Wie mich mein Job rettete

Mein Kampf mit Verlust, um Identität und das Wiederfinden eines Sinns.

Medium auf Deutsch
5 min readSep 9, 2014

von John Bonini

„Sind keine Tränen im Autor, so sind auch keine Tränen im Leser.” — Robert Frost

Bevor ihr jetzt alle angesichts des idealistischen Titels mit den Augen rollt, solltet ihr folgendes über mich wissen: Ich bin nicht einer von denen, die auf das Abendessen verzichten und bis 21:30 Uhr im Büro bleiben. Ich bin keiner, der nicht aufhören kann, über den Job zu reden, während er freitags in der Happy Hour ein Guinness trinkt.

Aber liebe ich meinen Job? Absolut. Mein Job ist nicht nur an sich extrem erfüllend, sondern ich glaube auch an das, was ich tue, und mehr noch an die Menschen, mit denen ich es tue.

Aber ich liebe auch das Gefühl von Sand zwischen den Zehen und einem leichten Sonnenbrand. Ich liebe es, auf Netflix nach schlechten Horrorfilmen zu suchen und über die Absurditäten darin zu lachen. Ich trinke gern einen Sechserpack Bier mit einem guten Freund auf der Veranda hinterm Haus, mit nichts als Duane Allmans Slide-Gitarre und viel Gelächter.

Man könnte auch sagen, ich bin genau wie ihr. Und so beginnt diese Geschichte.

Amanda starb an einem Dienstag.

Ich war auf dem Nachhauseweg von der Arbeit, als ich eine SMS von ihrer Mutter erhielt.

Komm sofort her, John.”

Ich fand diese Dringlichkeit bei ihr ungewöhnlich, wendete und fuhr zu ihrem Terrassenhaus, das diagonal an einer Ecke lag, so als ob es als Vertreter der gesamten Nachbarschaft Vorbeifahrende freundlich im Auge behielte. Ich hatte diese Fahrt schon seit fünf Jahren gemacht, und sie fühlte sich nicht anders an als sonst. Nur dass ich bei meiner Ankunft nicht wie sonst mit der üblichen freundlichen Begrüßung empfangen wurde, sondern von blassen Gesichtern, die sagten, ich solle mich setzen. Ich weigerte mich.

Es schneite. Es gab einen Autounfall. Amanda hat es nicht geschafft.

Meine Amanda. Die Frau, die ich heiraten wollte, mit der ich alt werden wollte, und mit der zusammen ich noch oft die Geschichte erzählt hätte, wie unsere ersten Worte damals „Hey, wo hast du diesen Keks her?” gewesen waren.

Die Frau, die mir — gegen meinen Willen — beigebracht hatte, wie man es akzeptiert, auch mal zu verlieren, bei allem von Banagrams bis Cornhole. Die Frau, die mir beibrachte, was bedingungslose Liebe ist. Dass es tatsächlich möglich ist, jemanden mehr zu lieben als sich selbst. Mein bester Freund.

Sie war nicht mehr da. Einfach so. Und ich in vielerlei Hinsicht auch nicht mehr. Plötzlich wurden die Dinge im Leben, die wir schon fast automatisch tun – Essen, Schlafen, Anziehen, Rasieren – unerträglich schwierig.

Ich ging drei Wochen nicht zur Arbeit. Im Grunde tat ich drei Wochen gar nichts außer existieren. Ich zog mich von allen zurück, sogar meiner eigenen Familie. Es gab zu viele schlaflose Nächte, zu viele schmerzerfüllte, einsame Tage und zu viele Fragen von denen, die mich in diesem Zustand sahen.

Eines Tages rief mein Chef an. Wobei ich sagen muss, dass er nicht nur mein Chef ist. Bob Ruffolo zog von Long Island in meine Nachbarschaft, als ich etwa vier Jahre alt war. Wir wurden schnell Freunde. Wir spielten jeden Tag Basketball und bekamen uns wegen angeblicher und tatsächlicher Fouls in die Haare. Die Regeln im Streetball sind unerbittlich, selbst für Jugendliche.

Bob stand Amanda ebenfalls sehr nahe. Auch ihn hatte das alles schwer getroffen.

Er rief ca. zweieinhalb Wochen nach Amandas Tod an. Ich hatte ihn seit dem Trauergottesdienst nicht mehr gesehen, da ich mich, wie schon gesagt, fast völlig zurückgezogen hatte. Ich lag auf dem Bett, als das Telefon klingelte.

„Hast du schon darüber nachgedacht, wieder zur Arbeit zu kommen? Die Leute fragen nach dir”, fragte er.

Ich gebe zu, damals hat mich das wütend gemacht.

Arbeit?! Du willst, dass ich jetzt an Arbeit denke?

Wenn ich jetzt zurückschaue, denke ich, dass er etwas sah, das ich damals nicht sehen konnte: Ich brauchte einen Sinn. Drei Wochen lang saß ich da und dachte über mein Leben nach. Wer war ich jetzt? Was sollte ich tun? Wie sah meine Zukunft aus?

Es gibt kein Handbuch für Trauernde, gerade nicht für diejenigen, die diese Erfahrung so jung machen. Das einzige, was ich nach drei Wochen wusste, war, dass ich in Bewegung bleiben musste. Ich brauchte Bewegung. Ich kehrte am 8. April 2013 an meinen Arbeitsplatz zurück, 20 Tage nachdem Amanda für immer gegangen war.

Es gab Umarmungen, Tränen und, zu meiner Überraschung, sogar Lächeln. An diesem Tag passierte etwas Seltsames: Ich hatte das Gefühl, wieder einen Sinn zu haben. Die Leute vermissten mich tatsächlich. Manche brauchten mich sogar. Der Job an sich brauchte mich. Ich hatte in all dem hier meine Rolle zu spielen.

An diesem Tag wurde mir etwas Wichtiges klar.

Arbeit ist trivial. Vielleicht sind sogar unsere Jobs trivial. Die Menschen, mit denen wir aber täglich durch unsere Arbeit in Kontakt kommen, sind zutiefst bedeutend.

Man könnte auch sagen, der Job eines Hammers ist trivial. Und der Handwerker, der ihn hält, ist im großen Ganzen ebenso trivial. Aber die Kommode, die er damit gebaut hat? Die für die Tochter von jemandem bestimmt ist? Die sie einst, in vielen Jahren, an ihre Tochter als Familienerbstück weitergeben wird?

Das bedeutet alles. Das ist es, was uns einen Sinn finden lässt.

Manchmal ist das für keinen von uns leicht. Für manche Menschen ist ihr Job nur der Gehaltscheck. Ein Sprungbrett. Wieder andere hassen ihren Job.

Vielleicht hasst ihr sogar euren Job.

Aber findet das Lächeln, das ihr durch eure Arbeit erzeugt habt. Vielleicht müsst ihr tief danach graben und lange suchen, aber es ist da irgendwo, versprochen.

Findet es und konzentriert euch auf dieses Lächeln. Auf den Unterschied, den ihr macht.

Das ist es, was ich getan habe. Bei einem Verlust verliert das Leben auch alles Triviale. Somit war mein Job nach meiner Rückkehr an den Arbeitsplatz immer noch derselbe, aber meine Einstellung war eine komplett andere. Ich habe meinen Job immer gemocht, aber jetzt sehe ich, wie wichtig er ist. Es geht nicht um mich. Es geht um die Menschen, denen ich helfe. Es geht darum, ihr Lächeln zu finden.

Ich behaupte nicht, dass es mir schon wieder gut geht, denn das tut es nicht. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, dass das auf diesem Wege passiert. Ich behaupte nicht, dass Arbeit beim Trauern der Schlüssel ist, denn das ist sie nicht.

Aber Bewegung ist es. Das finden eines Sinns. Ich bin auf meiner Reise. Ich bin in Bewegung. Ich habe Wege gefunden, positiv zu sein. Aktiv zu sein und hart zu arbeiten. Am wichtigsten ist, dass ich einen Weg gefunden habe zu leben. Mit einem Sinn.

Wenn ihr für den Amanda K. Cartier Scholarship Fund zur Unterstützung von High School-Schülern mit dem Ziel, Mathematik, Natur-, Ingenieurs- oder Geisteswissenschaften zu studieren, spenden möchtet, macht bitte hier eine Spende. Jeder Dollar zählt.

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