Warum wir nicht alle Verbrenner durch E-Autos ersetzen sollen
Wir zeigen, wie eine Familie gleichzeitig CO₂-Ausstoß sowie Alltagstauglichkeit ihres Fuhrparks optimiert. Die Lösung überrascht.
Es gibt bereits eine Vielzahl an Studien, welche die Treibhausgasemissionen bzw. die Kosten eines E-Autos (auch “BEV”) mit jenen eines Verbrenners vergleichen. Weniger erforscht ist die Optimierung des Problems für eine Gemeinschaft (z.B. Haushalt), welche zwei Autos benötigt.
Um diese Lücke zu füllen, sowie aus Eigeninteresse, haben wir für diese Studie ein realistisches Szenario im Detail simuliert.
Wir optimieren dabei die folgenden zwei Kriterien, um zu einer ausgewogenen und praktikablen Lösung zu kommen:
- Klimabilanz. Der CO₂-Ausstoß soll über die gesamte Lebensdauer (ink. Auto- und Batterie-Herstellung, Treibstoffbereitstellung, usw.) minimiert werden.
- Alltagstauglichkeit. Laden bzw. Tanken bedeutet Zeitverlust und Organisation. Darum soll unsere Lösung an möglichst wenigen Tagen im Jahr mehr als einmal Nachladen/-tanken am Tag erfordern.
Da die gesamte Studie etwas komplexer angelegt ist, rollen wir ausnahmsweise alles von hinten auf: zuerst die Ergebnisse und Schlussfolgerungen, im Anschluß die Annahmen und Details der Simulation.
Inhalt
- Ergebnis der Studie
- Simulation: Annahmen
- Simulation: Details
- Simulation: Ergebnisse
- Der Sieger
- Zusammenfassung & Ausblick
Ergebnis der Studie
Wie versprochen, beginnen wir mit dem Ergebnis. Details und Annahmen folgen später. Die wesentlichen Erkenntnisse sind:
- Unter realistischen Annahmen ist es für eine Familie/Autogemeinschaft optimal, je einen Verbrenner sowie ein Elektroauto zu nutzen.
- Das Elektroauto soll im täglichen Einsatz immer dann vorgezogen werden, wenn die Tagesstrecke kurz ist, bzw. wenn die Strecke mit maximal einem Nachladen bewältigt werden kann.
- Da die Batterie-Herstellung CO₂-intensiv ist, sollte das Elektroauto einen möglichst kleinen Akku besitzen (z.B. 45 kWh).
- Im Gegensatz zur Nutzung zweier E-Autos wird die Notwendigkeit eines zweiten Nachtankens/-ladens innerhalb eines Tages drastisch reduziert (auf ein Hundertstel), falls das Zweitauto ein Verbrenner ist.
Falls ein Elektroauto vorwiegend für Kurz- und Mittelstrecken zum Einsatz kommt, kann der Großteil der Ladungen Zuhause in der eigenen Garage stattfinden. Das spart Zeit und Kosten, und eine eventuell vorhandene Photovoltaik-Anlage (PV) würde den CO₂-Ausstoß zusätzlich verringern.
Eine weitere interessante Erkenntnis:
- Der Einsatz zweier E-Autos mit jeweils großer Batterie ergibt für unser Szenario eine ziemlich schlechte Klimabilanz.
Wer nun neugierig geworden ist, wie wir zu diesen Resultaten gekommen sind, bekommt in den nächsten Abschnitten Einblick in die Details …
Simulation: Annahmen
Für unsere Simulation mussten wir einige Annahmen treffen. Ein Teil der Annahmen basiert auf Literaturrecherche, der zweite Teil der Annahmen bezieht sich hingegen auf die Definition des untersuchten Szenarios. Das Simulationsmodell ist jedenfalls für sich verändernde Parameter schnell und leicht anpassbar.
Um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, haben wir uns auf typische Kennwerte von Fahrzeugen der Kompaktklasse beschränkt. Diese Klasse schließt auch jene Modelle ein, welche in Europa derzeit den größten Marktanteil stellen (VW Golf, VW ID.3).
Gehen wir die Annahmen also einzeln durch:
CO₂-Ausstoß pro Energie-Einheit
- 0.468 kg CO₂ pro kWh Strom.
- 3.140 kg CO₂ pro Liter Benzin.
- 3.310 kg CO₂ pro Liter Diesel.
Die erste Annahme beruht auf den europäischen Strom-Mix “EU2014” (1). Da E-Autos während der Fahrt keine Treibgase ausstossen, handelt es sich dabei ausschließlich um die Abgase für die Energiebereitstellung. Für einen fairen Vergleich dürfen diese nicht ignoriert werden.
Auch die Abgase der Verbrenner wurden um die CO₂-Last während der Treibstoff-Produktion erhöht, um den Gesamtausstoß zu berechnen (2).
CO₂-Ausstoß bei der Herstellung und Entsorgung des Fahrzeugs
Nach (1) wird bei der Herstellung eines Kompaktklassefahrzeugs folgende Menge an Treibhausgasen (oder CO₂) ausgestoßen:
- 8110 kg CO₂ für ein Elektroauto (BEV)
- 7425 kg CO₂ für ein Benzin-Fahrzeug
- 7609 kg CO₂ für ein Diesel-Fahrzeug
Für das Elektroauto kommen zusätzlich 145 kg CO₂ pro kWh Batteriekapazität hinzu. Ein Akku mit einer Kapazität von 50 kWh kommt somit auf zusätzliche 7250 kg CO₂ für die Herstellung sowie Entsorgung der Batterie.
Verbrauch
Für den Verbrauch haben wir dieselbe Quelle (1) herangezogen, um konsistent zu bleiben. Nachfolgend die Annahmen, in der üblichen Einheit Liter bzw. kWh pro 100 Kilometer:
Multipliziert man die Daten des Ausstoßes pro kWh bzw. km mit dem Verbrauch, so ergibt sich bereits der CO₂-Ausstoß pro Kilometer. Damit lassen sich Fahrzeugtypen in den verschiedenen Einsatzgebieten (“Straßentypen”) bereits gut vergleichen:
Definition des Szenarios
Das Szenario, welches wir simulieren, bildet grob den typischen Mobilitäts-Alltag einer Familie ab. Wir gehen davon aus, dass pro Jahr wenige längere Fahrten (z.B. Urlaub) sowie eine Vielzahl von kleineren Fahrten durchgeführt werden.
Die folgende Tabelle definiert die Einzelheiten dazu. Die unter “Strassentyp” angeführten Kennzahlen sind sogenannte “Auto-Tage”. Die Zahl 100 in der Spalte “Innerorts” bedeutet, dass an hundert Tagen pro Jahr ein Fahrzeug benötigt wird, welches eine Gesamtstrecke von 5–10 km hauptsächlich “Innerorts” bewältigt.
In Summe ergibt dies 27.625 km pro Jahr, an 385 “Auto-Tagen”. Wenn man als weiteren Parameter noch die Anzahl der “autofreien” Tage mit 20 angibt, resultieren die Tage, an denen exakt ein Auto bzw. beide Autos im Einsatz sind, als 325 bzw. 40.
Eine kurze Kontrolle ergibt korrekt: 20 x 0+ 325 x 1 + 40 x 2= 385.
Für unsere Simulation können wir alle Parameter in diesem Abschnitt natürlich beliebig anpassen.
Simulation: Details
Um brauchbare Ergebnisse zu erhalten, haben wir eine sogenannte “Monte-Carlo”-Simulation benutzt. Im Prinzip wird für die Dauer von 10 Jahren Tag für Tag per Zufall ermittelt, ob 0, 1 oder 2 Autos im Einsatz sind, und welche Strecken gefahren werden.
Ein erforderliches Tages-Pensum eines “2-Auto-Tages” könnte z.B. wie folgt aussehen:
- Strecke A: 7 km, Innerorts.
- Strecke B: 980 km, Autobahn.
Zufall bedeutet in diesem Fall, dass im Schnitt natürlich die Verteilung der Tabelle des Abschnitts Szenario nachgebildet wird, aber nach 10 Jahren trotzdem mal mehr oder eben weniger Autobahn- oder Kurzstrecken vorkommen können.
Je nachdem, für welche 2 Autotypen (aus BEV, Benzin, Diesel) die Simulation durchläuft, wird für einen Tag die eine oder andere Auto-Auswahl zum Einsatz kommen.
Unser Entscheidungs-Kriterium pro Tag lautet wie folgt:
- Falls nur eine Strecke zu befahren ist, nehmen wir das Auto mit dem geringsten CO₂-Ausstoß. Vorausgesetzt, dass diese Strecke mit maximal 1x Aufladen/-tanken bewältigt werden kann.
Andernfalls wählen wir das Fahrzeug mit der größeren Reichweite. - Falls zwei Strecken zu befahren sind, teilen wir die Fahrzeuge den Strecken so zu, dass die Summe des Tages-CO₂-Ausstoßes minimiert wird. Sollte dafür eines der Fahrzeuge öfters als einmal laden bzw. tanken müssen, so weisen wir dem Fahrzeug mit der größeren Reichweite die längere Strecke zu.
Die Regel ist damit klar bestimmt und relativ einfach. Man sieht schon: Kombination aus CO₂-Minimierung, aber Vermeidung eines “Dauer-Tank-Tages”.
Da die Batteriekapazität entscheidend ist, verwenden wir folgende 5 Auto-Typen:
- BEV mit 45 kWh
- BEV mit 60 kWh
- BEV mit 85 kWh
- Benziner mit Tank zu 55 Litern
- Diesel mit Tank zu 55 Litern
Übrigens spielt das Fassungsvermögen der Tanks von Verbrenner in den Ergebnissen eigentlich keine Rolle.
Simulation: Ergebnisse
Für jede Kombination aus zwei Fahrzeugtypen (auch zweimal des selben Typs) wurden 50 Simulationen zu 10 Jahren durchgeführt. Die Simulation liefert uns Details über den gesamten CO₂-Verbrauch von der Herstellung, Nutzung und Entsorgung der Fahrzeuge. Außerdem erhalten wir die Anzahl der “Auto-Tage”, bei denen ein einmaliges Nachladen/-tanken nicht ausreicht.
Die Tabelle des CO₂-Verbrauchs (gesamtes Auto-Leben) überrascht einigermaßen. Dass 2 Benziner schlecht abschneiden (69.5 t), war vorauszusehen. Aber auch 2 BEV’s mit jeweils einer großen Batterie liegen weit hinten (66.7 t):
Eine Kombination aus 2 BEV’s ist dann umweltfreundlich, wenn die Kapazität des Akkus klein gehalten wird (60 kWh, besser noch 45 kWh). Aber auch ein 45 kWh-BEV kombiniert mit einem Diesel liegt in Summe noch knapp unter den 60 Tonnen CO₂.
Welche Kombinationen sind aber alltagstauglich? Das liefert uns die folgende Tabelle. Praktisch alle Kombinationen, welche mindestens einen Diesel oder Benziner beinhalten, kommen über die 10 Jahre hinweg mit maximal einer Fahrt aus, bei welcher mehr als einmaliges Nachladen/-tanken erforderlich ist:
Gänzlich anders verhält es sich, wenn man sich für zwei BEV’s entscheidet. In diesem Fall muss wesentlich häufiger nachgeladen werden, im Schnitt zwischen 100 bis 200 mal innerhalb der 10 simulierten Jahre — macht 10–20 mal pro Jahr.
Der Sieger
Unser Sieger steht somit fest. Nur eine Kombination weist in beiden Tabellen grünes Licht auf:
Wer eine praktikable Lösung sucht, sollte einen BEV mit kleinem Akku (z.B.
45 kWh), sowie einen Verbrenner (z.B. Diesel) in seinem Fuhrpark haben.
Um damit die optimalen Ergebnisse zu erzielen, sollten natürlich alle Strecken, für welche die Reichweite des BEV ausreicht, mit dem BEV befahren werden.
Für die siegreiche Fahrzeugkombination wollen wir etwas mehr ins Detail gehen und geben für eine der 50 Simulationen weitere Kennzahlen aus. In der folgenden Tabelle zeigt die Zeile 1 eine Zusammenfassung für Wagen “A” (BEV), und Zeile 2 für Wagen “B” (Diesel).
Man sieht, dass mit dem BEV 3293 Fahrten zu 40.6 km zurückgelegt werden, mit dem Diesel hingegen 530 Fahrten zu durchschnittlich 242 km.
Bei der Herstellung des BEV werden 8.1 t CO₂ produziert, 6.5 t bei der Produktion der Batterie und weitere 11.0 t für die Energiebereitstellung. In Summe ergibt das 25.7 t. Bei der Herstellung des Dieselfahrzeugs hingegen werden 7.6 t CO₂ ausgestoßen, weiters ganze 24.0 t an Abgasen und bei der Energiebereitstellung; in Summe also 31.5 t.
Übrigens, da die oben angeführten Kennzahlen für eine spezifische Simulation ausgegeben wurden, entsprechen sie nicht exakt dem Durchschnitt der 50 Durchgänge.
Zusammenfassung
Was ich selbst aus dieser Studie mitnehme:
- Die Kombination eines Elektro- mit einem Dieselfahrzeug erzielt in unserem Szenario die besten Ergebnisse hinsichtlich Klimabilanz und Alltagstauglichkeit.
- Weder 100% Elektro noch 100% Verbrenner ergibt gute Resultate.
- Der Trend zu großen Akkus muss kritisch gesehen werden. Wer einen Fuhrpark von mehr als einem Auto besitzt, hat viele Möglichkeiten zur Optimierung. BEV’s mit kleinem Akku verbessern die Klimabilanz meist beträchtlich.
Ausblick
Viele Parameter, wie z.B. verwendeter Strom-Mix, Treibstoff-Verbrauch usw., können sich schnell ändern. Wir schließen nicht aus, die bestehende Simulation demnächst mit neueren Kennzahlen zu aktualisieren.
Außerdem überlegen wir, die Simulation als kleine Web Applikation Online zu stellen, so dass jeder sein “eigenes Szenario” simulieren und damit für sich und für die Umwelt die beste Handlungsempfehlung ableiten kann.
Verwendete Quellen
(1) Agora Verkehrswende (2019): Klimabilanz von Elektroautos. Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial.
(2) Auke Hoekstra, innovationorigins (2020): Die Herstellung von Benzin und Diesel verursacht mehr CO2-Emissionen als wir dachten.