgemacht?”

Dann auf Politiker zu zeigen, taugt allerdings nicht so einfach als Antwort. George Carlin macht das sehr schön plastisch, finde ich. Was er da sagt, hat nichts speziell mit Amerika(nern) zu tun. Es betrifft die Bürger jeder Nation.

Mit meinem Wohnsitz in Bulgarien bin ich auf Deutschland zum Leben nicht mehr angewiesen, ihm aber natürlich immer noch sehr verbunden. Deshalb lasse ich mir das Eingangszitat doch noch etwas angehen. Außerdem fürchte ich, dass am Ende auch Bulgarien mit solch überzogenen Maßnahmen aufwarten wird. Immerhin sucht man dort mehr Nähe zur EU. Als “Musterschüler” könnte man sich dafür größere Chancen ausrechnen. Deshalb ist für mich die Frage sehr grundsätzlich: Wo will ich eigentlich wie leben? Dazu ist mir klar geworden, in einem Land mit allgemeiner Maskenpflicht möchte ich nicht leben.

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Ralf Westphal
Nachdenken im Corona-Chaos

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